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Sie holt den Plastikfrei-Trend nach Bautzen

Seit drei Jahren vermeidet Anne Wilhelm jeglichen Abfall. Jetzt will sie anderen zeigen, dass das sogar Spaß macht.

Von Marleen Hollenbach
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Anne Wilhelm organisiert eine Ausstellung zum nachhaltigen Konsum im Kulturshop an der Tuchmacherstraße in Bautzen.
Anne Wilhelm organisiert eine Ausstellung zum nachhaltigen Konsum im Kulturshop an der Tuchmacherstraße in Bautzen. © Foto: Steffen Unger

Bautzen. Die Glasflasche ersetzt die Verpackung aus Plastik, das Bienenwachstuch ist eine umweltfreundliche Alternative zur Frischhaltefolie. Anne Wilhelm kramt in ihrem Stoffbeutel und holt noch einen Kalender hervor. „Der wurde aus Gras hergestellt und ist deshalb kompostierbar“, sagt sie. Ihr Lächeln, ihre aufmerksamen Augen – wenn die 27-Jährige über nachhaltige Produkte spricht, dann sieht man ihr an, wie begeistert sie ist. Noch stärker überträgt sich ihre Energie, wenn sie erzählt, was sie am Wochenende plant. Im Bautzener Kulturshop wird die junge Frau von ihren Erfahrungen berichten. Zwei Tage lang will sie Produkte ausstellen, manche auch verkaufen. Vor allem aber will Anne Wilhelm den Bautzenern zeigen, dass es Spaß machen kann, umweltbewusst zu leben.

Dabei ist es noch gar nicht so lange her, dass sich auch in ihrer Wohnung der Plastikmüll stapelte. Doch ein Urlaub in Indonesien veränderte alles. Anne Wilhelm besuchte die Insel Lombok. Was sie dort sah, kann sie bis heute nicht vergessen. „Die Leute hatten weder ein Müllsystem noch sonst irgendwas. Alles landete im Wasser“, sagt sie. Nun wäre es leicht gewesen, einfach nur die Nase über die Menschen dort zu rümpfen. Doch Wilhelm dachte stattdessen über ihr eigenes Verhalten nach.

Mit Brotdose und Einkaufsnetz statt Tüte

Zurück in Deutschland nahm sie sich zunächst ihren Mülleimer vor. „Ich wollte herausfinden, welchen Abfall ich produziere. Dann habe ich nach Alternativen gesucht“, sagt sie. Wilhelm fing an, ihre Klamotten nur noch in Secondhand-Läden zu kaufen. Sie holte die Milch in wiederbefüllbaren Flachen von der Milchtankstelle und entdeckte den Wochenmarkt für sich. Dort konnte sie sich zum Beispiel den Quark direkt in die eigene Brotdose geben lassen. Später schaute sie sich ihre Kosmetik an. „Ich habe gesehen, dass man Sachen wie Deo, Peeling oder Waschmittel ganz einfach selber herstellen kann“, sagt sie.

Damals lebte die junge Frau noch in der Dresdner Neustadt. Dort traf sie auf viele Gleichgesinnte. Doch dann entschied sie sich, nach Bautzen umzuziehen. Ihrem Freund zuliebe kam sie in die Stadt an der Spree. Inzwischen arbeitet sie bei einem Schuh-Orthopäden. Sie hat sich eingelebt in Bautzen. Dabei kam sie mit großen Bedenken. „Anfangs war ich mir sicher, dass die Leute meinen Lebensstil ablehnen. Aber ich habe das Gegenteil erfahren“, sagt sie. Vor allem bei den jüngeren Bautzenern stieß sie auf großes Interesse. Aber auch mit vielen älteren Einwohnern hat Anne Wilhelm gute Gespräche geführt. „Wenn es zum Beispiel um Einkaufsnetze geht, dann sagen manche Senioren, dass sie die noch von früher kennen “, erklärt sie.

Und doch ist Bautzen anders. In der Dresdner Neustadt gibt es Unverpackt-Läden. An einem Ort findet man alles, was man braucht. In Bautzen hingegen musste sich Anne Wilhelm erst einmal durchs Internet klicken, um herauszufinden, wer überhaupt nachhaltige Produkte anbietet. Manches fand sie im Vorbeigehen. Den Bautzener Imker zum Beispiel mit seinen Bienenwachstüchern oder die Seilerei, die Einkaufsnetze herstellt. Auch den Wochenmarkt der Stadt besucht sie inzwischen regelmäßig. Auf einen nachhaltigen Konsum zu achten, das ist in Bautzen vielleicht schwerer als in Dresden, aber es ist nicht unmöglich, meint sie.

Leihen statt kaufen

Dann stoppt Anne Wilhelm kurz ihren Redefluss und überlegt. Es gehe ihr nicht darum, andere zu belehren, betont sie. Es müsse auch nicht jeder so radikal leben. „Aber ich finde, wenn jeder nur zwei, drei kleine Sachen ändert, dann hat das auch schon einen großen Effekt“, so Wilhelm. Zumal der Lebensstil auch Spaß machen kann. Wenn man sich zum Beispiel beim Nachbarn eine Bohrmaschine leiht, statt sich eine zu kaufen, dann kommt man gleich mit ihm ins Gespräch. Oder, wenn man gebrauchte Möbel kauft. Auch dann lernt man nebenbei jemanden kennen.

Spaß und nette Gespräche, das wünscht sich Anne Wilhelm auch für das Wochenende. Den Kulturshop an der Tuchmacherstraße will sie für Besucher öffnen. Die Räume dort stellt der Innenstadtverein zur Verfügung. Kreative können den Laden für einen bestimmten Zeitraum kostenlos nutzen. Eine perfekte Plattform für die junge Frau und ihre Ausstellung.

In ihrem Kopf schwirren noch viele weitere Ideen. Eine Sache ist schon geplant: Anne Wilhelm möchte noch einmal nach Indonesien. Im Internet stieß sie auf eine Hilfsorganisation, die auf eben jener Insel Lombok den Menschen zeigt, wie Plastikmüll recycelt werden kann. Schon für das nächste Jahr hat sich die Bautzenerin als Freiwillige gemeldet. Fünf Monate will sie dort bleiben, sich engagieren. Es ist ihr Beitrag für eine bessere Welt.

Die Ausstellung „(Un)verpackt durch Bautzen“ gibt es am Sonnabend und Sonntag von 10 bis 16 Uhr im Kulturshop, Tuchmacherstraße 18, zu sehen.