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Der „Polizeiruf“: So bitter, so traurig

Hanns von Meuffels zum letzten Mal auf Mörderjagd: Ausnahmeregisseur Christian Petzold schneidert Matthias Brand dessen Abschieds-„Polizeiruf“ auf den Leib.

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"Ich bin lieber Schauspieler als Polizist." So begründet  Matthias Brandt seinen Abschied aus dem Münchener "Polizeiruf 110".
"Ich bin lieber Schauspieler als Polizist." So begründet Matthias Brandt seinen Abschied aus dem Münchener "Polizeiruf 110". © BR/Christian Schulz

Wenn ein Sonntags-Kommissar nicht mehr mitspielen will, kann der Drehbuchschreiber ihn sterben lassen: Erschießen, erstechen, überfahren – es gibt viele Möglichkeiten, einen Ermittler aus der Reihe herauszukatapultieren. Matthias Brandt hatte seinen Abgang schon im vorigen Jahr angekündigt und wahrscheinlich sogar mit Autor und Regisseur Christian Petzold gemeinsam überlegt, wie er lebend aus dem Münchener „Polizeiruf“ herauskommt, bevor die Ermittlerarbeit zur Lebensaufgabe wird. Er sei eben lieber Schauspieler als Polizist, hat Brandt dazu bemerkt. Nun gab er eine gelungene Abschiedsvorstellung als Hanns von Meuffels.

Eine Frau wird vor den Augen ihrer Tochter hingerichtet. Doch das Familiendrama um gestörte Menschen, um Sex, Erpressung, Sorgerecht verblasst angesichts der Traurigkeit, die Hanns von Meuffels vor sich herträgt. Constanze Herrmann, geliebte Kollegin und strenge Polizei-Ausbilderin in Nürnberg, hat ihn verlassen. Barbara Auer zeigt eine Frau, die eine einmal getroffene Entscheidung nicht infrage stellt. In schlaflosen Nächten heult sie sich nicht die Augen rot über ihre verlorene Liebe. Sie denkt sich die Tatorte aus, an denen ihre Studenten das Ermitteln üben.

Von Meuffels ist verzweifelt und wütend, kann sich nicht auf den aktuellen Fall konzentrieren. Den löst seine neue Assistentin Nadja (Maryam Zaree), eine kleine Frau in großen Schuhen. Sie kommt euphorisch, voller Tatendrang von der Nürnberger Akademie und möchte von Meuffels beeindrucken. Der Übereifer einer Beststudentin, die sich immer wieder dafür entschuldigt, dass sie ihren Meister übertrumpft. Die Spannungen sind kaum auszuhalten, bis Nadja erkennt: „Euphorie kann doof machen.“ Er darauf: „Traurigkeit kann auch doof machen.“ Alle drei Ermittler sind eigenwillige Charaktere, stark gespielt von grandiosen Darstellern. Ihnen zuzusehen ist das wirklich Spannende an diesem „Polizeiruf“. Der Fall gerät für die Zuschauer zur Nebensache. Für den ausgebrannten von Meuffels ist er das längst.

Im Finale folgt auf höchste Dramatik entspannte Gelassenheit. Zwei einsame Menschen, die sich verloren hatten und nun doch wiederfinden, als hätten sie keine Wahl. Bei Mord und Totschlag haben sie sich einst kennengelernt. Gefunden haben sie sich jedoch erst beim Stummfilm, bei Büchern und Musik.