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Bischofswerda sucht händeringend Erzieher

Für die Personalnot in den Kitas gibt es mehrere Gründe. Nicht alle kann die Stadt als Arbeitgeber beeinflussen.

Von Ingolf Reinsch
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So wünschen sich Eltern den Kindergartenalltag: eine liebevolle, entspannte Atmosphäre, in der die Erzieherinnen und Erzieher Zeit für die Kinder haben.
So wünschen sich Eltern den Kindergartenalltag: eine liebevolle, entspannte Atmosphäre, in der die Erzieherinnen und Erzieher Zeit für die Kinder haben. © dpa/ Uwe Anspach

Bischofswerda. Die Mitteilung aus dem Bischofswerdaer Rathaus klingt dramatisch: „dringend Erzieher für Kindertagesstätten gesucht“. Von den rund 80 Stellen für Erzieherinnen und Erzieher in den acht städtischen Kindereinrichtungen sind aktuell fünf nicht besetzt. Diese Zahl könne sich unter Umständen von Woche zu Woche ändern, sagt Ralf Kluge, der im Rathaus die Personalstelle leitet. Zu seinen Aufgaben gehört es, die Balance zu halten zwischen dem gesetzlich vorgeschriebenen Betreuungsschlüssel, der dafür erforderlichen Anzahl an pädagogischen Mitarbeitern und nicht zuletzt den Personalkosten, deren Entwicklung auch Eltern auf ihrem Konto spüren. Über die Elternbeiträge finanzieren sie einen Teil der Personal- und anderen Betriebskosten der Kitas.

Arbeitsmarkt ist wie leer gefegt

Dass Erzieherinnen und Erzieher fehlen, hat mehrere Gründe, macht Ralf Kluge im Gespräch mit der SZ deutlich. Sie liegen zum einen an den Zugangsvoraussetzungen, wonach der Abschluss als staatlich anerkannte(r) Erzieherin/Erzieher zwingend vorgeschrieben ist. Hinzu kommt Fluktuation, auch bedingt durch die Entwicklung des Arbeitsmarktes. Erzieherinnen von weiter her, die bei der Stadt angestellt waren oder sind, wechseln in Einrichtungen in Nähe ihres Wohnortes, sobald sich diese Möglichkeit bietet. „Das ist natürlich zu verstehen“, sagt Ralf Kluge. Ebenso wenn es Langzeitkranke gibt – aktuell sind es zwei. 

Doch auch positive Entwicklungen können für den Personalplaner eine Herausforderung sein: Drei Mitarbeiter in Kitas stehen vor der Elternteilzeit. „Wir freuen uns mit ihnen darüber“, sagt Ralf Kluge, der sich aber auch darüber Gedanken machen muss, wie diese Stellen befristet besetzt werden können. Außerdem wirken sich gesetzliche Veränderungen aus. Erzieherinnen und Erzieher mit einer Wochenarbeitszeit von bis zu 32 Stunden bekommen seit dem 1. Juli 2019 eine Stunde wöchentlich für die Vor- und Nachbereitung; bei über 32 Stunden sind es zwei Stunden. Hochgerechnet auf die städtischen Kitas sind das gut zwei Vollzeitstellen, die zusätzlich besetzt werden müssen. Eine mögliche Überalterung der Pädagogen spielt dagegen laut Stadtverwaltung keine Rolle. Jährlich gehen ein bis zwei Beschäftigte planmäßig in den Ruhestand.

Der Stellenmarkt für Erzieher ist zurzeit so gut wie leer gefegt. Nicht nur in der Stadt Bischofswerda. Auch in Umlandgemeinden, wie in Neukirch, wurden in jüngster Zeit Erzieherstellen ausgeschrieben. Im Bereich der Arbeitsagentur Bautzen sind zurzeit 22 Erzieher arbeitssuchend gemeldet. Zugleich registrierte die Agentur im Januar 57 offene Stellen. Noch größer ist das Missverhältnis in der Bautzener Geschäftsstelle, die auch für Bischofswerda zuständig ist. Sechs arbeitssuchenden Erzieherinnen und Erziehern stehen 24 unbesetzte Stellen gegenüber.

