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Trübes Elend

Trotz vieler Maßnahmen sind Bäche und Fließe am Spreewaldrand noch immer mit gelöstem Eisen belastet.

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© Wolfgang Wittchen

Von Irmela Hennig

Die gelben Gummistiefel – sie sind ein Kontrast im rostbraunen Meer. Mitarbeiter des Dresdner Institutes für Wasser und Boden haben sie übergezogen, um in die schlammige Brühe der Wudritz zu steigen. Das kleine Gewässer, das vom Schlabendorfer See in Südbrandenburg zu einem Spreearm fließt, hat seine natürliche Farbe längst verloren. Es ist durchsetzt von gelöstem Eisen – daher die rotbraune Farbe. Dass es in Groß Radden noch Fische gibt, können sich die Mitarbeiter vom Dresdner Institut nicht vorstellen.

In Burg im Spreewald ist die Wasserwelt noch in Ordnung. Das graugrüne Wasser umspült ruhig die alten Holzpfähle.
In Burg im Spreewald ist die Wasserwelt noch in Ordnung. Das graugrüne Wasser umspült ruhig die alten Holzpfähle. © Wolfgang Wittchen

Im Auftrag des Tagebausanierers LMBV messen sie unter anderem Trübung, PH-Wert, Temperatur und Sauerstoffgehalt des Wassers. Der Wert für Letzteres ist heute nicht so schlecht: Sättigung bei 83 Prozent. An der Tatsache, dass viel zu viel Eisensulfat im Wasser ist, hat sich im Laufe eines Jahres aber nichts geändert, sagt Institutsleiter Wilfried Uhlmann, der mit seinem Team regelmäßig in der Region Proben nimmt. Vor einem Jahr wurde mit einer Ausbaggerung der Wudritz zwar kurzzeitig eine Verbesserung der Situation erreicht. Doch längst sei der kleine Fluss wieder so braun wie zuvor. Ein paar Kilometer weiter das gleiche Bild. Auch in Klein Radden fließt die Wudritz rostig dahin. Rötlicher Schlamm klebt an Baumstämmen. Nur Meter vom Wasser entfernt arbeiten Landwirte ungerührt auf den Feldern. Was sollen sie sonst auch machen? Am Zug sind doch andere. Brandenburgische Landesämter mit Planungen, politischen Aktionen, Abkommen, Regelungen, die LMBV mit praktischen Maßnahmen. Es laufen unter anderem Entschlammungsarbeiten, teilt der Bergbausanierer mit. Zudem wird der Wasserstand im Schlabendorfer See gesenkt. Von dort bekommt die Wudritz das Eisensulfat. Laut dem brandenburgischen Landesamt für Bergbau, Geologie und Rohstoffe wird der Schlabendorfer See derzeit zudem mit Kalk behandelt. Das helfe. Der Einsatz von Filterbrunnen ist angedacht.

Das Eisen im Wasser ist eine späte Tagebaufolge. Um Braunkohle zu fördern, wurde einst Grundwasser abgesenkt. Dadurch verwittere das Pyrit, eine Mischung aus Eisen und Schwefel, im Boden. Als das Grundwasser nach Tagebau-Ende wieder stieg, spülte es das nun wasserlösliche Eisen mit sich fort – in die Flüsse.

Von Verockerung sprechen die Fachleute. Ein Wort, das nur wenige Kilometer von Klein und Groß Radden eine ganze Tourismusbranche seit über einem Jahr in Angst versetzt. Noch hat die braune Brühe den zentralen Spreewald nicht erreicht. Doch die Bootsverleiher fürchten das Schlimmste. „Wenn der Wasserstand hier sinkt, dann drücken die Fließe aus den Randgebieten hier rein. Und dort ist das Wasser braun“, sagt einer. Die LMBV hält diese Befürchtung für unbegründet.

Trotzdem bleibt die Sorge bei den Touristikern. Immerhin rund 6.500 Arbeitsplätze schafft die Branche in der Region, so der Tourismusverband Spreewald. 335 Millionen Euro werden jährlich erwirtschaftet. Vergangene Saison kamen trotz der schlechten Nachrichten rund 547.000 Übernachtungsgäste. Ein Plus von 2,4 Prozent. Aber bleibt das so, wenn sich das Wasser allen Maßnahmen zum Trotz trübt? Die Touristiker glauben das nicht.

Noch fliegt der Eisvogel. Wir folgen ihm im Kajak. Immer wieder lässt sich das schillernde Wunder auf Zweigen am Ufer der Kleinen Spree nieder. Die sind holzbraun, kein Eisensulfat färbt sie ein. Das Spreewasser ist graugrün und an manchen Stellen erstaunlich klar. Auf dem Grund biegen sich Wasserpflanzen. Ein paar Paddelschläge weiter scheuchen wir den Vogel wieder auf. Er hat genug, dreht ab.

Momentan starten unter der Woche wenige Touristen vom Hafen Waldschlösschen zu Kahn- und Paddeltouren. Die Saison beginnt gerade erst. Am Wochenende gehe es aber schon heiß her. Doch heute haben wir die verzweigten Arme und Fließe, den Weiden- und den Kälbergraben, die Kleine Spree und den Storchenschnabel ganz für uns allein. Forsythien und Sumpfdotterblumen blühen gelb an den Ufern. Hier und da suchen Hühner vor reetgedeckten Häuschen nach Würmern. Ein Biber hat Bäume sauber umgenagt. Ein intaktes Ökosystem. Es funktioniert, solange das Wasser klar ist. Kommt der Eisenschlamm, sterben die Fische, weil er die Kiemen verklebt. Dann hungert der Eisvogel. Und der Biber verzieht sich auch, warnen Umweltschützer.

13,8 Millionen Euro steckt die LMBV in Maßnahmen, die den Spreewald schützen und betroffene Gewässer „heilen“ sollen. Flussläufe werden ausgebaggert, alte Absetzbecken und Grubenwasserreinigungsanlagen wieder in Betrieb genommen. Den Schlabendorfer See am Autobahndreieck Spreewald versetzte die LMBV mit Kalk, der das Eisen neutralisiert. Es gibt erste Erfolge. Eisenfressende Mikroorganismen in einem Damm zwischen dem Partwitzer und dem Sedlitzer See haben das Eisensulfat um etwa 90 Prozent reduziert.

Ein Kahn kommt zurück zum Waldschlösschen. Die Gäste steigen aus, trinken Kaffee im Seeimbiss. Natürlich haben sie gehört von den rostbraunen Sorgen. Aber hier ist es doch schön. Das werden die Politiker schon verhindern, dass es dreckig wird. Die wollen doch gewählt werden.

Einen Teil der Verantwortung sieht Brandenburg klar in Sachsen, denn von dort kommt viel Eisensulfat. Brandenburgs Landtag verabschiedete darum nun einen Antrag, die „ökologische Katastrophe für die Gewässer in der Lausitz“ länderübergreifend zu lösen. „Die Verockerung muss in Sachsen beseitigt werden, nicht erst in Brandenburg“, so die Forderung. Sachsen hält sich dazu bislang bedeckt. Kurzfristig ist das Problem nicht aus der Welt zu kriegen, machten Wissenschaftler kürzlich auf einer Tagung klar. Im Boden ist zu viel gelöstes Eisen. Die braune Farbe bleibt der Region noch 50 bis 100 Jahre erhalten.