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Seit 50 Jahren unter Strom

Sechs Elektromonteure gründeten 1965 in Rauschwitz die Genossenschaft Relais. Inzwischen ist sie eine GmbH und arbeitet europaweit.

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© Mathias Schumann

Manuela Reuß

Rauschwitz. Harald Berger erinnert sich noch gut. Vor 50 Jahren wollte sich der gelernte Elektromonteur selbstständig machen. Doch das war 1965 so nicht gewollt. „Ulbricht hatte was dagegen“, erklärt der 73-jährige Senior. Volkseigen sollten Betriebe sein. „Damals kriegten ja kaum Söhne oder Töchter den elterlichen Betrieb. Eine Neugründung kam da gleich gar nicht infrage.“ Da half selbst die Staatsrats-Eingabe nicht. Also startete Harald Berger einen zweiten Anlauf: Wenn schon keine eigene Firma, dann sollte es wenigstens eine Genossenschaft werden.

Mit ein wenig Glück, viel Unterstützung vom damaligen Rat des Kreises und etwas Augen-zu-drücken klappte es schließlich: Harald Berger und fünf weitere Elektromonteure gründeten am 4. Dezember 1965 die Firma Relais als Produktionsgenossenschaft des Handwerks (PGH). Eigentlich ein Unding. Denn laut damaliger Richtlinie hätte eine PGH nur aus bestehenden Betrieben gegründet werden dürfen. Doch Bedarf an Handwerkern war da. Vor allem im sorbischen Raum habe sich die Gründung wie ein Lauffeuer verbreitet, erinnert sich der Senior.

Erfolgsgeschichte auf der Kippe

Arbeit gab es mehr als genug. Nur an Material zu kommen, sei nicht immer leicht gewesen. Bis zur Wende installierten die Rauschwitzer Elektroanlagen sowohl für private Kunden als auch für den Handel, für Kommunen, die NVA oder auch für LPG. Etwa 20 Monteure arbeiteten im Wendejahr in der Genossenschaft, jährlich wurden zwei Lehrlinge ausgebildet.

Im Frühjahr des Jahres 1990 stand die Erfolgsgeschichte der PGH schließlich auf der Kippe. „Wir standen vor der Frage: Wie weiter? Denn es hieß, dass PGH abgeschafft werden sollen“, erinnert sich Harald Berger. Es galt also, die Firma in eine andere Gesellschaftsform zu überführen. Obendrein verließ der damalige Vorsitzende die Genossenschaft, um sich im Raum Arnsdorf selbstständig zu machen. Eine äußerst vertrackte Situation.

Doch Harald Berger – damals stellvertretender Vorsitzender – gab nicht auf. Er inserierte, suchte einen Geschäftsführer. Diese Annonce las seinerzeit Gunter Wehner. Der studierte Elektrotechniker arbeitete damals im Kraftwerk Schwarze Pumpe. Er bewarb sich, „obwohl ich nicht wusste, was da auf mich zukommt.“ 35 Bewerbungen landeten seinerzeit auf Harald Bergers Schreibtisch. Die hat er noch zu Hause. Seine Wahl fiel auf Gunter Wehner. Und der war perplex, dass er quasi von heute auf morgen wechseln sollte. Bereits am 15. Juni saß er auf dem Chefstuhl. Den Schreibtisch voller schwieriger Aufgaben. Die PGH sollte zur GmbH werden. Die Währungsunion stand ins Haus und nahezu alle Aufträge waren weggebrochen. „Niemand konnte sagen wie’s geht. Das war alles Neuland für uns“, erinnert sich der langjährige Geschäftsführer. Trotzdem hat sich Relais bis heute am umkämpften Markt behauptet.

Viel auf Montage gearbeitet

In der ersten Zeit seien die Mitarbeiter viel auf Montage gefahren. „Aber nicht zu lange.“ Dann gab’s vor Ort wieder zu tun. Leute, die sich selbstständig gemacht hatten, richteten Läden ein, Wohnungsgenossenschaften – unter anderem in Kamenz und Pulsnitz – modernisierten ihre Häuser, die verbliebenen Industriebetriebe ließen Produktionsanlagen installieren. Der Name Relais – den die GmbH übernahm – war bekannt.

Inzwischen hat Sven Anders den Hut für die Firma auf. Der 45-jährige Geschäftsführer kennt sich im Betrieb aus. Seit April 1993 ist er im Unternehmen, seit 2007 Meister. Gunter Wehner erkannte frühzeitig das Potenzial des neuen Mitarbeiters und bot ihm an, sein Nachfolger zu werden. Allerdings sei schon einige Zeit vergangen, bis er sich dazu bereit erklärte, erzählt der Relais-Chef. Schließlich sei der Job mit enorm viel Verantwortung verbunden. „Als Arbeitnehmer kann man gar nicht einschätzen, was da alles dranhängt, obwohl man es vielleicht denkt. Das muss man auch mal so knallhart sagen.“ Der Papierkram sei schon heftig. „Um Ausschreibungen brauchten wir uns früher keinen Kopf machen“, so Harald Berger. Sven Anders muss es tun. Den damit verbundenen Aufwand sehe kaum einer. Wenn es gut geht, gibt man zehn Angebote ab und kriegt einen Auftrag. „Das ist schon manchmal frustrierend.“

Betätigungsfeld wurde breiter

Die derzeit 14 Mitarbeiter – darunter ein Lehrling – sind im Wohnungs- und Gewerbebau aber auch in der Industrie tätig. „Bei der Mannschaftsstärke könnten wir uns mit ein paar Eigenheimen nicht über Wasser halten.“ Diese Arbeiten gehören nach wie vor dazu, aber in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten wurde das Betätigungsfeld stetig breiter. Auch geografisch. Die Rauschwitzer verlegten Leitungen und installierten Anlagen beispielsweise nicht nur bei der Ovovac GmbH im benachbarten Burkau, sondern auch in einer großen Druckerei im Harz, einem bekannten Kosmetikhersteller in Bad Schlema oder in den Flughäfen in Prag und Moskau. Auch auf dem skandalträchtigen Berliner Flughafen waren die Rauschwitzer tätig. Aber an ihnen habe es nicht gelegen, dass der noch immer nicht fertig ist, sagt Sven Anders augenzwinkernd. „Wir haben damals unseren Termin gehalten. Zwar grad so. Aber immerhin.“

Für die nächsten 50 Jahre hat der Geschäftsführer eigentlich nur einen Wunsch: Dass es so weitergeht wie bisher. Auf seine Leute kann er sich dabei verlassen. Und darauf wird er mit seinen Mitarbeitern am Freitag auch anstoßen.