Von Steffen Neumann, SZ-Korrespondent in Usti nad Labem
Tomas Sykora hat derzeit alle Hände voll zu tun. Am vergangenen Dienstag öffnete der Mitarbeiter der Staustufe in Usti nad Labem bereits zum zweiten Mal innerhalb weniger Stunden das Elbe-Wehr unterhalb der Burgruine Schreckenstein (Strekov). „Diesmal ist nichts passiert, das war nur eine kleine Welle, um einem Güterschiff die Fahrt zu erleichtern“, sagt Sykora. Die Reederei hatte sich die Fahrthilfe vorsorglich im Voraus bestellt.
Die Bergung des Schubverbandes
Dem Schubverband dagegen, der vor gut einer Woche an der Dresdner Marienbrücke auf Grund gelaufen war, konnte das Stauwerk in Usti erst im Nachhinein helfen. Ab Mitternacht gab die Schleuse dafür außerplanmäßig sechs Stunden lang Wasser frei. Das reichte, um den Wasserspiegel in Usti um 20 Zentimeter anzuheben. Das Wasser bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von etwa sechs Kilometern pro Stunde. Pünktlich 16 Stunden nach Schleusenöffnung half es, das Schiff in Dresden aus seiner misslichen Lage zu befreien.
„Solch kleine Wellen sind absolut normal. Allein in diesem Jahr haben wir von Usti schon über 80 den Fluss hinunter geschickt“, sagt Jiri Petr, der Chefdispatcher des Wasserbetriebs Elbe mit Sitz in Hradec Kralove. Wer den Elbepegel etwas aufbessern möchte, muss in seiner Abteilung anrufen. Denn hier wird die endgültige Entscheidung getroffen, ob die Elbe einen Schluck mehr Wasser bekommt.
Angesichts des bis an den Rand vollen Stausees oberhalb des Stauwerks in Usti scheint das keine Frage. Doch so einfach ist das nicht. „Die Schleuse Strekov hat vergleichsweise nur begrenzte Möglichkeiten, den Wasserstand aufzubessern“, schränkt der Oberdispatcher ein. Zwar gehört die in den 1930er-Jahren gebaute nach dem ersten Präsidenten der Tschechoslowakei Masaryk benannte Schleuse mit einem Rückstauvolumen von knapp 16 Millionen Kubikmetern zu den größten an der Elbe. Doch für die Regulierung des Pegels stehen nur drei Millionen Kubikmeter zur Verfügung. Das Stauwerk will zudem flexibel bleiben, weshalb nur 80 Prozent dieses Volumens zur Regulierung genutzt werden.
„Um den Pegel in Usti um 20 Zentimeter anzuheben, müssen wir den Abfluss um 35 Kubikmeter je Sekunde erhöhen“, rechnet Petr vor. Nach sechs Stunden wäre damit bereits fast ein Drittel des Volumens für die Regulierung verbraucht. Dass das Stauwerk so restriktiv Wasser freigibt, hat mit seinen vielen Funktionen zu tun. So muss genug Wasser für das eigene Kraftwerk vorhanden sein. Außerdem ist der Stausee eine wichtige Brauchwasserquelle und wird für Sport und Erholung genutzt. Zu guter Letzt darf natürlich die Schifffahrt oberhalb der Staumauer nicht gefährdet werden. „Deshalb darf der Wasserspiegel nicht unter die Marke von 140,4 Meter über dem Meer fallen“, sagt Petr. Droht die Unterschreitung der Marke, könnte er den Hahn zudrehen lassen. „Wir sind nicht verpflichtet, einen Minimalabfluss aufrecht zu erhalten“, so Petr und betont, dass dies nur rein theoretische Überlegungen seien.
Aufwendiger Service ist kostenlos
Damit das nicht passiert, gibt es nämlich insgesamt fast 70 Talsperren im Einzugsgebiet der Flüsse Elbe, Ohre (Eger) und Moldau. Am berühmtesten sind die sogenannten Moldau-Kaskaden, ein System von neun riesigen Talsperren. „Die haben ganz andere Möglichkeiten. Wenn wir einmal mehr Wasser abgeben müssen, wenden wir uns gleich an die Moldau-Kaskaden“, verrät Petr. Dafür braucht es aber einige Tage Vorlauf, manchmal auch Wochen. Deshalb ist er auch froh, dass die Welle vom vergangenen Montag für eine Befreiung des Schiffs gereicht hatte. Sonst hätte der Schubverband noch länger in Dresden festgesessen. Für die Befreiungswelle musste der tschechische Reeder übrigens nichts zahlen. „Das ist ein kostenloser Service“, bestätigt Petr. Der Reederei CSPL sind deshalb „nur“ Ausfallkosten entstanden. „Pro Tag sind das 1 500 Euro“, rechnet CSPL-Chef Milan Raba vor.
Bei der Entscheidung, wer am Ende von einer solchen Welle profitiert, gibt es keine Vorzugsbehandlung. Ob Güterschiff, Ausflugsdampfer oder Kreuzschiff, alle sind vor Jiri Petr und seinen Kollegen gleich. Gegen eine Trockenheit wie im Sommer ist die Staustufe in Usti aber machtlos, weshalb sogar die Dampferparade im August ausfallen musste. „Die Vorstellung, die Stauwerke in Tschechien könnten bei Trockenheit langfristig die Schiffbarkeit auf der Elbe sichern, ist falsch. Das hängt in erster Linie von der Ergiebigkeit der natürlichen Zuflüsse ab“, stellt Petr klar. Ohne das Stausystem wäre die Elbe im Sommer aber nur noch ein Rinnsal gewesen und der Ausfall der Dampfer hätte noch länger gedauert. „So lange es geht“, versichert Dispatcher Petr, „halten wir die Bedingungen für die Fahrgastschifffahrt aufrecht.“