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Stolz auf die Geschichte wecken

Der Lohsaer Dewitzstein ist umgesetzt. Er erinnert an die Leistungen der Bergleute.

Von Andreas Kirschke
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Seit März ist die Erinnerungsstätte für die Lohsaer Bergleute am Rundweg nahe des Südufers am Dreiweiberner See zu finden. Werner Aust, Frank Fischer, Thomas Leberecht und Wolfgang Tietze (v. l.) freuen sich über den neuen Standort.
Seit März ist die Erinnerungsstätte für die Lohsaer Bergleute am Rundweg nahe des Südufers am Dreiweiberner See zu finden. Werner Aust, Frank Fischer, Thomas Leberecht und Wolfgang Tietze (v. l.) freuen sich über den neuen Standort. © Foto: Andreas Kirschke

Lohsa. Sage und schreibe 12,8 Tonnen wiegt der Granit-Findling, der aus dem früheren Tagebau Lohsa stammt. Eine bronzene Gedenktafel darauf, lädt zum Lesen ein. „In vielen Jahren wird man uns Bergleute nicht mehr nach dem bewegten Abraum und der geförderten Kohle bewerten, sondern nach dem, was wir hinterlassen haben“, weist darauf ein Zitat von Wolfgang Dewitz, 1960 bis 1986 Leiter des Tagebaus Lohsa, weit in die Zukunft. Es bleibt bis heute eine Herausforderung für die Bergleute und für die Bergbau-Sanierer. Der Gedenkstein – seit März neu aufgestellt am Rundweg unweit des Südufers am Dreiweiberner See – ist den Bergleuten aus dem Tagebau Lohsa mit den Baufeldern IV, V und Dreiweibern gewidmet.

Eine Erinnerungsstätte entsteht

„Er würdigt ihre Leistungen im Tagebau mit der geschaffenen Bergbau-Folgelandschaft. Er würdigt ihre Leistungen für die Landschafts-Gestaltung, Renaturierung und Rekultivierung. Und der Gedenkstein würdigt die Anstrengungen der unzähligen, fast vergessenen, einzelnen Bergleute – zum Beispiel der Maschinisten, Gleisarbeiter, Schlosser, Gerätefahrer, Elektriker, Technologen und Schichtleiter“, unterstreicht der 80-jährige Chronist Werner Aust aus Friedersdorf. 1965 bis 1984 arbeitete der gelernte Schlosser und Bergingenieur im Bereich Förderbrücken-Betrieb des Tagebaus Lohsa. Einige Jahre war Frank Fischer aus Lohsa sein Kollege. Der 65-Jährige arbeitete kurzzeitig als Leiter im Förderbrücken-Betrieb. Beide setzten sich seit Anfang dieses Jahres maßgeblich für die Umsetzung des 2004 auf dem Kippen-Gelände errichteten Ehrenplatzes mit dem Dewitzstein ein. So heißt der Gedenkstein im Lohsaer Volksmund.

„Im Zeitraum 1952 bis 1984 baute man hier das zweite Lausitzer Flöz ab“, erläutert Frank Fischer. „Der über der Kohle lagernde Abraum wurde entsprechend der technologischen Entwicklung ab 1960 durch zwei 34 Meter-Abraumförderbrücken gewonnen und innerhalb des Tagebaus als Innenkippe verstürzt.“ Von 1950 bis 1989 dauerte der Tagebau Lohsa in vier Baufeldern an. Rund 314 Millionen Tonnen Braunkohle förderten die Bergleute. Sie bewegten rund 1,27 Milliarden Kubikmeter Abraum. Der Tagebau Lohsa nahm weit über 3.900 Hektar Flächen in Anspruch, davon 700 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche, 2.900 Hektar forstwirtschaftliche Nutzfläche und 346 Hektar Wasserflächen wie Teiche und Flüsse. Die Abbaggerung zwang zu etlichen Umsiedlungen. Insgesamt 255 Einwohner, so die Dokumentation bergbaubedingter Umsiedlung (erstellt vom Archiv verschwundener Orte Forst / Horno), verloren ihre angestammte Heimat: seit 1960 waren es 150 Einwohner aus Ratzen, Geißlitz und Kolpen, 1961 bis 1962 genau 95 Einwohner aus Lippen und 1985 zehn Einwohner aus Dreiweibern. „Es folgte jedoch auch eine immense Wiedernutzbarmachung“, sagt Chronist Werner Aust. Fast 3.700 Hektar wurden damals renaturiert und rekultiviert. Davon waren 600 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche, 778 Hektar forstwirtschaftliche Nutzfläche und 1.720 Hektar Wasserflächen.

Bereits 1967 schwenkte der Tagebau Lohsa um den Drehpunkt Kolpen zum Baufeld IV. Dazu mussten die am Schwenk-Ende des Baufeldes III abgelagerten Steine (eiszeitliche Findlinge) umgelagert oder gesprengt werden. Dies geschah mit der damals üblichen Planierraupen-Technik und mit Sprengmitteln. „Auf Anweisung des Tagebau-Leiters Wolfgang Dewitz sollte der jetzige Dewitzstein für die Nachwelt erhalten bleiben“, erinnert sich Werner Aust. Dieser Stein fand auf der Hochkippe Lohsa seinen letzten Ruhe-Ort. Dort begannen die Förderbrücken, Abraum über die sauren, tertiären Sande abzulagern.

