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Staatsregierung verschweigt Rüstungsprojekte

Landtagsabgeordneten wird jede Auskunft dazu verweigert. Grüne drohen mit Verfassungsklage.

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© Symbolfoto: dpa

Von Gunnar Saft

Die Fernsehbilder erreichen uns fast täglich: An vielen Orten der Welt wird in Kriegen scharf geschossen, gehen Menschen mit modernen Waffen aufeinander los. Was aber die wenigstens Sachsen wissen – dafür, dass Militärtechnik immer effektiver wirkt, wird sei Jahren im Freistaat wissenschaftlich geforscht. Außerdem, so räumte die Staatsregierung jetzt offiziell ein, gibt es auch in Sachsen Unternehmen und Zulieferbetriebe für die Produktion von Rüstungsgütern.

Zumindest über militärische Forschungen an sächsischen Hochschulen und Wissenschaftsreinrichtungen wurde die Öffentlichkeit bisher auch sporadisch informiert. So gab und gibt es an den Universitäten in Dresden und Leipzig sowie an der Bergakademie Freiberg Projekte zur Schall- und Materialforschung sowie Untersuchungen zu Belastungsstörungen von Soldaten. Wissenschaftler beschäftigten sich hierzulande auch mit den Folgen des Einsatzes von Uranmunition, der Entwicklung von speziellen Antikörpern gegen Giftstoffe oder Konzepten zur Früherkennung und Bekämpfung von Aufständen. Bekannt wurde auch, dass die TU Chemnitz Kampfstiefel für die Schweizer Armee entwickelte. Zudem musste Wissenschaftsministerin Sabine von Schorlemer im Herbst 2013 einräumen, dass sich die Ausgaben für solche offiziell bestätigten Militärprojekte in den vergangenen Jahren vervierfacht haben und den sächsischen Universitäten zuletzt immerhin sechs Millionen Euro einbrachten. Auftraggeber waren neben der Bundeswehr die US-Streitkräfte und die NATO.

Streit um Informationspflicht

Was bisher aber völlig offen blieb, ist das Ausmaß der direkten Rüstungs- und Militärproduktion im Freistaat. Der Landtagsabgeordnete Michael Weichert (Grüne) stellte deshalb bereits im Februar eine parlamentarische Anfrage an die sächsische Staatsregierung. Der Politiker wollte unter anderem Informationen zur Zahl der hiesigen Rüstungsbetriebe sowie dem Anteil sächsischer Waffenprodukte am gesamtdeutschen Rüstungsexport.

Welches heikle und konfliktträchtige Thema er damit angerissen hat, bemerkte der 60-Jährige aber erst vor ein paar Tagen. Zunächst sah alles danach aus, dass die Landesregierung dem Informationsrecht des Abgeordneten nachkommt. Der zuständige Wirtschaftsminister Sven Morlok (FDP) erbat sich sogar eine Fristverlängerung für die Beantwortung der Anfrage, um Weichert am Ende doch sämtliche Angaben zum Thema zu verweigern. In acht Zeilen teilte er lediglich mit, dass die Zahl der entsprechenden Betriebe derart gering sei, dass deren weitere Daten der statistischen Geheimhaltung unterliegen. Auch zum Rest der Fragen gab es keine Auskunft.

Diese Abfuhr sorgt inzwischen in den Landtagsfluren für hektische Betriebsamkeit. Der Oppositionspolitiker der Grünen gibt sich nämlich mit der Auskunftsverweigerung nicht zufrieden. Das Vorgehen von Minister Morlok nennt er „unverschämt“. Weichert verweist darauf, dass das Frage- und Auskunftsrecht der Landtagsabgeordneten in der Verfassung verbrieft ist. „Ich fühle mich in meinen Rechten verletzt .“

Mit der Bitte um Unterstützung wandte er sich deshalb zunächst an den Landtagspräsidenten Matthias Rößler (CDU) – allerdings erfolglos. Rößler verweist auch gegenüber der SZ darauf, dass ihm die rechtlichen Mittel fehlen, um gegen die Staatsregierung zu intervenieren. „Nach der Geschäftsordnung des sächsischen Parlaments ist der Landtagspräsident lediglich für die Prüfung der Zulässigkeit Kleiner Anfragen zuständig.“ Michael Weichert ist über diese Zurückhaltung dagegen enttäuscht. „Ich hätte ein anderes Selbstverständnis des Präsidenten erhofft.“ Er verweist darauf, dass Bundestagspräsident Lammert kürzlich bei einem ähnlichen Streit sofort als Sachwalter der Abgeordneten gegenüber der Bundesregierung aufgetreten sei. Rößlers Hinweis, dass man ja noch die Möglichkeit einer Verfassungsklage habe, will der Grünen-Politiker jetzt aber prüfen. Er habe bereits eine weitere Anfrage zum gleichen Thema gestellt, die Fragen jedoch etwas umformuliert. Nun sei er sehr gespannt auf Morloks Antworten. Notfalls, so kündigt Weichert an, müsse er Sachsens Wirtschaftsminister verklagen.