SZ + Radeberg
Merken

Sprayer nehmen sich Bierwagen vor

Capstan &Tulip sind die besten Urban Art Künstler im Osten. In der Radeberger Brauerei griffen sie zu Stift und Farbdose. Ganz legal.

Von Thomas Drendel
 3 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Kai Siegel arbeitet akribisch an der Gestaltung des Bierwagens. Der Künstler überträgt das Motiv von einer Vorlage auf die Wand. Gemeinsam mit Kollege Richard Goepel gewann er die „Paint Club Battle League“ vergangenes Jahr in Dresden.
Kai Siegel arbeitet akribisch an der Gestaltung des Bierwagens. Der Künstler überträgt das Motiv von einer Vorlage auf die Wand. Gemeinsam mit Kollege Richard Goepel gewann er die „Paint Club Battle League“ vergangenes Jahr in Dresden. © Bernd Goldammer

Radeberg. Zischen, klappern, zischen: die typischen Geräusche von Grafitti-Sprayern waren jetzt in einer Halle der Radeberger Brauerei zu hören. Zwei Typen mit Basecap und Kapuzenjacken machten sich an einen Bierwagen zu schaffen. Linien ziehen, schwarze Farbe sprühen. Waren da illegale Sprayer am Werk? „Nein überhaupt nicht. Richard Goepel und Kai Siegel, besser bekannt als Capstan &Tulip, gehören zu den besten Urban Art-Künstlern in den neuen Bundesländern. Sie wurden von uns eingeladen“, sagt Jana Kreuziger von der Radeberger Brauerei.

Dass die Wahl gerade auf diese beiden fiel, hatte natürlich seinen Grund. „Sie haben den Wettbewerb ,Paint Club Battle League‘ gewonnen.“ Im vergangenen Jahr waren dabei in fünf Bundesländern 80 solcher Sprayer gegeneinander angetreten. Capstan &Tulip konnten den Ausscheid in ihrem Heimatland Thüringen gewinnen und siegten dann auch beim Wettbewerb der fünf Landesmeister im November in Dresden. „Wir als Brauerei haben den Ausscheid unterstützt. Im Siegerpreis war dann auch dieser Auftrag zur Gestaltung des Bierwagens enthalten. Jetzt haben sie ihn eingelöst.“

Mehrere Tage ließen sich die zwei an dem Wagen aus: Von zuvor angefertigten Zeichnungen wurden die Motive auf die Wagenwand übertragen, zunächst nur Linien. Dann kamen die Spraydosen zum Einsatz. In eher gedeckten Farben Schwarz, Gold und Weiß entstand unter anderem eine große Figur. Mit wehendem Schal und einer Oldtimer-Lederkappe auf dem Kopf sitzt der Pilot auf einem fliegenden Fass. Ringsherum sind zahlreiche Motive zu sehen, die etwas mit Bier zu tun haben: Hopfendolden, Gerste und und ähnliche Dinge. „Das Besondere dabei: Die Zeichnungen sind an den Außen- und an den Innenwänden aufgesprüht. So sind sie während der Fahrt und auch beim Ausschank zu sehen.“

Kai Siegel und Richard Goepel (r.) sind das Künstlerduo Capstan&Tulip.
Kai Siegel und Richard Goepel (r.) sind das Künstlerduo Capstan&Tulip. © Bernd Goldammer

Ganz oben auf dem Wagen ist der Satz zu lesen: „Wir feiern die Heimat“. „Das hat mit unserer Mitmachaktion zu tun, die am 23. April also unmittelbar nach Ostern startet“, sagt Jana Kreuziger. Ab diesem Tag können Interessenten über das Internet Beispiele einreichen, in denen sie mitteilen, was für sie Heimat bedeutet. Das können Fotos sein, aber Beschreibungen ihres Heimatgefühls oder Hinweise auf ein typisches Bauwerk oder einen regionalen Brauch. „Dann kommen wieder Capstan &Tulip ins Spiel. Ihnen werden nämlich die Ideen vorgelegt und sie verwandeln daraus Kunstwerke. Aus Heimat entsteht quasi Kunst und nach und nach die erste Radeberger Heimatgalerie“, sagt Jana Kreuziger. Mitmachen können Einzelpersonen genauso wie Familien, Freundeskreise, Nachbarschaften oder Vereine. Bis Ende Mai 2019 können die Vorschläge eingereicht werden, wenig später wird die „Radeberger Heimatgalerie“ vollständig sein. Im Anschluss wird daraus in mehreren ostdeutschen Großstädten in Rostock, Erfurt, Magdeburg und Dresden eine ganze Hauswand mit den Motiven gestaltet.

Capstan &Tulip freuen sich auf die Aktion. „Wir setzen das Thema ja mit unseren ureigenen künstlerischen Mitteln um. Dann sind die Zeichnungen auf mehreren Hauswänden zu sehen. Das ist eine interessante Herausforderung. Gerade in diesen Tagen“, sagt Kai Siegel. Richard Goepel fügt hinzu: „Der Heimatbegriff ist für mich sehr positiv besetzt, weil er aus verschiedenen zeitlichen Erinnerungen, Erlebnissen, Erfahrungen und Episoden besteht. Dahinter steht doch, was uns Menschen miteinander verbindet.“ Zum Abschluss der insgesamt vier „Wandbilder“ gibt’s dann am 6. Juli 2019 in Dresden die große „Heimatfeierei“ - eine Party. Alle, die bei der Aktion Ideen eingereicht haben, feiern bei freiem Eintritt mit.

Wer neugierig geworden ist und den Wagen live sehen möchte, hat dazu beim Bierstadtfest in Radeberg Gelegenheit. „Er wird in Höhe des Brauereiausschanks aufgestellt“, sagt Jana Kreuziger. Anschließend ist er unter anderem bei der Campusparty und dem Dampfschifffest in Dresden dabei.