Hunderttausende Kinderporno-Dateien

Dresden. Die gute Nachricht zuerst. Im Prozess gegen den 37-jährigen Tim M. müssen die Kinder, die von dem Angeklagten missbraucht worden sein sollen, nicht als Zeugen gehört werden. Der Angeklagte und sein Verteidiger Rolf Franek habe zugestimmt, es genüge, die Videos der Polizeivernehmungen der Geschädigten in der Hauptverhandlung vorzuführen. Das hat das Gericht unter Ausschluss der Öffentlichkeit gemacht.
Die weniger gute Nachricht ist eine offenbar ungewöhnlich große Sammlung von Kinderpornografie, die sich im Besitz des 37-Jährigen befunden haben soll. Ein Beamter berichtete von rund 196.000 Dateien, Fotos und Videos mit kinderpornografischen und weiteren etwa 30.000 Dateien mit jugendpornografischen Inhalten. Wer um Gottes Willen soll sich das alles ansehen?
Vorwurf: Fünf Kinder und Frauen überfallen
Schon seit Januar steht der 37-jährige Deutsche vor der Jugendschutzkammer des Landgerichts Dresden. Er soll fünf Mädchen beziehungsweise Frauen im Alter von zehn bis 23 Jahren überfallen haben, um sich sexuell zu befriedigen. Ihm wird unter anderem schwerer Missbrauch von Kindern und Vergewaltigung vorgeworfen. Einige Male ist es beim Versuch geblieben. Vier Taten fanden zwischen dem 18. Juni und dem 23. Juli vergangenen Jahres in Dresden statt – im Bereich der Flutrinne in Mickten, an der Grenzallee in Klotzsche, am Friedhofsweg in Döltzschen und im Bereich des Prießnitzgrundes in der Dresdner Heide.
Ein weiterer Überfall hat laut Anklage bereits ein Jahr vor dieser Serie stattgefunden: am Nachmittag des 13. Juni 2018 in Bad Gottleuba. Die Geschädigten sind Kinder, die zum Tatzeitpunkt zehn bis zwölf Jahre alt, eine Jugendliche (15) und eine Erwachsene.
Darüber hinaus wird dem Mann auch eine sogenannte Eigenbesitzverschaffung von knapp 20 Dateien, Fotos und Videos, mit kinderpornografischen Inhalt vorgeworfen. Diese Dateien, die sich M. zwischen 2016 und 2018 aus dem Internet heruntergeladen haben soll, stehen im Prinzip für die Hunderttausenden sichergestellten Dateien. Ein Gutachter, der die Speichermedien und die mutmaßlich 226.000 Dateien forensisch ausgewertet hat, soll in dem Prozess zu einem späteren Zeitpunkt noch gehört werden.
Ungewöhnlich teilnahmslos
Vergangene Woche berichteten Polizisten in der Hauptverhandlung von der Festnahme des Verdächtigen kurz nach der letzten Tat. Die Streife sei alarmiert worden und habe auf dem Weg zur Heide eine Beschreibung des Verdächtigen erhalten. Auf dem Weg ist den Beamten in der Marienallee ein Mann aufgefallen, auf den die Beschreibung passte. Die Polizisten stoppten, sprachen ihn an und konfrontierten ihn mit dem Verdacht. Eine Beamtin beschrieb M. als „teilnahmslos“. Selbst der Vergewaltigungsvorwurf schien den 27-Jährigen nicht zu beeindrucken. Es sei eine völlig ungewöhnliche Reaktion gewesen. Die Beamten nahmen Tim M. noch vor Ort fest und sicherten Spuren.
Ein anderer Ermittler berichtete von der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten. Die sei nicht ganz einfach zu finden gewesen. Zunächst waren die Beamten bei der Wohngemeinschaft, wo sie ihn vermutet hatten. In dem Haus in der Nähe des Schützenplatzes schien niemand Tim M. zu kennen. Dann waren sie bei dessen Mutter, wo er jedoch auch schon lange nicht mehr gewohnt hatte.
Camping im Keller und Wohnung im Nebengelass
Schließlich fuhren die Beamten wieder zu dem WG-Haus in der Innenstadt. Dort hatte es sich M. in einer Art Nebengelass eingerichtet. Zwei Räume, Musikinstrumente und haufenweise Speichermedien. „Es sah relativ ordentlich aus“, berichtete ein Beamter von der Durchsuchung.
Tim M. selbst hatte ausgesagt, er sei 2018 wieder in seine WG zurückgezogen, nachdem er sich von seiner Freundin getrennt habe. Weil zunächst kein Zimmer frei gewesen sei, habe er im Keller des Hauses „campiert“ – in einem Zelt, mit Heizlüfter und Herdplatte. Zum Duschen sei er in die WG gegangen.
Nach eigenen Angaben konsumiert M. seit etwa 20 Jahren Marihuana und habe Erfahrungen mit allerlei chemischen Substanzen gesammelt. M. hatte in der 11. Klasse die Schule verlassen um eine Karriere als Diskjockey voranzutreiben. Er habe auch im Veranstaltungsservice gearbeitet und in einer Band gespielt. Der Prozess wird fortgesetzt.