Von John Hennig
Dass die Ostsee ein schönes Ziel für einen Kurzurlaub ist, hat sich bis nach Frankfurt rumgesprochen. Andreas Rettig wurde am Wochenende mehrfach gesichtet, etwa auf einem Spaziergang die Strandpromenade in Warnemünde entlang.
Spätestens im Ostseestadion in Rostock vermischte sich der vermeintlich private Ausflug des Geschäftsführers der Deutschen Fußball-Liga (DFL) jedoch mit Beruflichem. Denn bei Hansa Rostock spielte und gewann RasenBallsport Leipzig, also der designierte Aufsteiger ins Hoheitsgebiet der DFL. Seit Rettig auf einem Fankongress im Januar in Berlin äußerte, dass die Mitbestimmung in deutschen Fußballklubs ein unantastbares Gut sei, steht RB Leipzig unter gesonderter Beobachtung. Auch wenn Rettig den Verein nicht explizit genannt hatte, war allen klar, wer gemeint ist.
Seine Worte wurden auch in Leipzig als öffentliche Warnung verstanden – und auf einer geheimen Jahreshauptversammlung noch im Januar gewünschte Änderungen in die Wege geleitet und die Satzung überarbeitet: mit neuem Vorstand und neuer Mitgliedsordnung. Sogar ein neues Logo ist entwickelt worden, um auch optisch zu untermalen, dass sich RB Leipzig den Statuten anpasst. Seit Kurzem amtiert mit Oliver Mintzlaff schon ein neuer Vorstandsvorsitzender, der kein Mitarbeiter von Red Bull ist. Mintzlaff arbeitet seit Jahren als Berater und Manager – und betreut unter anderem RB-Sportdirektor Ralf Rangnick.
Dass die Leipziger bei der Lizenzierung nun trotzdem Auflagen und Bedingungen gestellt bekamen, liegt auch daran, dass die neue Satzung bis heute nicht wirksam ist. Das Amtsgericht Leipzig lehnte sie ab und bat um eine weitere Überarbeitung, die nächste Frist läuft am 8. Mai ab. RB gerät nun zunehmend unter Zeitdruck. Noch eine negative Prüfung wäre fatal, denn am 28. Mai fällt die endgültige Entscheidung durch den Lizenzierungsausschuss. Bis dahin muss die neue Satzung wirksam sein.
Rangnick verriet nach der Partie in Rostock, dass Rettig im gleichen Hotel wie RB residierte. „Zwischen ihm und mir hat es keine Gespräche gegeben. Das ist auch gar nicht meine Baustelle“, sagte Rangnick mit Verweis auf den ebenfalls anwesenden Geschäftsführer Ulrich Wolter. Der Jurist hat vor seiner Zeit in Leipzig unter anderem für den Deutschen Fußball-Bund (DFB) gearbeitet und gilt als gut vernetzt.
Vom DFB hat Leipzig auch ohne größeren Widerstand die Lizenz für die 3. Fußball-Liga erhalten, die seit jeher nur als Zwischenstation eingeplant war. Doch die DFL, die sich perspektivisch dauerhaft mit dem Thema RB beschäftigen muss, missfällt die Vereinsstruktur im Graubereich. Vor allem, weil sie deutlich gegen die Idee hinter der 50+1-Regel verstößt – auch wenn formal alles in Ordnung ist, solange RasenBallsport nur ein Verein ist, der eben zufällig von Red-Bull-Mitarbeitern gegründet und geführt wird.
So ambitioniert und professionell, wie der Verein aufgestellt ist, würde es verwundern, wenn er auf die Forderungen nicht schon lange vorbereitet gewesen wäre. Als nachteilig erweist sich jedoch womöglich, dass in Leipzig in den ersten Jahren große Fluktuation auf den strategischen Positionen herrschte. Als Red Bull vor etwas mehr als fünf Jahren mit sächsischem Fußballverband und DFB das Startrecht und die ursprüngliche Satzung verhandelte, waren weder Rangnick noch Wolter dabei. Entscheidend sind deshalb Rechtsanwälte wie Christoph Schickhardt, auf den zum Beispiel der verschwurbelte Vereinsname zurückgehen soll.
Der Verein versucht, das Thema auszusitzen und gibt sich schmallippig. Abgesehen von einem knappen Statement, dass Auflagen und Bedingungen geprüft werden, äußert sich nur Rangnick, allerdings optimistisch: „Wenn wir sportlich aufsteigen, spielen wir auch in der 2. Bundesliga.“ Mit der DFL dürfte man sich nicht erst bei Rettigs Besuch in Rostock geeinigt haben.