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Spülkästen statt Kerzen

Die Kerzenzieherei wird zur Behindertenwerkstatt umgebaut. Der Zeitpunkt war schlecht gewählt, findet Marion Krause.

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© Anne Hübschmann

Von Susanne Plecher

Marion Krause hatte es sich so schön vorgestellt. Feuer und Flamme war sie von ihrer Idee. In der Kerzenzieherei der Diakonie hat sie gemeinsam mit vier ehrenamtlichen Mitarbeitern Sachsentagskerzen hergestellt. Filigran oval oder humpendick, oben weiß, unten grün, mit lässig liegendem Nix und Sachsentagslogo. Anfang des Jahres hatte sie drei verschiedene Muster für die Stadtverwaltung entwickelt. Die war ein dankbarer Abnehmer und Auftraggeber. 50 der insgesamt 70 Tag-der-Sachsen-Kerzen, die bisher gezogen wurden, hat sie der diakonischen Einrichtung abgekauft. Frau Krause war gut im Geschäft.

Das ist jetzt vorbei. Marion Krauses emsiges Treiben wurde ausgebremst, und zwar von ihrem Arbeitgeber. Die Diakonie braucht den Platz, auf dem bis vor Kurzem nach kleine Kunstwerke aus Paraffin entstanden sind, anderweitig. Sie will den Montagebereich der Behindertenwerkstatt erweitern. Zehn Arbeitsplätze für geistig behinderte Frauen und Männer entstehen hier. Sie werden ab August in den sanierten Räumen Spülkästen für Toiletten montieren, erläutert Werkstattleiterin Viola Herrlich. „Der Platz in der Eichenallee bleibt bestehen, aber er reicht nicht mehr aus. Dort sind wir an die Kapazitätsgrenze gestoßen“, sagt sie. Weil aber immer mehr chronisch psychisch Kranke und geistig Behinderte bei der Agentur für Arbeit einen Antrag auf Eingliederung stellen, muss die Diakonie mehr Arbeitsstellen vorhalten. Insgesamt arbeiten ab August 223 Behinderte in den diakonischen Werkstätten in Großenhain. Entsprechend ihrer Fähig- und Fertigkeiten sind sie in der Landschaftspflege, der Tischlerei, in der Metallbearbeitung und der Hauswirtschaft tätig.

„Bis im August die neuen Räume zur Nutzung bereitstehen, sind Vorbereitungen für die Produktion sowie für die Sozialräume nötig“, antwortet Hans-Georg Müller auf Anfrage der SZ. Der Geschäftsführer der Diakonie Riesa-Großenhain begründet die Entscheidung mit der Strategie des Unternehmens. Außerdem habe Frau Krause im Juli komplett frei, und bei den hohen Temperaturen sei es ohnehin schwierig, Kerzen zu ziehen.

Anstatt genau das im Akkord zu tun, sitzt Marion Krause seit geraumer Zeit also zu Hause. Schon Mitte Juni musste sie kurzfristig die Kerzenzieherei räumen, die Technik einlagern. In ihrer alten Werkstatt sind inzwischen die Wände gestrichen, es riecht immer noch nach Paraffin. Die ersten Werkbänke und Schränke stehen bereits, aber noch wird in der Halle nichts montiert. „Das ist das, was ich nicht verstehe. Diese Zeit hätte ich doch nutzen können“, ereifert sie sich. Ganz so sei das nun auch wieder nicht, erklärt Viola Herrlich.

Denn, um die Räume für die Montagearbeiten und die Arbeit mit Behinderten umzustrukturieren, braucht es bestimmte Gewerke – und viele Genehmigungen. „Ich bin sogar ganz froh, dass wir den Umbau zeitlich so schnell über die Bühne bekommen“, sagt die Werkstattleiterin. Schließlich wäre es bei der derzeitig boomenden Auftragslage im Handwerk schwierig, geeignete Betriebe für die anstehenden Arbeiten zu finden. Die sind auch in einer ehemaligen Wohnung zu erledigen, die ebenfalls im Komplex der Auenstraße 15 liegt. Vor zwei Jahren ist der letzte Bewohner gestorben, seither steht sie leer. Das soll sich demnächst ändern, denn hier wird die neue Kerzenzieherei einziehen. Der ursprüngliche Umzugstermin von Mitte Juli war nicht zu halten. Fußböden müssen saniert, der Sanitärtrakt eingebaut, eine Abzugsanlage installiert werden, damit die Dämpfe aus den Wachsschmelztöpfen nicht durch den Arbeitsraum wabern.

„Irgendwann wird das bestimmt schön“, sagt Marion Krause selber. Auch wenn sie sich so ihre Gedanken macht, ob der Platz reichen wird. Weil sich die Fertigstellung des Baus immer weiter nach hinten verschiebt und bis jetzt niemand konkret sagen kann, wann die Kerzenzieherei öffnet, hat sie allen Kindergruppen über die Sommermonate abgesagt. Bis zu 25 Kinder haben mit ihr und ihren Kollegen hier Kerzen hergestellt oder verziert. So viele passen dann ganz bestimmt nicht mehr in die neue Werkstatt, meint Marion Krause.

Hans-Georg Müller gibt immerhin die Aussicht, dass die Kerzenzieherei im August in Betrieb genommen werden kann. „Wenn es eine konkrete Nachfrage nach „Tag der Sachsen-Kerzen“ gibt, könnten wir auch unter Umständen an einem anderen Ort innerhalb unseres Werkes die Kerzen ziehen, sollte die Kerzenzieherei noch nicht fertig sein“, schreibt er diplomatisch. „Mit einem ordentlichen Zeitplan hätte man auch vorproduzieren können“, sagt Marion Krause, die mit der Sachsentagskerze groß rauskommen wollte. Einige Kerzenrohlinge in den Farben des Freistaates hat sie noch da. Die wird sie nach ihrem Urlaub mit Nix und Sachsentagslogo auf Kerzentransferpapier bekleben. Die Stückzahlen, die sie während des großen Festes zu verkaufen hoffte, wird sie damit allerdings nicht erzielen.