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Traumberuf Raumausstatter

An der Trachenberger Straße frischt Claas Willmann Lieblingsstücke auf oder gibt Altem ein ganz neues Design.

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© Sven Ellger

Von Paulina Glaner

Die Regale im Raum sind über und über mit großen Stoffrollen bestückt, auf der großen hölzernen Arbeitsplatte in der Mitte der Werkstatt liegen Scheren, Schaumstoffe und Zangen. Claas Willmann lässt die Stoffränder eines Bezugs langsam durch die Kettelmaschine laufen. So werden sie exakt verschlossen. Gerade hat er dem Kissen eine neue Schaumstoffpolsterung verpasst.

Der gelernte Raumausstatter hat erst spät zu seiner wahren Profession gefunden. „Gelernt habe ich ursprünglich Tischler“, sagt Willmann. Eigentlich kommt der Wahldresdner aus Stralsund. „Mein Onkel ist Raumausstatter. Und seit einem Schulpraktikum in seinem Betrieb war das für mich auch der Traumberuf“, sagt der 35-Jährige. Nach seinem Schulabschluss begann er eine Ausbildung in Lübeck. „Die hab ich aber abgebrochen“, sagt er. „Ich war einfach zu jung und hatte Heimweh.“ Er kehrte zurück nach Hause und machte eine Lehre zum Baumöbeltischler. Als er merkte, dass ihn das Interesse für die Raumausstatterei nicht losließ, absolvierte er schließlich eine Umschulung bei seinem Onkel. Vor sechs Jahren dann kam er nach Dresden und legte hier die Meisterprüfung ab. Seit Mai letzten Jahres ist er nun an der Trachenberger Straße zu finden. Dort sind die Polsterarbeiten zwar sein Schwerpunkt. Der Raumausstattermeister bietet aber, wie es der Name schon sagt, weit mehr an: Vom Fußbodenverlegen über das Nähen von Gardinen und Rollos bis hin zur Wandgestaltung – Willmann richtet ganze Häuser ein. Auch wenn der Beruf des Tischlers nicht der richtige für ihn war, als Fehler oder Umweg sieht er die Jahre der Ausbildung nicht. Im Gegenteil, fachlich hat sie ihm einiges erleichtert. „Ich kann ganze Möbelstücke allein fertigen. Vom Stuhlgestell bis zur Polsterung“, sagt er.

Für sein Handwerk ist Dresden die ideale Stadt. „Ich mag die Größe“, so Willmann. „Es ist gut für das Geschäft, wenn die Stadt nicht allzu groß, aber auch nicht zu klein ist.“ Denn dann gibt es zwar viel potenzielle Kundschaft, aber auch eine größere Konkurrenz. Außerdem bedeutet eine Kulturstadt wie Dresden viel Arbeit für einen Handwerker wie ihn. Durch Touristen und die vielen Hotels und Restaurants hat Willmann immer etwas zu tun: Das El Rodizio an der Wilsdruffer Straße zum Beispiel oder das neue Bodega Madrid am Neumarkt hat er komplett bestuhlt. Ansonsten lebt er von der Laufkundschaft. Da gibt es auch mal Zeiten, in denen er nicht so gefragt ist. In der Gartensaison zum Beispiel: „Im Sommer gibt es zwar Hollywoodschaukeln oder Gartenstühle, die neu gepolstert werden müssen“, sagt Willmann. „Etwas weniger Aufträge gibt es in den warmen Monaten schon. Die Leute sind im Urlaub oder sitzen viel draußen. Da fallen die Flecken auf der Sitzgarnitur im Wohnzimmer nicht so auf“, sagt er schmunzelnd. Zu tun hat er in der Urlaubszeit aber trotzdem: Wohnmobile und Segelboote sollen für Reisen und Touren auf Vordermann gebracht, das Motorrad für die Sommersaison neu aufgepolstert werden. „Das ist schon etwas Besonderes, so eine ganze Segeljacht zu bestücken“, sagt Willmann. Es läuft gut für den Unternehmer.

Doch er beobachtet auch, dass sich eher die ältere Generation an ihn wendet. „Jüngere Leute schmeißen viele kaputte Polster oder Kissen einfach weg, manchmal sogar ganze Stühle oder Sessel. Da wird bei Ikea eher neu gekauft, als den Riss im Stoff reparieren zu lassen“, sagt Willmann. Das sei manchmal sogar billiger. „Aber das ist eben Massenware“, so der Profi. „Die Qualität lässt zu wünschen übrig. Irgendwo muss der billige Preis ja herkommen.“ Der Beruf des Polsterers sei in jüngeren Generationen auch nicht mehr so bekannt. Ältere Leute legten da mehr Wert auf Handarbeit und wären auch eher bereit den Preis dafür zu zahlen. „Heutzutage ist Stoff ja nicht gleich Stoff“, sagt er. Es gäbe zum Beispiel Materialien, die schmutz- und feuchtigkeitsabweisend seien. Die hätten natürlich auch eine ganz andere Haltbarkeit.

Das Geschäft des Meisters ist so erfolgreich, dass die Aufträge für ihn mittlerweile zu viel werden. Abgesehen von den Öffnungszeiten seines Ladens ist der Unternehmer auch gerne mal sonnabends unterwegs. An Wochenenden und Feiertagen zu arbeiten, ist ihm nicht fremd. Er bietet auch Hausbesuche an. „Wenn ein schweres Sofa oder eine Sitzbank neu gepolstert werden muss, können die Kunden es ja schlecht in meine Werkstatt bringen“, sagt er lachend.

Claas Willmann fühlt sich in Pieschen zu Hause. Hier hat er auch seine Partnerin kennengelernt, die ebenfalls keine gebürtige Dresdnerin ist. Und noch etwas haben die beiden gemeinsam: Sie wollen hier nicht mehr weg.