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Vom Witz und der nackten Wahrheit

Der Publizist Hellmuth Karasek erzählt, warum Lachen ein Ventil ist. Und wie der Name Bautzen für ihn seinen Schrecken verlor.

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Soll das ein Witz sein? – so heißt das neuste Buch des Publizisten und Journalisten Hellmuth Karasek. Ein kluges und witziges Werk. Ein Buch, in dem der große deutsche Literaturkritiker freimütig bekennt, dass er Witze liebt und es liebt, sie zu erzählen. Was Romanautoren auf Hunderten Seiten ausdrücken, sagt der 78-Jährige, das kann ein Witz bisweilen in wenigen Zeilen. Am 15.Juni kommt Hellmuth Karasek zu einer Lesung nach Bautzen. Vorab plauderte er mit SZ-Redakteurin Jana Ulbrich.

Erzählen Sie mir einen Witz, Herr Karasek?

Na klar, da fällt mir doch gleich dieser Strauß-Kahn-Witz ein, den habe ich vor Kurzem in Frankreich gehört. Witze sind ja auch Zeitzeugen. Also: Strauß-Kahn und der Papst sterben zur selben Zeit und kommen nun beide an die Kontrollstelle, die die Leute nach Himmel und Hölle sortiert. Es ist kurz vor Dienstschluss, es herrscht großes Gedränge, und es kommt zur Verwechslung: Strauß-Kahn wird in den Himmel geschickt, der Papst in die Hölle. Der Papst beschwert sich natürlich, das Versehen in der Kontrollstelle wird erkannt, und man entschuldigt sich. Am nächsten Morgen werden die beiden ausgetauscht. Als sie sich auf halbem Wege treffen, sagt der Papst zu Strauß-Kahn: „Ich freue mich jetzt so auf die Jungfrau Maria.“ Da sagt Strauß-Kahn: „Oh, zu spät.“

Oh, den muss ich heute Abend meinem Mann erzählen. Wenn ich ihn mir bis dahin merken kann...

Ach, Frauen sagen immer gerne, dass sie keine Witze erzählen und sich keine merken können.

Wirklich?

Ja, ich höre das immer wieder. Erst gestern hatte ich ein Interview mit einer Kollegin vom NDR-Fernsehen. Die hat das auch behauptet.

Warum, glauben Sie, sollte das so sein?

Nun ja, Witze sind ja dazu da, um schlimme, traurige, oder doppeldeutige Situationen aufzulösen. Ich denke mir, das haben Frauen vielleicht gar nicht so nötig.

Meinen Sie? Haben Männer mehr zu leiden? Die besten Witze, sagen Sie, gedeihen ja überhaupt in den schlimmsten Situationen.

Ja. Das stimmt. Da gibt es zum Beispiel viele Diktaturenwitze. Es ist wohl so, dass Lachen befreit und die Pointe eine traurige Wahrheit erträglicher macht. Da habe ich doch gleich ein Beispiel, einen Honecker-Witz. Also: Erich Honecker wacht am Morgen in Wandlitz auf, sieht die Sonne und sagt: „Guten Morgen, liebe Sonne.“ Und die Sonne antwortet: „Guten Morgen, lieber Erich, ich wünsche dir einen wunderschönen, schaffensreichen Tag.“ Am Mittag das Gleiche: „Guten Tag, liebe Sonne.“ „Guten Tag, lieber Erich, ich wünsche dir einen besonders erfolgreichen Tag.“ Am Abend dann: „Guten Abend, liebe Sonne.“ Und die Sonne sagt: „Jetzt kannste mich mal, Erich, jetzt bin ich im Westen.“ Kannten Sie den?

Den nun gerade nicht. Aber es gab bei uns zu DDR-Zeiten ja unzählige Honecker-Witze.

In unfreien Systemen gedeihen die besten und waghalsigsten Witze. Der ist auch gut: Willy Brandt sagt zu Walter Ulbricht: Ich sammle Witze, die die Leute über mich erzählen. Und Ulbricht: Und ich sammle die Leute, die die Witze über mich erzählen.

Ja genau, und die hat er dann nach Bautzen geschickt.

Bautzen. Das war für mich immer so ein Schreckensname. Bautzen und dieses Gefängnis. Mit Walter Kempowski habe ich viel darüber gesprochen. Er hat ja auch in Bautzen gesessen. Aber seit ich selber mal in der Stadt war, weiß ich natürlich, dass man Bautzen nicht auf diese Gefängnisse reduzieren darf.

Und hat Ihnen Bautzen gefallen?

Ja, sehr! