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Vollsperrung am Knappensee – muss das sein?

Der See bei Hoyerswerda wird bis 2021 saniert. Deshalb wird am Montag der Sperrzaun geschlossen. Die SZ fragt, ob es auch anders gehen würde.

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Von Tilo Berger

Montag ist es soweit, dann wird wohl dicht gemacht am Knappensee bei Hoyerswerda. Der Bauzaun um den ehemaligen Tagebau wird geschlossen. Noch verbliebene Dauercamper müssen weichen. Nach dem Willen des Sächsischen Oberbergamtes in Freiberg und des Bergbausanierers LMBV soll der See in den kommenden Jahren umfassend saniert werden. Bis 2021 laufen die Arbeiten. 100 Millionen Euro fließen; 13 Millionen Euro gehen als Entschädigungen an etwa 200 betroffene See-Anrainer. Nicht alle von ihnen und nicht alle Lausitzer halten die Komplett-Sperrung und die Sanierung für nötig. Die SZ hat drei andere Szenarien für den See durchgespielt.

Warum nicht einfach

zuschütten?

Braucht’s eigentlich den Knappensee überhaupt noch? Es gibt doch jetzt in der Lausitz und speziell im Raum Hoyerswerda so viele Seen. Die Zeiten, dass der 1945 unkontrolliert geflutete Tagebau Werminghoff I fast der einzige Bade- und Wassersportsee in der Region war, sind doch längst vorbei. Also: Wasser ablassen und ein paar Lkw-Ladungen Erde in die Grube – fertig. Oder?

So einfach ist es eben nicht. Das beginnt schon mit „ein paar Ladungen“. Der Knappensee hat ein Volumen von 6,38 Millionen Kubikmetern. Um dieses Loch mit Erde aufzufüllen, müsste woanders eine neue Grube gegraben werden. Umgerechnet in einen Würfel heißt das: Die neue Grube wäre gut 185 Meter breit, lang und tief. Noch anders gerechnet: Um das Loch des leeren Knappensees zu füllen, müsste alle Erde herangekarrt werden, welche die Abraumförderbrücke im Vattenfall-Tagebau Nochten in zehneinhalb Tagen ohne jede Pause bewegen kann. Logistisch ein Unding. Die Erde in dem riesigen Loch müsste natürlich ebenso verdichtet werden wie der lockere Untergrund ringsum. Allein letzteres soll rund 100 Millionen Euro kosten, die würden dann nicht reichen. Abgesehen davon, hätte sich der Tourismus rund um den ehemaligen Knappensee natürlich für alle Zeiten erledigt.

Fazit: Kommt nicht in Frage.

Warum nicht einfach

alles so lassen, wie es ist?

Seit fast 70 Jahren gibt es den Knappensee nun, und nie ist was passiert. Wirklich nicht? Vor genau zehn Jahren sackte auf einmal ein ganzes Stück der Ortsverbindungsstraße zwischen Koblenz und Knappenrode weg. Grund war ein unterirdisches Setzungsfließen. Auf gut deutsch: Da rutschte Erde weg. Nicht auszudenken, wenn zu dieser Zeit auf der Straße vielleicht gerade ein Bus mit Schulkindern unterwegs gewesen wäre. Wie durch ein Wunder kam damals niemand zu Schaden. Was aber, wenn nicht die Straße, sondern eine der Siedlungen am See ins Rutschen gekommen wäre? Dann hätte es wohl Verletzte oder sogar Tote gegeben.

So etwas kann am Knappensee jederzeit passieren, sagen das Sächsische Oberbergamt und die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH (LMBV). Seit dem Unglück von Nachterstedt im Juli 2009 und der großen Rutschung im Lausitzer Seenland im Oktober 2010 sind Bergämter und LMBV sensibler und vorsichtiger geworden, was die Beurteilung ehemaliger Tagebaue betrifft. Ihr nicht zu widerlegendes Argument: Am Knappensee wurde zwar immer mal ein bisschen, aber nie gründlich saniert. Die Verantwortung für das, was da vielleicht mal passieren kann, will niemand tragen.

Fazit: Zu unsicher, zu riskant.

Warum nicht einfach

ein paar Badestrände offen lassen?

Diese Frage wird von Anwohnern und Campern immer wieder gestellt. Ihnen stößt sauer auf, dass der komplette See und alle Ufer für geschlagene acht Jahre wegen der Sanierung eingezäunt werden. Nur so seien die acht Jahre überhaupt machbar, argumentieren das Sächsische Oberbergamt und die LMBV. Sonst würde alles noch viel länger dauern. Doch die Knappensee-Fans lassen nicht locker: Wenn schon alle Bungalows abgerissen werden müssen, könnten dann nicht doch im Sommer ein paar hundert Meter Strand bleiben?

Abteilungsleiter Christof Voigt vom Oberbergamt räumte neulich bei einer Bürgerversammlung erstmals diese Möglichkeit ein, nachdem es bis dahin immer konsequent „Geht nicht“ geheißen hatte. Aber: Die Sicherheitsvorkehrungen für die Badenden und die Bauarbeiter würden jedes Jahr etwa eine halbe Million Euro verschlingen – wenig im Vergleich zu den rund 13 Millionen Euro, die als Entschädigungen an Camper und Co. fließen. Aber: Die halbe Million ließe sich nicht als Sanierungskosten abrechnen. Es müsste ein anderer Finanzierungsweg – vielleicht ein Sponsor – erst mal gesucht und dann auch gefunden werden. Sollte das klappen, würden sich Badende dann allerdings im Angesicht von Baugeräten erfrischen.

Fazit: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.