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„Vielleicht steht uns der Gau bevor“

Der Borkenkäfer bedroht die Wälder. Er hat aber noch andere Sorgen, sagt Sven Irrgang, Leiter des Staatsforstes Bärenfels.

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Herr Irrgang, der Winter war mild, das Frühjahr ist bislang recht trocken. Manch ein Experte warnt bereits davor, dass die Schädlinge dieses Jahr dem Wald arg zu setzen werden.

Es kommt vor allem auf die Witterung in den nächsten beiden Monaten an. Es sollte möglichst viel regnen bei gleichzeitig kühlen Temperaturen. Denn dadurch würde die Aktivität des Borkenkäfers gebremst und die Abwehrkräfte der Bäume würden gleichzeitig gestärkt werden. Aktuell sind die Böden bereits sehr trocken, was schlecht für die Vitalität der Bäume ist.

Und wenn sich Ihre Hoffnung nicht erfüllt?

Dann steht uns vielleicht der berühmte Gau bevor. Denn wenn die Temperaturen dauerhaft in den sommerlichen Bereich von über 25 Grad steigen und es weitgehend trocken bleibt, können sich die Borkenkäfer ideal vermehren. Die Population würde explosionsartig steigen. Das würde wiederum zu einem starken Neubefall der Baumbestände führen, die bei fehlendem Niederschlag ohnehin stark abwehrgeschwächt wären.

In welchem Zustand befinden sich die Wälder im Forstbezirk Bärenfels?

Der Zustand ist stabil. Die Vitalität der Fichten in den Gebirgslagen wird sogar zunehmend besser. Allerdings können extreme Witterungsbedingungen immer wieder Probleme für die weitere Waldentwicklung bedeuten bzw. den Fortschritt des Waldumbaus beeinflussen .

Extreme Witterungsbedingungen gab es in den vergangenen Jahren einige.

Richtig – zum Beispiel der starke Schneebruch im Winter 2012/13. Damals waren große Flächenanteile betroffen, allein im Forstbezirk Bärenfels circa 5 000 Hektar – also fast ein Drittel der Gesamtwaldfläche.

Welche Folgen hatte das?

Der großflächig verteilte Schneebruch in zumeist jüngeren Waldbeständen mit jeweils nur relativ dünnem Holz führte dazu, dass die Aufarbeitung extrem aufwendig sowie langwierig war und auch nicht bis auf letzte Restmengen beräumt werden konnte. Das hat auch dazu beigetragen, dass der Borkenkäfer nunmehr ein Gefahrenpotenzial aufbauen konnte. Auch der Starkregen im vergangenen Juni und danach der plötzliche Witterungsumschwung zu sehr heißem und trockenem Wetter haben Schäden verursacht – vor allem bei den Waldverjüngungen.

Extreme Witterungsbedingungen werden zunehmen. Wie reagiert der Staatsbetrieb Sachsenforst auf den drohenden Klimawandel?

Wir schauen uns natürlich die Prognosen genau an und versuchen, die Baumarten den künftigen klimatischen Bedingungen und standörtlichen Gegebenheiten optimal anzupassen. Unter anderem deshalb wird der Wald ja seit Jahren konsequent umgebaut.

Wie wird der Wald im Forstbezirk Bärenfels künftig aussehen?

Aktuell dominieren Fichten. Sie bedecken teilweise mehr als 90 Prozent der Waldfläche. In Zukunft werden die Wälder durchmischter. Denn andere Baumarten passen sich den künftigen Bedingungen effektiver an und reagieren besser auf extreme Wetterlagen – zum Beispiel die Buche oder die Weißtanne, die wir auf den für sie geeigneten Standorten verstärkt anpflanzen. Sie sind fester im Boden verankert und damit sturmfester. Außerdem überstehen sie durch ihre intensive Wurzelbildung leichter eine Trockenperiode. Sie bewirken zudem, dass die Böden besser Wasser speichern und es bei Extremereignissen zurückhalten können.

Das heißt, dass die Fichte aus dem Osterzgebirge nach und nach ganz verschwindet?

In den Hochlagen ist auch weiterhin die Fichte die standörtlich am besten geeignete Baumart. Sie wird bei der Waldverjüngung daher angemessen beteiligt.

Und in den tieferen Lagen?

In unteren Lagen werden je nach den standörtlichen Gegebenheiten neben Buche oder Weißtanne auch weitere Baumarten angepflanzt – zum Beispiel verschiedene Eichenarten. Insgesamt soll durch den intensiven Umbau der Wald also vielfältiger werden und sich damit besser an standörtliche und klimatische Bedingungen angepasst entwickeln können. Dadurch wird das Risiko von Waldschäden gegenüber einzelnen Schadeinflüssen besser verteilt und für den Wald insgesamt minimiert.

Dieses Frühjahr werden 900 000 junge Bäume im Forstbezirk Bärenfels gepflanzt. Neben den Schädlingen gibt es für sie aber noch einen anderen natürlichen Feind: das Wild.

Das Wild spielt in der Tat eine erhebliche Rolle. Denn die von ihm verursachten Schäden sind teilweise recht groß.

Wie schützen Sie die jungen Baumbestände vor den Tieren? Durch Zäune?

Nur wenn es überhaupt nicht anders geht. Denn das Einzäunen ist finanziell für uns nicht machbar bei 140 Hektar Wald, die wir jährlich neu bepflanzen. Vielmehr sollte das Wild auf ein waldverträgliches Maß reguliert werden. Denn für die Phase eines intensiven Waldumbaus, in der wir uns derzeit befinden, ist der Bestand in einigen Waldgebieten zu hoch.

Das klingt nach Kritik. Heißt das konkret, dass manche Jäger ihren Job nicht gut genug machen?

Das habe ich nicht gesagt. Die Jäger versuchen ihr Bestes. Allerdings werden die Bedingungen für sie immer schwieriger. Die neuen Waldstrukturen greifen langsam. Das Wild kann sich heute besser verstecken als früher, weil das Dickicht zunimmt. Zudem plagen Nachwuchssorgen die Jäger. Die Zahlen sind in abgelegenen Gebieten bei Weitem nicht so hoch, wie wir sie gern hätten.

Auch der Mensch kann für den Wald zur Gefahr werden. Welche Botschaft geben Sie jemandem für einen Waldspaziergang mit auf den Weg?

Ich bin froh, dass es in Deutschland ein freies Waldbetretungsrecht für jedermann gibt. Das trägt ja auch zur Waldverbundenheit unserer Menschen bei. Das ist im Vergleich zu anderen Ländern nicht selbstverständlich. Damit verbunden trägt natürlich jeder Besucher eine gewisse Verantwortung. Der Wald sollte selbstverständlich keine Müllabladefläche sein. Außerdem gilt es, Rücksicht auf die Lebewesen des Waldes zu nehmen – nicht nur auf die Tiere, sondern auch auf die Pflanzen. Man sollte auf keinen Fall in Verjüngungsflächen herumlaufen. Tabu ist, etwas zu beschädigen, unerlaubt zu entnehmen oder sogar Feuer zu machen.

Das Gespräch führte Sebastian Martin.