SZ +
Merken

Stolpersteine in Zittau geschändet

Nachdem die Erinnerung an Zittauer Juden übermalt wurde, ist sie nun beschädigt worden. Aus politischen Motiven?

Teilen
Folgen
NEU!
© Rafael Sampedro

Von Thomas Mielke

Es ist nicht das erste Mal, dass die erst im Sommer verlegten Erinnerungssteine für drei Juden am Ring geschändet wurden. Wie ein Anwohner erzählt, hat er bereits mehrfach Farbe von den sogenannten Stolpersteinen für John, Erna und Dorothea Duneck entfernt. Nun sind die Täter einen Schritt weitergegangen. „Unbekannte haben durch das Einschlagen oder Einstechen mittels eines spitzen Gegenstandes die Oberfläche der Steine stark beschädigt“, teilte Oberbürgermeister Thomas Zenker (ZKM) auf Anfrage mit. Mindestens 20 „Einschläge“ hat der Anwohner entdeckt und der Stadtverwaltung gemeldet. Seinen Namen möchte er in diesem Zusammenhang nicht in der Zeitung lesen. Er ist überzeugt, dass die Straftaten politisch motiviert sind, und möchte seine Familie nicht gefährden.

Die Stadt, die gemeinsam mit der Hillerschen Villa für die Stolpersteine verantwortlich zeichnet, hat Strafanzeige erstattet. „Die Stolpersteine dienen dazu, an das Schicksal von deportierten und ermordeten Zittauern genau dort zu erinnern, wo sie in unserer Stadt gelebt oder gearbeitet haben“, so Zenker, der vor seiner Zeit als OB bei der Hillerschen Villa mit solchen Themen befasst war. „Es ist die Idee des Künstlers Gunter Demnig, dass sie uns im übertragenen Sinne zum Stolpern, zum Nachdenken bringen.“ Der Familie Duneck sei bereits zu Lebzeiten in Zittau übel mitgespielt worden. „Es ist eine Schande, wenn solche Denkmale zerstört werden.“

Die Polizei ermittelt laut ihres Sprechers Thomas Knaup seit gestern. Ob die Tat politisch motiviert ist, kann sie noch nicht sagen. OB Zenker geht wie der Anwohner von einer bewussten Beschädigung der Stolpersteine aus. Auch Karin Richert von der deutschlandweiten Stolpersteine-Initiative in Köln sagt: „In der Regel sind solche Taten politisch motiviert.“ Sie und der OB sagen, dass bisher keine anderen Stolpersteine in Zittau und Ostsachsen geschändet worden sind. Europaweit gibt es inzwischen 56 000 dieser Denkmale. Zittau besitzt 20. Die drei geschändeten waren die jüngsten und erst im Sommer verlegt worden. Weitere sollen folgen, wenn entsprechende Schicksale recherchiert werden können.

Die beschädigten Stolpersteine sollen so schnell wie möglich erneuert werden. „Sie müssen neu verlegt werden“, teilt Jan Kirchhoff von der Netzwerkstatt der Hillerschen Villa mit. „Die Kosten belaufen sich auf circa 300 Euro.“ Sowohl die Hillersche Villa als auch der OB bitten die Zittauer, die Arbeit mit einer Spende zu unterstützen.

Die Familie Duneck ist vor rund 90 Jahren von Königsberg nach Zittau gezogen. Vater John stammte laut der Netzwerkstatt aus Königsberg, seine Frau Erna aus Gilgenburg bei Allenstein, ebenfalls in Ostpreußen. In Königsberg wurden auch ihre beiden Kinder, Dorothea und Georg, geboren. 1930 bis 1934 haben sie das Schuhgeschäft in der Inneren Weberstraße 17, später in der Frauenstraße 4 ein Schuhwaren- und Textilgeschäft, betrieben. 1934 mussten sie Konkurs anmelden.

Seit 1933 brauchte John Duneck eine Legitimationskarte für Kaufleute und Handelsreisende vom Gewerbeamt Zittau. Er vertrat mehrere Firmen. 1937 bekam er die letzte ausgestellt, die 1938 eingezogen wurde. Der Grund dafür: Laut Staatspolizeileitstelle Dresden sollten jüdische Handelsvertreter grundsätzlich durch arische ersetzt werden. Er wehrte sich, verlor aber vor dem Oberverwaltungsgericht.

Die Familie ist vermutlich noch 1938 nach Berlin-Spandau gezogen. Von dort wurden die Eltern 1943 nach Auschwitz deportiert. Ihre Tochter Dorothea war bereits kurz zuvor in das Vernichtungslager gebracht worden. Dort wurden sie ermordet.

Spendenkonto: Hillersche Villa gGmbH

Sparkasse Oberlausitz-Niederschlesien

IBAN DE14850501003000129927

Verwendungszweck: Stolpersteine