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Unruhe unter den Wirten

Zum 1. Januar kommt der Mindestlohn für Gastronomen. Dann könnten die Preise steigen. Aber wohl nicht überall.

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© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Ingo Kramer

Gute Nachrichten sehen für Torsten Schröter derzeit anders aus. Der Chef des Restaurants Schachmann’s am Untermarkt muss völlig neu kalkulieren. Ab 1. Januar gilt der Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde für die gesamte Branche. Letzte Bemühungen – ähnlich wie bei den Friseuren – einen Stufen-Tarifvertrag hinzubekommen, sind jetzt gescheitert. Bislang zahlt Schröter seinen sechs Mitarbeitern, darunter zwei Festangestellten, weniger als den Mindestlohn. Das war die längste Zeit so. „Ich finde es nur fair, allen 8,50 Euro zu zahlen“, sagt Torsten Schröter. Entlassen will er niemanden, auch schließen wird er wegen des Mindestlohns nicht müssen. Doch wenn er ab Januar 8,50 Euro zahlen muss, werde er die Essenspreise wohl erhöhen müssen. Wie Schröter müssen sich alle Görlitzer Gastronomen auf die veränderten Bedingungen einstellen. Den einen fällt das leichter, weil sie schon seit Jahren ihren Angestellten den Mindestlohn zahlen, den anderen eben schwerer. Wichtige Fragen müssen sie klären: Wie viel Personal kann ich mir noch leisten? Müssen die Preise für Speis und Trank hochgesetzt werden? Es sind Fragen der Existenz.

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Thomas Bednarek vom Caffè Kränzel will sein Personal behalten – und ihm künftig auch mehr zahlen: „Ich habe zwei Pauschal- und eine Teilzeitangestellte. So viele Leute brauche ich auch, denn die Zubereitung der Speisen und Getränke ist Handarbeit“, erklärt er. Trotz Mindestlohns will er versuchen, die Preise erst einmal konstant zu halten: „Die Personalkosten sind nicht der größte Teil meiner Gesamtkosten.“ Wareneinkauf, Miete und Steuern seien für ihn teurer. Zudem bringe der Mindestlohn nur eine moderate Lohnerhöhung, die das Café nicht umbringen werde. Robert Meinecke, Inhaber der Nachbar am Untermarkt, zahlt ab diesem Monat erstmals Mindestlohn. „Ich will in der guten Jahreszeit testen, wie hoch die Kosten wirklich sind“, sagt er. Dann könne er besser abschätzen, wie er über die traditionell umsatzschwächeren Wintermonate komme. Das Problem sei dabei nicht einmal der Verdienst der Mitarbeiter, sondern die Lohnnebenkosten. „Das sind dann wohl etwa 400 Euro pro Person“, hat er ausgerechnet.

Das Argument der Lohnnebenkosten nennt auch Wolfgang Richter vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga). Der Mindestlohn von 8,50 Euro sei gerechtfertigt, „aber der Staat muss die Gastronomen bei den Sozialabgaben entlasten“. Er habe das Thema schon oft gegenüber Politikern zur Sprache gebracht. „Niemand hat das Problem ernsthaft aufgegriffen“, so Richter. Aufgrund der Grenznähe sieht er weitere Probleme: „In Polen werden andere Gehälter gezahlt, da wird der Mindestlohn die Abwanderung der Gäste verstärken.“ Inwieweit sich das auf die Arbeitsplätze auswirkt, werde sich zeigen.

Gastmahl des Meeres, Altstadtkrone, Filetto, Bürgerstübl, Schwarze Kunst, Café 13 und noch viele weitere Görlitzer Restaurants und Cafés lässt die Mindestlohndebatte dagegen ziemlich kalt. „Das zahle ich schon immer“, bestätigt Thomas Holfert vom Filetto stellvertretend für sie alle. Steffen Nixdorf von der Schwarzen Kunst geht sogar noch einen Schritt weiter: „Wer in Görlitz für weniger Geld arbeiten geht, ist selbst schuld.“ Genügend Kollegen aus der Branche würden nämlich Köche und Kellner suchen – und seien bereit, 8,50 Euro pro Stunde oder mehr zu zahlen.

Doch selbst die Görlitzer Gastronomen, die längst Mindestlohn zahlen, sind jetzt ein bisschen skeptisch. Bei Bernd Jende vom Gastmahl des Meeres zum Beispiel geht eine Köchin in den Mutterschutz und ein Kollege nach Dresden. Neu besetzen will er keine der beiden Stellen: „Man muss ja jetzt erst einmal vorsichtig sein.“ Und Johannes Witoschek in der Altstadtkrone sieht noch ein weiteres Problem auf die Gastronomen und ihre künftige Rechnung für die Gäste kommen: „Die Lieferanten trifft der Mindestlohn genauso.“ Wenn sie ihre Preise erhöhen, müssten wohl auch die Gastronomen nachziehen – und zwar alle.