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Torgauer Teddys

Schloss Hartenfels hat einen Bärenzwinger, der seinen Namen zu Recht trägt. Bald mit – gar nicht mehr so kleinem – Nachwuchs.

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Von Dominique Bielmeier

Kein einziger Besucher schafft es, die Brücke zum Schloss zu überqueren, ohne einmal nach rechts oder links über das Geländer zu schauen. Zu spannend ist, was im Burggraben vor sich geht. Oder besser gesagt: wer.

Hier läuft Jette behäbig zwischen Baumstämmen, Schwimmbecken und Gebüsch ihre Bahnen. Die Braunbärendame ist 27 Jahre alt und lebt schon ihr ganzes Leben lang im Bärenzwinger von Schloss Hartenfels – einem der letzten seiner Art.

Dort werden seit fast 600 Jahren mit wenigen Unterbrechungen Braunbären gehalten. Nicht immer mit so viel Tierliebe wie heute: Bei den Kurfürsten landeten die Bären gerne mal als Delikatesse auf dem Teller. 1525 gab es zur Krönungsfeier Johann des Beständigen als ersten Gang des Festmahls Bärenschinken. Im 30-jährigen Krieg verspeisen Schweden die Bären.

Es gab Zeiten, da konnten bis zu 100 Tiere gleichzeitig im Graben leben, erzählt Rayk Bergner. Dass man sich als Pressesprecher eines Landratsamtes auch mit Bären auskennen muss, ist in Torgau wohl einzigartig. Und Jette hat noch mehr Personal: Auch Birgit Preuß vom Landratsamt ist für die Bären im Zwinger zuständig. Ganz nah ran dürfen aber nur die Pflegerinnen Gabriele Mierau und Angela Mierau-Fausack.

Torgau ist bekannt und beliebt für seine Bären: In den Gehwegen sind Bärentatzen eingelassen; neben dem Schloss gibt es die „Bärenschenke“, deren Bierdeckel dem Wohle „unserer Torgauer Bären“ gewidmet sind. Die Bären haben eine eigene Internetseite, die ständig aktualisiert wird, eine eigene Stiftung, und wenn ihr Graben erneuert wird, wie im vergangenen Jahr, steht das natürlich im Amtsblatt. „Torgau und Bären, das ist wie Weihnachten und Geschenke“, sagt Bergner. „Ohne geht nicht.“

Zum Stadtgespräch wurde daher auch der Tod der zweiten Bärin Quistel Ende Mai. Die Schwester von Jette starb mit 27 Jahren an Altersschwäche. Damit ihre Weggefährtin nicht alleine bleiben muss, haben die Zuständigen schnell beschlossen: Neue Bären müssen her.

Seit vergangenen Donnerstag ist der Nachwuchs da: Benno und Bea sind zwei Jahre alt und kamen in den frühen Morgenstunden mit einem Spezialtransport aus einem Wildpark in Nordrhein-Westfalen. „Ich hätte etwas Knuddeliges erwartet“, sagt Bergner. Die Neuen sind längst keine Teddys mehr. Wenn Benno sich auf die Hinterbeine stellt, kann er mit den Tatzen über eine 2,50 Meter hohe Tür reichen, erzählt der Pressesprecher beeindruckt.

Zur Eingewöhnung müssen die jungen Bären erst einmal eine Weile in ihren Ställen an einer Seite des Burggrabens bleiben. Dorthin zieht es Jette ab und zu zum Schnuppern. Gerochen hat sie Benno und Bea nämlich schon längst. In den nächsten Tagen sollen die Bären mithilfe einer Trennwand, die immer ein Stückchen weiter geöffnet wird, langsam aneinander gewöhnt werden.

Was passieren könnte, würden die Tiere zu schnell aufeinander losgelassen, das demonstriert Jette eindrucksvoll, als der Fotograf ihr zu nahe kommt. Von einer Seite des zweigeteilten Bärengrabens soll ein Foto der eben noch so gemächlich spazierenden Jette entstehen. Die findet den Eindringling in ihrem Revier aber gar nicht lustig und galoppiert Staub aufwirbelnd auf ihn zu. Erst das Gitter zwischen den beiden Seiten des Grabens hält sie auf. Ein Tatzenhieb und die durch die Gitterstäbe durchgeschobene, wütend schnaubende Schnauze beeindrucken aber auch so. Da beruhigt es wenig, dass sich die Bären fast ausschließlich vegetarisch ernähren.

www.torgauer-baeren.de