Der Dewitzstein im Sperrgebiet

„Geboren aus einer 2003 gereiften Idee der Bergmänner Siegfried Dankhoff und Werner Aust, den auf der Kippe lagernden, inzwischen vom Gras mannshoch zugewucherten und verlassenen Dewitzstein wiederzubeleben, entstand 2004 genau an dieser Stelle eine Erinnerungsstätte. Die LMBV führte die Arbeiten aus. Sie übergab die Fläche am 16. Oktober 2004 feierlich an die Gemeinde Lohsa“, erläutert Frank Fischer.

2010 kam es westlich von Lippen zu einem Grundbruch. Im Untergrund führte das aufgehende Grundwasser zu Spannungen. Dies führte zu Schlammfontänen und Setzungen an der Oberfläche. Weiträumig sperrte die LMBV das Gebiet auf Veranlassung des Sächsischen Oberbergamtes Freiberg ab. „Der Ehrenplatz war vom Grundbruch zum Glück nicht direkt betroffen“, sagt Frank Fischer. „Er befand sich ein Stück davon entfernt, lag aber nun im abgesperrten Gebiet. Das Betreten dieses Gebietes durch die Öffentlichkeit war und ist bis heute nicht gestattet. Eine Freigabe zum Betreten und Bearbeiten der Flächen ist nur mit Sondergenehmigung erlaubt.“

Frank Fischer und Werner Aust regten daher die Umsetzung der Erinnerungsstätte mit dem Dewitzstein an. Der Forstbetrieb LIPA, der die Flächen vor Ort bewirtschaftet, führte die Umsetzung von der rekultivierten Fläche zum jetzigen Standort aus. Neuer Standort ist jetzt der Bereich unweit des früheren Bahnwärter-Hauses an der früheren Straße nach Ratzen am Rundweg Dreiweiberner See Süd-Ufer.

Die Firma Kranverleih Frank Noack Lohsa hob den Stein und manövrierte ihn in die jetzige Position. Dank ihr ist heute das genaue Gewicht des Gedenksteins bekannt. Die Tiefbaufirma Bernd Gahno Lohsa gestaltete den Platz, und Mitarbeiter des Bauhofs der Gemeinde Lohsa sorgten für die liebevolle Bepflanzung und Errichtung der Sitzgruppe des neuen Standortes. Malermeister Ulrich Wojsechowiski aus Lohsa säuberte den Gedenkstein intensiv mit dem Hochdruck-Reiniger.

Heute lädt die Erinnerungsstätte mit Dewitzstein, mit Geschichtstafel, mit Sitzgelegenheiten und mit Fahrrad-Ständern zum Innehalten und Verweilen ein. „Herzlicher Dank gilt vor allem den Firmen und allen engagierten Bürgern“, sagt Bürgermeister Thomas Leberecht. Er selbst stammt aus einer Bergbau-Familie. Urgroßvater war Gleisbauer, Großvater Mitarbeiter im Kraftwerk Knappenrode, Vater Mitarbeiter im Tagebau Lohsa sowie im Tagebau Bärwalde. „Diese Erinnerungsstätte wertet die Gemeinde auf. Menschen können sich informieren und damit identifizieren: mit dem, was war, und mit dem, was Bergleute gestalten können“, sagt der Bürgermeister und hofft auf die weitere touristische Aufwertung des Dreiweiberner Sees (gemeinsam mit Silbersee, Knappensee und den anderen Seen in der Gemeinde). „Der Gedenkstein regt uns zum Nachdenken an. Wir erkennen, woher wir kommen und warum wir hier sind.“ Frank Fischer und Werner Aust finden den heutigen Standort treffend und sehr gelungen. „Es ist ein würdiger Ehrenplatz zum Gedenken an die Lohsaer Bergleute. Ein Ehrenplatz für die vielen Ungenannten. Außer dem Tagebau-Leiter Wolfgang Dewitz sind das unter anderen die Technologen Willi Weigelt, Hildebrand Sauer, Peter Gruhlke und Otto Schneider“, unterstreichen die beiden früheren Bergleute.

Improvisation und Plankennziffern

Der Gedenkstein und die Geschichtstafel erinnern sie an die früheren schwierigen Arbeitsbedingungen im Tagebau Lohsa. Dieser war rund um die Uhr 365 Tage im Jahr in Betrieb. In der Zeit der DDR-Planwirtschaft ging es um die Quoten für Abraum (in Kubikmeter) und Kohleförderung (in Tonnen). „Dem hatte sich alles unterzuordnen“, sagt Werner Aust. „Damals zählten strikt nur die Plankennziffern. Förderte ein anderes Revier in der Lausitz weniger Kohle als geplant, mussten andere Tagebaue diesen Verlust durch verstärkte Abraum- und Kohle-Förderung ausgleichen.“

Wolfgang Tietze, heute in der Gemeinde Lohsa Bauamtsleiter, arbeitete früher als Schlosser im Tagebau Lohsa. „Wir haben viel vom Improvisieren gelebt“, erinnert er sich an die Reparaturen. „Oft mussten wir spontan die Großgeräte reparieren. Es gab stets den äußeren Druck der Plankennziffern der Kohleförderung. Dem konnte sich keiner entziehen. Die Kohle musste gefördert werden. Kraftwerke mussten versorgt werden. Da wurde viel auf Verschleiß gefahren.“ Wie Werner Aust, Frank Fischer und Thomas Leberecht freut er sich über den neuen Standort für die Erinnerungsstätte mit Dewitzstein.