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Unterm Glasdach

Geißlers gärtnern in vierter Generation in Großröhrsdorf. Duftpflanzen liegen derzeit im Trend. Noch müssen sie drin bleiben.

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© Reiner Hanke

Von Reiner Hanke

Großröhrsdorf. Ein bisschen versteckt liegt die Gärtnerei Geißler schon in Großröhrsdorf an der Langen Straße. Am Wohngebäude und Beeten vorbei führt der Weg zum hell gestrichenen Gärtnereigebäude. Draußen ist noch weitgehend Winterruhe. Kein Wunder. Bei frostigen Temperaturen an diesem Morgen. Die beschert ein Kältehoch mit Polarluft. Aber die Kartäusernelken haben sich schon hinausgewagt. „Die binden wir in die Blumensträuße“, sagt Conny Geißler. Vor fast genau fünf Jahren hat sie die Gärtnerei von ihren Eltern übernommen. Knapp 30 Jahre hatten sie damals die Gärtnerei geführt. Und Mutter Gabriele Geißler hilft auch heute noch oft im Geschäft – mit ihren 66 Jahren. Da fängt ja das Leben bekanntlich an.

Für die Großröhrsdorferin ist es immer noch die Gärtnerei. Zum Beispiel, wenn Kundschaft in den Ladenraum kommt, wie regelmäßig der Hausmeister des Pflegeheims Pro Seniore. Geburtstagssträuße kauft er für die alten Herrschaften. Er lobt die Qualität und schwatzt auch gern eine Runde mit den Gärtnerinnen. Conny Geißler zupft unterdessen noch ein Grabgesteck mit dunkelroten Rosen und weißen Lilien für einen anderen Kunden zurecht.

Während draußen der Winter ein Comeback probt, wächst unter Glas alles üppig der Pflanzzeit entgegen. Die steht vor der Tür, auch wenn es dort gerade noch mal flöckelt. Mehrere Tausend Balkon- und Gartenpflanzen warten auf ihre künftigen Gärtner: Pelargonien, Begonien, Petunien und andere Sommerblumen. „Manche Leute können es kaum erwarten und wollen sogar schon Gurkenpflanzen kaufen, aber wir raten noch ab. Sie brauchen ja nur aufs Thermometer schauen“, sagt Gabriele Geißler. Stauden z. B., die können unbesorgt raus. Oder Stiefmütterchen. Sommerblumen auf keinen Fall: „Zu DDR-Zeiten durften wir die gar nicht vor dem 15. Mai verkaufen.“ Wegen des Frostrisikos. Zum Glück gibt es Glashäuser. In einem, dem Aussaat- und Anzuchthaus, ist es besonders angenehm warm. Die gemauerten Hochbeete für die ganz junge Anzucht muten schon etwas historisch an. Unter den Blumentöpfen verläuft die Heizung: „Damit die Pflänzchen keine kalten Füße bekommen“, sagt Gabriele Geißler. Da stehen sogar schon winzige Balkonblumen für das nächste Jahr und Paprikapflanzen: Eine kleine Sorte, aber scharf.

„Die Gärtnerinnen ziehen noch alles selbst, gehen sie mal dort vorbei“, sagte jetzt auch ein SZ-Leser aus dem Bautzener Raum mit verschwörerischem Ton in der Stimme am Telefon: „Ein Tipp – es ist ein bisschen wie früher.“ Was auch immer das heißen mag. Es ist was dran, wenn man den kleinen Ladenraum betritt. Geißlers bestätigen: „Das sagen immer wieder mal Kunden.“ Durch die abgegriffene Holztür ist wohl schon der Urgroßvater in die Arbeitsräume dahinter gegangen. Aber die Gärtnerinnen wollen sich nicht mit fremden Federn schmücken. Aus den eigenen Gewächshäusern komme viel, doch längst nicht alles. „Wir kaufen auch zu, zum Beispiel Stecklinge. Die ziehen wir dann in unseren Gewächshäusern groß. Schnittblumen kommen auch vom Markt. Das wäre alles gar nicht aus eigener Kraft zu stemmen“, sagt Conny Geißler.

Gegründet hatte Uropa Paul Müller die Gärtnerei Ende der 1920er-Jahre. Ungefähr bis in die 1960er-Jahren entstanden die sechs Gewächshäuser auf dem halben Hektar Gartenland. Ihr Lebenspartner habe sie in den vergangenen Jahren nach und nach wieder aufgemöbelt, sagt die Gärtnerin und zeigt die neuen Sparren aus Lärchenholz unter dem Glas. Das Holz ist besonders haltbar. Ansonsten gehe ihr Partner aber einem anderen Beruf nach. Erweiterungspläne habe sie nicht, so Conny Geißler bescheiden: „Für uns reicht es zum Leben.“ Reich werden könne man nicht. Fest steht: Geißlers gärtnern mittlerweile in der vierten Generation. Conny Geißler wurde mit der Gärtnerei groß, ebenso die Liebe zu den Pflanzen. So sei der künftige Beruf gar keine Frage gewesen. Ob es aber noch eine fünfte Gärtner-Generation geben wird, ist eher fraglich. Zumindest beim Sohn ist die Berufswahl noch nicht abgeschlossen.

Im nächsten Glashaus wachsen Kohlrabis und Tomaten. Bei den Blumen seien jetzt Duftpelargonien ein bisschen der Trend, verraten die Gärtnerinnen. Die verströmen zum Beispiel ein zartes Aroma von Zitronengras und machen den Garten nicht nur zu einer Augenweide.

Dort wird es ja auch bald so richtig losgehen. Ebenso bei Geißlers. Die Chefin hat detaillierte Pläne, wo Sommerblumen, Kürbisse oder Salat wachsen sollen. Vielleicht will sie auch noch die Einfassungen der Frühbeete in Angriff nehmen. An denen nagt der Zahn der Zeit. Apropos: Es sei jetzt an der Zeit, ins Gewächshaus zurückzukehren, sagt Conny Geißler. Dort wartet eine Palette mit Sommerblumen. Die müssen pikiert werden, damit kräftige Pflanzen draus werden, wenn die Polarluft endlich wieder abgezogen ist.