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Therapie auf dem Pferderücken

Doreen Kretschmer wollte immer mit den Vierbeinern arbeiten. Nun hilft sie mit dem Stella-Verein kranken Kindern.

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Von Jan Lange

Für Pony Charly ist heute Frühförderung angesagt. Die kleine Emma sitzt auf seinem Rücken. Das kleine, weiße Pferd ist dabei ganz ruhig. Seit einem Dreivierteljahr ist der Vierbeiner auf dem Schlegler Therapiehof Stella. Und inzwischen fertig ausgebildet, wie Reittherapeutin Doreen Kretschmer erklärt. Sie hat Pferd und Kind während des Trainings genau im Blick.

Nicht jedes Pferd sei für die Reittherapie geeignet, erklärt die 37-jährige Schleglerin. Von zwei Vierbeinern musste sie sich wieder trennen, weil es mit ihnen nicht so recht funktionierte. Vier Pferde hat sie derzeit auf dem Hof, so auch die Tinker-Stute Nelly. Sie sei sehr gelassen, ruhig, entspannt, aufmerksam, aber auch sensibel. Beste Voraussetzungen für die Reittherapie. Seit 2012 bietet Doreen Kretschmer das Spezialtraining für Kinder mit körperlichen, seelischen und sozialen Entwicklungsstörungen und Behinderungen wie Lernblockaden, Legasthenie, Hyperaktivität oder Down-Syndrom an. Aber auch Jugendliche und Erwachsene, die sich der Bewältigung ihrer Lernschwächen auf ungewöhnlichem Weg stellen wollen, können die Reitübungen absolvieren. Dabei geht es nicht nur allein ums Reiten. Die Patienten lernen den Umgang mit den Tieren, striegeln, streicheln und reiten sie. Durch den Körperkontakt mit den Tieren sollen sie lernen, sich selbst und ihre Bedürfnisse zu spüren, Kontakt zu einem anderen Lebewesen herzustellen und zur Ruhe zu kommen.

Die Schleglerin ist selbst mit Pferden groß geworden, reitet seit ihrem siebenten Lebensjahr. „Ich wollte immer etwas mit Pferden lernen“, sagt sie. Doch die Ausbildung zur Reittherapeutin war Mitte der 1990er Jahre noch unbekannt. Und so beschritt sie ab 1995 erst einmal den Weg zur Physiotherapeutin. Als schließlich vor einigen Jahren die Ausbildung zur Reittherapeutin auch hierzulande angeboten wurde, wechselte Doreen Kretschmer in den lange gewünschten Beruf.

Es gebe Anbieter, die das spezielle Training ohne wirkliches Fachwissen bewerkstelligen. Das sei gefährlich, findet Doreen Kretschmer. Denn die Reitübungen beeinflußen auch die Psyche. Man müsse das jeweils passende Pferd für ein Kind auswählen und wissen, was genau getan werden muss, so die Schleglerin. Die Reittherapie setzt viele körperliche und psychische Prozesse in Gang. Deshalb empfiehlt sie auch, dass Kinder und Erwachsene nur einmal in der Woche ein solches Reittraining absolvieren. „Es ist nicht mit normalen Reitunterricht zu vergleichen“, sagt Doreen Kretschmer. Mindestens 25 Übungsstunden sollte die Therapie umfassen, rät die 37-Jährige. Die meisten Kinder seien länger dabei. So wie jenes Mädchen mit Down-Syndrom, das seit 2012 die Reittherapie in Schlegel absolviert. „Am Anfang war sie von ihren motorischen Fähigkeiten her nicht fit. Sie konnte noch nicht sprechen“, berichtet Doreen Kretschmer. Das habe sie recht schnell hinbekommen. Heute sei das siebenjährige Mädchen von anderen Kinder in ihrem Alter nicht mehr zu unterscheiden. Für die Schleglerin zeigt das auch, welche positiven Auswirkungen die Reittherapie auf Kinder und Erwachsene haben kann.

Der Hof an der Teichstraße gehörte früher den Großeltern von Doreen Kretschmer. Nachdem der Großvater gestorben war, versuchte ihre Oma, den Hof noch einige Jahre allein zu bewirtschaften. Doch 2011 schaffte sie das nicht mehr und übergab ihn der Enkelin. Und die baute sich hier den Therapiehof auf. Das sei nicht einfach gewesen, erklärt die 37-Jährige. Erst im vorigen Jahr kam der Durchbruch.

Um noch mehr Kindern und Erwachsenen das Spezialtraining auf dem Rücken der Pferde zu ermöglichen, gründete sie mit einigen Mitstreitern den Verein „Stella“. Der ist mittlerweile eingetragen und damit anerkannt. Und nun kann die Reittherapeutin auch Fördermittel beantragen. Zuvor mussten die Eltern das Training aus der eigenen Tasche bezahlen oder bekamen es von der Krankenkasse finanziert. Allerdings bezahlen die meisten Krankenkassen diese Therapieform nicht.

Jetzt können dafür auch Spendengelder eingesetzt werden, damit auch Kinder aus sozial schwachen Familien die Reittherapie absolvieren können. Die meisten Kinder sind aus einem Umkreis von 30 Kilometern. Ein Kind komme sogar von Neukirch bis nach Schlegel.

Kontakt Therapiehof Stella:  0175 3898980 oder [email protected]