Ein anspruchsvoller Beruf

Die bei der Stadt Bischofswerda angestellten Erzieherinnen und Erzieher arbeiten Teilzeit – in der Regel 30 Wochenstunden. „Wir bieten unseren Beschäftigten sogenannte 30 plus-Verträge an. Das heißt, wer es möchte, kann einige Stunden länger arbeiten, wenn es erforderlich ist“, sagt Ralf Kluge. Reichlich die Hälfte der Mitarbeiter haben sich dafür entschieden. Über dieses Stundenpolster lassen sich Ausfälle in den Einrichtungen, etwa bei Krankheit, kompensieren. Teilzeit biete da mehr Flexibilität als Vollzeit, macht der Personalchef deutlich. Zum einen, weil sie die zeitliche Reserve für die Mitarbeiter ermöglicht; zum anderen, weil sich 30 Stunden leichter ausgleichen lassen als 40. Der Erzieherberuf ist anspruchsvoll und anstrengend. Da komme die Teilzeit vielen Mitarbeitern entgegen, heißt es im Rathaus.

Eine Erfahrung, die freie Träger, wie zum Beispiel die Volkssolidarität, teilen. Auch dort beträgt die durchschnittliche Wochenarbeitszeit 30 Stunden. „Da sich die Kinderzahlen immer wieder verändern, müssen wir beim Personaleinsatz flexibel bleiben“, sagt Romy Pietsch, Geschäftsführerin des Bautzener Kreisverbandes. „Wir bieten unseren Mitarbeitern einen sicheren Arbeitsplatz. Sie arrangieren sich mit der Teilzeit.“ Arbeitszeiten bei der Volkssolidarität werden individuell vereinbart. Wer länger arbeiten möchte, bekommt einen entsprechenden Vertrag. Ebenso, wer weniger als 30 Stunden gehen möchte. Aktuell sucht der Sozialverband Erzieher für seine Einrichtungen in Großharthau, Steinigtwolmsdorf und Stolpen. In seiner Bischofswerdaer Kita Märchenland sind alle Erzieherstellen besetzt.

Skepsis gegenüber Landesplänen

Die Stadt Bischofswerda steht mit anderen Trägern im Wettbewerb. Diese zogen in den vergangenen Jahren bei der Bezahlung ihrer Mitarbeiter an den öffentlichen Dienst heran. Trotzdem biete dieser weitere Vorteile, sagt Sascha Hache, Persönlicher Referent des Oberbürgermeisters. Dazu zählten 30 Tage Urlaub im Jahr, eine Jahressonderzahlung, ein jährlich ausgezahltes leistungsbezogenes Entgelt und die Zusatzversorgung für den öffentlichen Dienst, eine Art „Betriebsrente“. – Angesichts rückläufiger Kinderzahlen in den kommenden Jahren werde die Stadt Bischofswerda „mit Augenmaß“ einstellen, kündigt der Leiter der Personalstelle an. In der Stadt gibt es insgesamt elf Kindereinrichtungen. Acht befinden sich in städtischer Trägerschaft. Je eine Kita werden von der Volkssolidarität und der Diakonie betrieben, ein Schulhort von der Arbeiterwohlfahrt.

Mit einem veränderten Schlüssel, wonach eine Erzieherin jetzt weniger Kinder betreut, und der Aussicht, dass ab dem Jahr 2022 Urlaub, Weiterbildung und Krankheit schrittweise in den Betreuungsschlüssel eingerechnet werden, will Sachsens Regierungskoalition die Qualität in den Tagesstätten verbessern. Die Kommunen sollen dafür mehr Landeszuschüsse erhalten. Trotzdem sieht man vor Ort, wo man es umsetzen muss, diese Ankündigungen skeptisch. Wer bezahlt das? Und vor allem: Wo kommen die Erzieher her?, fragt man im Bischofswerdaer Rathaus.

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