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Tür an Tür

Das integrative Wohnprojekt im früheren Hotel „Krone“ in Rothenburg ist gelungen. Befürchtungen sind unbegründet.

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© André Schulze

Von Frank-Uwe Michel

Rothenburg. Jürgen Siegert und Karl-Heinz Mowka haben aus der Not eine Tugend gemacht. Als ihnen wegen der bevorstehenden Bauarbeiten in der Polizeihochschule das Zimmer im bisherigen Unterkunftsgebäude des Hochschulkomplexes gekündigt wurde, gingen sie auf die Suche nach einer neuen Bleibe. Und blieben beim Angebot des Martinshofes hängen, der ihnen anbot, im ehemaligen Hotel „Krone“ am Rothenburger Markt zu wohnen. „Ich hatte verschiedene Möglichkeiten, bin aber froh, dass ich mich hierfür entschieden habe. Mir genügt ein möbliertes Zimmer, außerdem kann ich die Küche nutzen. Tipptopp, so wie es sein soll“, ist Psychologie-Dozent Mowka zufrieden. Und sein Kollege Siegert, der den Kommissarsanwärtern Einsatztaktik beibringt, ergänzt: „Das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt. Und mit den Bewohnern kommen wir gut zurecht.“ Damit ist das anfangs in der Stadt kritisch beurteilte integrative Wohnprojekt des Martinshofes offenbar gut angenommen worden. In den ehemaligen Hotelzimmern wohnen neben Hochschullehrern auch Ärzte, junge Mitarbeiter des Martinshofes, ein Ehepaar und natürlich Menschen mit Behinderung. Bürgermeisterin Heike Böhm erkennt die Entwicklung des Gebäudes an: „Dass der Hotelbetrieb nicht mehr funktionierte, mussten wir akzeptieren. Nun erlebe ich aber, dass sich unsere neuen Anwohner in dem Gebäude wohlfühlen und das historisch attraktive Wohnumfeld zu schätzen wissen.“

Laut Achim Trobisch, dem Leiter des Bereichs Wohnen im Martinshof, gab es erste Ideen zur Umnutzung des Hotels „Krone“ bereits 2014. Vor dem Baubeginn habe man das Projekt im Stadtrat vorgestellt, sehr wohl natürlich auch die kritische Stimmung in der Bevölkerung vernommen. Zum einen, weil damit Übernachtungskapazität verloren ging, zum anderen aus der Befürchtung heraus, das Zusammenleben mit einer größeren Zahl behinderter Menschen im Stadtzentrum könne schwierig werden. „Wir sind froh, dass sich die Bewohner gut in ihr Umfeld integriert haben“, freut sich Trobisch. Und für Rothenburg-Besucher gebe es inzwischen glücklicherweise andere Angebote. Das sieht auch Heike Böhm so: „Wo sich eine Tür schließt, öffnet sich einen neue. So hat seit Mai dieses Jahres die Pension ‚Zum Postamt‘ geöffnet. Und auch die Pension ‚Cubana‘ liegt nicht weit entfernt.“

Martin Nappert, der in der „Krone“ als Hausleiter fungiert, kann – nachdem das Haus nun voll ist – nur Positives über das Zusammenleben der Bewohner sagen. „Jeder lebt hier seinen Alltag, kann sich auf sein Zimmer zurückziehen, sich aber auch mit den anderen unterhalten, die Küche nutzen oder gemeinsame Aktivitäten starten. Das wird auch so gemacht.“ Jetzt, da der Innernhof endlich fertig ist, könne man sogar zusammen feiern. Vor allem für die hier lebenden Menschen mit Behinderung sei diese Wohnform ideal. „Sie kümmern sich, agieren fast selbstständig, können aber auch Hilfe in Anspruch nehmen.“ Insgesamt gibt es neun Menschen im ambulant betreuten Wohnen, die Nappert als Klienten bezeichnet. Sie leben zusammen mit zehn ganz normalen Mietern. Für sie alle bezeichnet er den Integrativcharakter im früheren Hotel als Erfolgsmodell. „Vor allem für unsere Klienten ist es ein ganz neues Lebensgefühl, mitten im Zentrum zu wohnen, Tür an Tür mit Professor oder Ärztin. Die Leute sind stolz darauf und froh über diese hohe Lebensqualität.“

Mike Uhlig und Karsten Schmidt haben früher in einem der Häuser im Martinshof gewohnt. Seit nun schon zwei Jahren sind sie in der „Krone“. „Mir gefällt es super“, erzählt Mike Uhlig und hebt vor allem die Ruhe hervor, die er an seinem neuen Wohnort schätzt. „Wenn ich von der Arbeit komme, lege ich mich erst mal hin. Und dann ist es nicht weit bis zum Supermarkt.“ In der Freizeit geht er in die Theatergruppe des Martinshofes. Auch die sei auf kurzem Weg vom Marktplatz aus zu erreichen. Ebenso froh ist Karsten Schmidt über sein neues Wohnumfeld, manchmal komme er auch mit den Mietern ins Gespräch. Für Karl-Heinz Mowka ist das Zusammenleben in der eigentlich so unterschiedlichen Gemeinschaft völlig unkompliziert. „Jeder akzeptiert den anderen. Wir reden ganz locker und frotzeln natürlich auch manchmal rum.“ Jürgen Siegert findet, dass das Wohnmodell am Markt gelungen ist. „Sehr schick“, meint er. Wobei die Personen natürlich auch zusammenpassen müssten. Für ihn gebe es immer wieder Gesprächsansätze, denn: „Die meisten kenne ich schon aus dem vergangenen Jahr. Da hatten wir an der Polizeihochschule eine komplexe Übung, in die viele der Klienten als Vermisste oder Zeugen mit eingebunden waren.“