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Tagesmütter in Not

Die Tagesmütter und -väter fühlen sich bei der Vergabe der Betreuungsplätze benachteiligt. Nun wollen sie gemeinsame Sache machen.

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© Karl-Ludwig Oberthür

Von Tobias Winzer

Freital. Derzeit herrscht noch reges Treiben bei Magdalena Müller. Fünf Kinder betreut die Tagesmutter montags bis freitags zwischen sechs und 16 Uhr. Das Gartenhaus auf dem eigenen Grundstück Am Geiersgraben in Potschappel hat die 35-Jährige dafür ausgebaut. Seit neun Jahren ist sie im Geschäft. Doch ab kommender Woche steht sie plötzlich fast allein da. Vier der Kinder wechseln in eine städtische Kita, weil sie die Altersgrenze von drei Jahren fast oder bereits erreicht haben. Nur ein Kind bleibt übrig. Für die restlichen vier Plätze gibt es keinen Ersatz.

„Ein Kind allein – das ist äußerst ungünstig“, sagt Magdalena Müller. Sie hat sich deshalb schon an das Rathaus gewandt, das die Betreuungsplätze zentral vergibt. „Es wäre gut, wenn das Kind wenigstens einen Partner hat, mit dem es spielen kann.“ Bislang hat die Tagesmutter noch keine Zusage, ob das klappt. Durch die Situation kommt sie auch in finanzielle Nöte. „Mit einem Kind kann ich nicht einmal meine Kosten decken“, sagt Magdalena Müller. Sie brauche mindestens drei Kinder, die sie den ganzen Tag betreuen kann, um wirtschaftlich zu arbeiten.

Es ist ein Problem, das es nicht nur in Freital gibt, sondern zum Beispiel auch in Dresden bekannt ist. Bei steigenden Kinderzahlen sind die Städte einerseits froh, dass es Tagesmütter und -väter gibt. Weil neue Kitas nicht von heute auf morgen entstehen, kann mit ihnen schnell der wachsende Bedarf an Betreuungsplätzen gedeckt werden. Tagesmütter und -väter dürfen in der Regel jeweils fünf Kinder im Alter bis zu drei Jahren betreuen.

Tageseltern als gleichwertiges Betreuungsangebot

Andererseits wollen sich die Gemeinden nicht komplett auf die sogenannte Kindertagespflege verlassen und bauen eigene Kitas. Das führt dazu, dass die Tagesmütter und -väter manchmal plötzlich nicht mehr gebraucht werden. In Freital gibt es derzeit rund 1 800 Betreuungsplätze in städtischen Kitas und in Einrichtungen freier Träger. Dazu kommen rund 100 bis 150 bei 28 Tagesmüttern und einem Tagesvater. Die Plätze werden zentral im Rathaus anhand eines Punktesystems vergeben.

„Wir wollen nicht gegen die Stadt fahren, aber wir wollen als gleichwertiges Betreuungsangebot behandelt werden“, sagt Magdalena Müller. Sie hat das Gefühl, dass die Stadt vor allem ihre eigenen Einrichtungen voll bekommen will. „Die Eltern werden oftmals nicht aufgeklärt, welche Möglichkeiten es noch gibt.“ Die Stadt widerspricht dem. „Wir bieten den Eltern zuerst die Tagesmütter-Plätze an“, sagt Rathaussprecherin Inge Nestler. „Natürlich entscheidet aber der Wunsch der Eltern.“

Damit die Kindertagespflege in Freital bekannter wird, haben sich jetzt sieben Tagesmütter und der eine Tagesvater zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen. „Es geht um den fachlichen Austausch, aber vor allem auch um Öffentlichkeitsarbeit“, sagt Liane Bergmann, die in der Wigardstraße in Potschappel als Tagesmutter fünf Kinder betreut.

Kleinere Gruppen, familiärere Betreuung

Sie selbst hat zwar bislang keine Probleme, genügend Eltern für ihr Angebot zu begeistern. Die Probleme einiger Kollegen, wie Magdalena Müller, sind ihr aber bekannt. „Oftmals wissen viele Eltern nicht, dass die Betreuung bei uns nichts extra kostet. Dabei wird sie genauso wie die Betreuung in der Kita über die Stadt abgerechnet“, sagt sie. „Meiner Meinung nach ist die Kindertagespflege die bessere Alternative.“ Wegen der kleinen Gruppen sei die Betreuung familiärer. Es gebe keine wechselnden Bezugspersonen.

Um auf ihre Angebote aufmerksam zu machen, hat die Tagesmütter-AG einen Flyer drucken lassen, der unter anderem bei Hebammen, Kinderärzten und bei Friseuren ausliegt. Zudem sind ein Informationsabend für interessierte Eltern und ein gemeinsamer Tag der offenen Tür geplant.

Eine Verbesserung ihrer Situation versprechen sich die Betreuer auch durch die Einführung eines neuen Vergabe-Systems. Der Stadtrat hatte vor der Sommerpause mehrheitlich beschlossen, dass das Rathaus die Online-Plattform „Little Bird“ einführen muss. Damit soll die Vergabe einfacher und transparenter werden. Offenbar sträubt sich das Rathaus aber noch gegen den Beschluss. Es seien noch klärende Gespräche mit den Stadträten geplant, teilt Rathaussprecherin Inge Nestler nun mit.

„Viele Eltern in Freital denken, dass die Tagespflege etwas Elitäres ist“, sagt Tagesmutter Magdalena Müller, die ebenfalls Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft ist. Auch wenn sie ab der kommenden Woche erst einmal nur ein Kind betreuen kann, will sie auf jeden Fall weitermachen – mit der Hoffnung, dass spätestens im Oktober neue Kinder kommen. In der Zwischenzeit will sie sich in Montessoripädagogik weiterbilden. „Ich werde die Zeit auf jeden Fall überbrücken, weil ich weiß, dass ich die Arbeit gern mache.“