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Um ein Haar hätte Radeberg ein Hallenbad bekommen

Heute vor 100 Jahren wurde Radebergs Stadtbad eröffnet. Und das Wetter dürfte uns durchaus bekannt vorkommen.

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Von Hans-Werner Gebauer

Ein bisschen mehr Begeisterung hätte man sich bei den Journalisten der Radeberger Zeitung an jenem Dienstag, dem 1. Juli 1913 schon gewünscht. Also exakt heute vor hundert Jahren. Immerhin öffnete da eine echte Attraktion. Radebergs neues Stadtbad nämlich. Aber das wurde nur – sogar ein wenig lapidar – vermeldet: „Heute vormittag 1/2 9 Uhr wurde das Stadtbad an der Bergmühle dem öffentlichen Gebrauch übergeben. Zu dem einfachen Akt hatten sich einige Vertreter der städtischen Kollegien eingefunden. Möchte nun vor allem das rechte Badewetter einsetzen, damit die unter großen Opfern geschaffene schöne Einrichtung ihren Zweck erfüllt.“

Es waren eben sicher die Themen und Ereignisse jener Tage, die die Eröffnung in den Hintergrund treten ließ. Der Balkankrieg vor allem, aber auch der kälteste Sonntag seit 1849 am 29. Juni, dazu Dauerregen am 1. Juli und auch noch der gleichzeitig an diesem Tage stattfindende Durchmarsch der Königlichen Leibgrenadiere durch die Stadt zu ihrer Feldübung sowie die Neueröffnung des Café „Palmenheim“ als „Wettinschlösschen“…

Aber natürlich waren die Radeberger Stadtväter zur Baderöffnung gekommen. Einen entsprechenden Bericht über die Vollendung des Stadtbades hatten sich die Stadtverordneten bereits am 25. Juni in ihrer Sitzung angehört und danach beschlossen, „zur Abnahme- und Eröffnungsbesichtigung am 1. nächsten Monats vormittags 1/2 9 Uhr zu schreiten“, wie es in der Akte dazu nachzulesen ist.

In besagtem Bericht an die Stadtverordneten hatte Radebergs Stadtbaudirektor zunächst die wichtigsten Eckdaten genannt. So war das von Zementbeton gestampfte Wasserbecken 42,60 Meter lang und 25,70 Meter breit. Die Wassertiefe an der flachsten Stelle betrug 70 Zentimeter, die tiefste Stelle wies immerhin 2,70 Meter auf. Die Nichtschwimmerzone, die etwa ein Drittel des Beckens ausmachte, war durch eine Kette vom tieferen Teil abgetrennt. 10 Zentimeter über der Wasserfläche waren Haltestangen aus Eisen angebracht, dazu Leitern und Treppen, um in das Becken hinein- oder herausklettern zu können. An beiden Längsseiten und der Stirnseite waren offene und geschlossene Auskleidezellen. Eine übermannshohe Planke sorgte an der vierten Seite für einen Sichtschutz. Was damals ja durchaus noch eingefordert wurde…

In der Mitte der Stirnseite befand sich ein größerer Gebäudeteil. Er beherbergte die Kassen- und Wäscheräume, den Reinigungsraum mit Fußbodenwannen, drei Duschen, von denen zwei warmes Wasser versprühten und schließlich die Toilettenanlagen.

Die Badeordnung sah vor, dass sich jeder Gast vor dem Benutzen des großen Wasserbeckens zu reinigen hatte. Vierzig geschlossene Badezellen in den Abmaßen 1,30 x 1,50 Metern waren mit Bank, Kleiderhaken und Spiegel ausgestattet. Zu tragen war grundsätzlich der geschlossene Badeanzug. Badehosen für Männer spielten damals noch keine Rolle.

Im Schwimmbereich konnten außerdem zwei Sprungbretter, dazu ein Sprunggerüst und eine Wasserrutsche genutzt werden. Zudem gab es ein Schwimmlehrgerüst mit beweglichen Rollen.

Der Zugang zum Stadtbad war mit einer wasserrechtlichen Genehmigung im November 1912 über eine neu hergestellte hölzerne Röderbrücke gegeben. Ein Gässchen vom „Amtshof“ über die Wasserstraße lag davor. Der zuvor geplante Zugang über die Bergmühle kam nicht zustande. Das Wasser fürs Bad kam damals aus der Röder – was heute nicht mehr denkbar wäre – und wurde über den Mühlgraben der Bergmühle ins Bad geführt. Bei Reinigungsarbeiten wurde das Wasser wieder in die Röder abgelassen. Auch das wäre heute ein absolutes Tabu…

Die Idee des Stadtbades war dabei seit 1902 im Gespräch. Im Herbst 1911 erfolgte der Baubeschluss. 1912 wurden Flächen der Bergmühle zugekauft, damit das Areal „weiträumig erschlossen werden kann“. In der Vorbereitungsphase gab es auch die Forderung, gleich noch ein Hallenbad zu bauen. Doch die dafür benötigten 35 000 Mark waren nicht im Stadtsäckel vorhanden. Darüber wollte man in „fünf Jahren“ wieder diskutieren. Bis heute ist es in Radeberg zu keinem Projekt Hallenbad gekommen. Schade, aber heute wäre kein Hallenbad für 35 000 Mark mehr möglich…

Mieses Wetter nervte im ersten Jahr

Das Wetter machte den Start des Radeberger Stadtbades ungemütlich. Im Juli gab es bis zur Monatsmitte mehr kühle und regnerische Tage und auch der August war durchwachsen. Dazu kam, dass die Einwohner aus einfachsten Verhältnissen lieber an den angestammten Stellen in der Röder baden gingen. Erst nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Stadtbad besser angenommen. Schwimmkurse und die Forderung nach dem Familienbad – also der Aufhebung der Trennung zwischen Männer- und Frauenbereich – erhöhten nach und nach die Akzeptanz. Radebergs Stadtbad gehörte übrigens zu den ersten Freibädern in der Region, in denen bald das Familienbad überwog. Zur Eröffnung im Juli 1913 wurde die Geschlechtertrennung noch mit polizeilicher Aufsicht durchgesetzt…

Aus Anlass des 100. Badjubiläums wird heute Abend, 19 Uhr, im Stadtbad eine Jubiläumsbroschüre vorgestellt. Außerdem werden frühere Schwimmmeister und Angestellte zu Gast sein, um aus ihren Tagen im Bad zu erzählen. Interessierte sind willkommen, teilt der Stadtbadverein dazu mit. Der Eintritt für die Veranstaltung ist dabei frei.