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"Ostdeutsche haben eine naive Haltung zu Russland"

Dem US-Generalkonsul in Leipzig missfällt die unkritische Haltung vieler Ostdeutschen gegenüber der russischen Regierung. Ein Gastbeitrag. 

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Der russische Präsident Wladimir Putin – hier im April 2009 beim Moskau-Besuch des damaligen sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich (l.) – stößt im Osten Deutschland oft auf Verständnis und Sympathie.
Der russische Präsident Wladimir Putin – hier im April 2009 beim Moskau-Besuch des damaligen sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich (l.) – stößt im Osten Deutschland oft auf Verständnis und Sympathie. © dpa/RIA_NOVOSTI

Von Timothy Eydelnant

Am 4. Juli feiern die Vereinigten Staaten den Independence Day. Für uns Amerikaner ist der Unabhängigkeitstag eine Erinnerung an die Werte, die unser Land ausmachen und auf denen es gegründet wurde. Das Recht auf Selbstbestimmung und freie Meinungsäußerung, Wahlfreiheit, Versammlungsfreiheit, Rechtsstaatlichkeit – das sind die Grundlagen, die unsere Gesellschaft heute noch zusammenschweißen.

Das sind auch die Werte, für die die Menschen 1989 in der DDR auf die Straße gegangen sind. 30 Jahre sind seit dem Mauerfall vergangen und es ehrt mich, dieses besondere Jubiläum in Mitteldeutschland erleben zu dürfen. Seit zwei Jahren bin ich Generalkonsul für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. In habe in dieser Zeit viele kluge und engagierte Menschen getroffen, die sich Gedanken machen, um diese Region und ihre Rolle innerhalb Deutschlands und im globalen Kontext. Viele ringen mit dem Erbe von 40 Jahren DDR, mit Lebensläufen, die anders geprägt sind als im Westen und um deren Anerkennung. Nirgendwo zeigt sich das so deutlich wie im Verhältnis zu Russland.

Ich kann verstehen, wenn es aus historischen und persönlichen Gründen enge Verbindungen und Sympathien für das Land gibt. Ich selbst bin mit 16 Jahren aus dem heutigen Weißrussland in die USA ausgewandert. Ich habe noch gute Freunde dort und die russische Sprache zu hören, weckt bei mir viele Kindheitserinnerungen.

Timothy Eydelnant ist  Generalkonsul der USA für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Er hat sein Amt vor zwei Jahren übernommen.
Timothy Eydelnant ist Generalkonsul der USA für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Er hat sein Amt vor zwei Jahren übernommen. © dpa

Was ich nicht verstehen kann, ist, wenn Sympathien für Land und Leute zu einer allzu unkritischen, ja naiven Haltung gegenüber der russischen Regierung führen. Lassen Sie es mich ganz klar sagen: Russland ist ein autoritärer Staat, dessen aggressives Verhalten eine reale Bedrohung darstellt für die internationale Sicherheit und unsere demokratischen Institutionen. 

Die Liste der belegten Beispiele ist lang: Russland unterstützt verdeckt Protestbewegungen in Europa, um Uneinigkeit zu säen; es versucht, Wahlen zu manipulieren; es hat ein als Chemiewaffe eingestuftes Nervengift auf britischem Boden eingesetzt und es hat nicht zuletzt mit der Krim einen Teil eines souveränen Staates annektiert. Im Inneren geht die Regierung mit voller Härte gegen Andersdenkende vor. Journalisten sterben unter fragwürdigen Umständen, Homosexuelle werden stigmatisiert, die Arbeit unabhängiger NGOs behindert, kritische Demonstrationen niedergeknüppelt. Kurz: Russland tritt die Werte, für die wir in den USA und Mitteldeutschland gekämpft haben, immer wieder mit Füßen.

Das Treffen des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer mit dem russischen Präsidenten und seine Forderung, die Sanktionen zu beenden, haben viele in Mitteldeutschland als richtigen Schritt der Annäherung bewertet. Ich stimme in einem Punkt zu: Dialog ist wichtig. Auch die USA sperren sich nicht dagegen. Wir führen bilaterale Diskussionen zu Themen wie Syrien, Nordkorea, Rüstungskontrolle oder der Terrorismusbekämpfung. Erst im Mai war Außenminister Pompeo zu Gesprächen in Russland.

Jedoch ist Dialog nur sinnvoll, wenn beide Seiten an Fortschritten interessiert sind. Das Verhalten der russischen Regierung gibt leider wenig Anlass zur Hoffnung. Solange wir keine ernsthaften Absichten erkennen können, werden wir weiterhin die Kraft unserer Wirtschaftssanktionen nutzen, um Druck auf Russland auszuüben. Sanktionen, die wir in enger Absprache mit unseren Verbündeten verhängt haben und die, entgegen oft gehörter Argumente, Wirkung zeigen. Sie haben die russische Regierung bisher mehrere Milliarden gekostet und sie sind ein präzises Instrument, um ihr die finanziellen Mittel zur Spaltung Europas, zur Durchführung krimineller Cyberattacken und Förderung der Oligarchie zu entziehen. Sie richten sich nicht gegen das russische Volk.

Auch ich würde mir wünschen, dass sich das Verhältnis zu Russland normalisiert. Zu einem Russland jedoch, das die Souveränität seiner Nachbarn und die Rechte seines eigenen Volkes respektiert. Demokratie, Redefreiheit, Versammlungsfreiheit, Rechtsstaatlichkeit, kurz: Freiheit – das sollte nicht verhandelbar sein. Das sind die Werte, die wir am 4. Juli feiern. Das sind die Werte, die uns in Deutschland und den USA verbinden.