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Trauer um Bischofswerdas Tierpark-Gründer

Sachsens kleinster Zoo zieht jedes Jahr mehr Besucher an. Ohne Siegfried Nützsche würde es ihn nicht geben.

Von Ingolf Reinsch
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Die Liebe zum Geflügel brachte Siegfried Nützsche zum Tierpark, den er 28 Jahre lang leitete. 1992 ging er in den Ruhestand. Freude an seinen Hühnern hatte er aber nach wie vor, wie dieses Foto aus dem Jahr 2002 zeigt.
Die Liebe zum Geflügel brachte Siegfried Nützsche zum Tierpark, den er 28 Jahre lang leitete. 1992 ging er in den Ruhestand. Freude an seinen Hühnern hatte er aber nach wie vor, wie dieses Foto aus dem Jahr 2002 zeigt. © Archivfoto: SZ/Uwe Soeder

Bischofswerda. Am Ende des zweistündigen Tierparkbesuches gab es eine sehr lange und herzliche Umarmung zwischen dem ehemaligen Tierparkleiter Siegfried Nützsche und der jetzigen Leiterin Silvia Berger. Der Fahrdienst der Lebenshilfe hatte Siegfried Nützsche an jenem 20. Juli 2017, wenige Tage nach dessen 89. Geburtstag, mit dem Auto abgeholt. Der Senior wurde im Rollstuhl durch die Anlage gefahren. „Er war begeistert von den Tieren und staunte, was sich in den vergangenen Jahren im Tierpark alles verändert hat. Dann haben wir im Bärencafé zusammen Kaffee getrunken“, erinnert sich Silvia Berger. Für Sigfried Nützsche war es der letzte Besuch an seiner langjährigen Wirkungsstätte, die es ohne ihn wahrscheinlich gar nicht geben würde. Er starb am 5. September im Alter von 91 Jahren. Vor wenigen Tagen wurde er im Kreis seiner Familie beigesetzt.

Eröffnung vor 62 Jahren

„Siegfried Nützsche wird für uns und die Stadt Bischofswerda unvergessen bleiben. Sein großartiges Engagement und sein Verantwortungsbewusstsein waren entscheidend, dass es den Tierpark heute gibt und die Stadt um eine bedeutende kulturelle Einrichtung reicher geworden ist“, schrieb Silvia Berger im Namen ihres Teams an die Familie. Gemeinsam mit Baurat Eduard Candrian und Fritz Grafe, Mitinhaber der gleichnamigen Buchbinderei, war Siegfried Nützsche einer der drei Gründungsväter des Tierparkes. Anlässlich des 730-jährigen Bestehens der Stadt Bischofswerda wurde der damalige „Kleintierpark“ am 31. August 1957 eröffnet. Zu sehen waren als erstes Federfüßige Zwerghühner – diese Art gibt es noch heute –, Fasane, Fische und ein Kaiman. Hobby-Geflügelzüchter wie Siegfried Nützsche und Aquarianer, die gleich nebenan ihr Vereinshaus hatten, gaben den Anstoß, den früheren Garten der Unternehmerfamilie Huste und späteren Pionierpark in einen Tierpark umzugestalten. In den ersten Jahren wurde der Tierpark ausschließlich in Freizeitstunden von Bürgern aufgebaut und ehrenamtlich betrieben. Erst 1961 übernahm ihn die Stadt. Drei Jahre später wurde Siegfried Nützsche dessen Leiter. Er hatte den Beruf eines Technischen Zeichners erlernt und arbeitete anschließend als Konstruktionsleiter und Betriebsstättenleiter Stahlbau im damaligen VEB Förderanlagenbau Bautzen. 28 Jahre lang, bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand 1992, leitete er den Tierpark in seiner Heimatstadt. Fast jedes Jahr kam in der Anlage etwas Neues hinzu – ein Gehege, eine Voliere, eine Brücke über den Hustegraben. 1968 wurde der neue Haupteingang an der Sinzstraße eröffnet, zwei Jahre später die von Margarete Müller geschaffene Plastik „Radschlagender Pfau“ – noch jetzt der Blickfang gleich hinterm Eingang – aufgestellt. Die Künstlerin hätte lieber einen Bären gestaltet. Doch der Pfau war der ausdrückliche Wunsch von Siegfried Nützsche. Die aktiven Vögel in der nur 0,75 Hektar kleinen Anlage zu halten, ist so gut wie unmöglich. Aber so bekam Bischofswerdas Tierpark doch seinen Pfau. Und das beste: Der kann nicht ausbüxen.

Wertvolle Zeit der Zusammenarbeit

Seit dem Herbst 1991 arbeitet Silvia Berger im Tierpark. Sie kam gut ein halbes Jahr, bevor Siegfried Nützsche in den Ruhestand ging und Wilfried Ziller die Leitung übernahm. Die sieben Monate der Zusammenarbeit mit Siegfried Nützsche waren für sie eine wichtige und wertvolle Zeit, sagt sie. Die damals gewonnen Erfahrungen halfen ihr schon oft, Entscheidungen zu treffen. „Siegfried Nützsche sprach viel über die Anfangsjahre, die nicht leicht gewesen waren. Man lernt dadurch, das Geschaffene wertzuschätzen.“ So blieb bei späteren Umbauten im Tierpark nicht nur der Pfau an seinem angestammten Platz. Das Schild „Tierpark Bischofswerda“ vom früheren Eingang thront jetzt über einem Blumenbeet, die schmiedeisernen Tierfiguren des alten Einganges wurden in das neue Tor integriert. Auch das Stadtwappen aus Siegfried Nützsches Zeit halten seine beruflichen Erben in Ehren. „Siegfried Nützsche war stets darauf bedacht, dass Tierpark und Stadt gut zusammenarbeiten. Auch das führen wir fort, beispielsweise indem wir uns heute für den Schiebock im Stadtbild einsetzen, schon an unserer Hausnummer“, sagt die Leiterin. Selbst manche Futtermischungen und Arbeitsgeräte, wie eine Schneidemaschine, aus Zeiten des Gründers werden noch genutzt.

Nie auf die Uhr geschaut

Für Siegfried Nützsche war die Arbeit nicht nur Beruf, sondern Berufung. „Er liebte den Tierpark und schaute nie auf die Uhr“, sagt Silvia Berger. Mit ihrem Team, seit 2001 in Trägerschaft der Lebenshilfe für Menschen mit Behinderung, ist sie entschlossen, dieses Erbe fortzusetzen und weiterzuentwickeln, „damit sich noch viele tausend Besucher an unserem schönen Tierpark mit seiner tierischen Lebendigkeit erfreuen können“.