Von Peter Redlich
Es ist dieses Stück Meißner Straße in Radebeul-Ost, welches das Leben hier noch bunt macht. Weiter westlicher oder ganz im Osten wollen nur noch wenige wohnen, wegen des Straßenlärms von bis zu 20000 Fahrzeugen am Tag. Sogar abgerissen werden einzelne Gebäude.




Doch die Strecke zwischen Jeans-Strauß und Blumen-Thomas lebt. Teils sind die Gebäude schon aufwendig und mit viel Liebe saniert. Vor den Läden sind Parkplätze für den schnellen Kunden. Hier tritt sogar der einkaufende Radebeuler aus der Flaniermeile Hauptstraße heraus und gibt Geld aus.
Diese Oase inmitten der Verkehrsmagistrale ist in Gefahr. Neue Pläne liegen im Rathaus. Darin sind Varianten vorgestellt, wie ein weiterer Abschnitt der Meißner Straße saniert werden könnte. Die Varianten reichen von Bauen im Bestand der jetzigen Breite bis zum vierspurigen Ausbau mit viel Platz für Straßenbahn, Autospur, Radweg und üppigem Fußweg (siehe nebenstehende Grafik).
Einigen Stadträten gefällt dieser generöse Ausbau. Tilo Kempe (CDU, im neuen Stadtrat nicht vertreten) hat Sorge, dass immer mehr Autofahrer auf die Nebenstraßen oberhalb der Meißner Straße ausweichen, weil sie im Berufsverkehr nicht schnell genug vorankommen. Damit werde das Stadtbild beeinträchtigt, befürchtet er und befürwortet einen Ausbau der Meißner Straße, bei dem die Autofahrer auch die Straßenbahn überholen können.
Wolfgang Jacobi (CDU), bekennender Radfahrer – und gerade wieder in den Stadtrat gewählt –, hat die Sorge, dass auf der Meißner Straße alles komplett zum Stehen kommt, wenn mal ein Postauto oder ein Möbeltransport halten muss. Jacobi: „Die stellen sich dann auf den Bürgersteig und es trifft die Schwächsten im Verkehr – die Fußgänger und Radfahrer.“ Deshalb sei er dafür, die Meißner Straße breiter auszubauen.
Doch genau das würde die vier Häuser zwischen Jeans-Strauß und Blumenhaus Thomas treffen. Es sind die Hausnummern 86, 88, 90 und 94. Siegfried Strauß: „Das ist ja hier eine einmalige Lage. Zumal wenn bei Glasinvest die Einkaufsreihe, auch noch mit Parkplätzen, fortgesetzt würde. das reißt man doch nicht ab.“ Zweifel hat der Gewerbetreibende, ob dann jemand wirklich schneller auf der Meißner Straße vorankäme. Schließlich müssten die Autos mit einer Ampel beim jeweiligen Halt der Straßenbahn ohnehin bei Rot stoppen.
Katrin Köhler hat das am aufwendigsten sanierte Haus in der Viererreihe. „Die können uns doch nicht enteignen“, sagt sie in der ersten Aufregung. Seit 1956 wohnt ihre Familie hier. Zehn Arbeitsplätze hängen an dem Blumenladen. „Wir haben gerade erst alles durchsaniert und auch Kredite aufgenommen.“ Auch sie glaubt nicht daran, dass eine vierspurige Meißner Straße Vorteile bringt. Dann wird das Überqueren, vor allem für ältere Bürger, noch gefährlicher. Eine Katze schaffe es jetzt schon nicht mehr. „Ich hoffe, dass die Radebeuler Stadträte nicht nur mit dem Gasfuß entscheiden.“
Genauso denkt Lars Bellmann. „Keinesfalls würde ich verkaufen“, sagt er entschlossen. Er hat das Haus Meißner Straße 88 im Jahr 1999 gekauft. Viel Geld und Arbeit und vor allem Herzblut stecke in dem Gebäude – „das gebe ich nicht her“. Dass die Autos die Straßenbahn hier überholen könnten, nennt er eine utopische Vorstellung und verweist auf die Leipziger Straße in Dresden. Dort ist die Straße vierspurig. Aber die Abschnitte zwischen den Haltestellen sind zwar länger als in Radebeul auf der Meißner Straße, doch auch dort könnte die Straßenbahn nur mit unerlaubtem Tempo 80 km/h überholt werden.
Einzig Gisela Bormann würden die Stadtpläne kaum treffen. Sie möchte das mit ihrem Mann geführte Lederwarengeschäft in der Meißner Straße 90 zum Jahresende aus Altersgründen aufgeben.
In der Radebeuler Stadtverwaltung ist die Maximalvariante für den ab 2016 geplanten Ausbau der Meißner Straße zwischen Eduard-Bilz-Straße und Schillerstraße nicht die Vorzugsvariante – vor allem auch, weil sie die teuerste ist. Mauern an Grundstücken müssten auf einer Gesamtlänge von 460 Metern verändert werden. Etwa 3 100 Quadratmeter Land müsste die Stadt kaufen – wenn die Eigentümer darauf eingehen würden. 50 Bäume fielen der Säge zum Opfer und die genannten vier Häuser müssten abgerissen werden. Kosten würde das – geschätzt – nicht unter drei Millionen Euro.
Hinzu kommt, so sagen es die im Auftrag der Stadt arbeitenden Dresdner Planer, dass mit der Straßenbreite von 19 Metern eine noch deutlichere Trennung im Stadtgefüge entstehen würde, als sie heute schon vorhanden ist. Radebeuls Erster Bürgermeister Jörg Müller (parteilos), verantwortlich für Stadtentwicklung sagt: „Wir wollen diese Variante eigentlich nicht weiter verfolgen.“ Bestimmen werden es aber letztlich die Stadträte. Im Sommer sollen die Pläne im Rathaus ausgelegt werden.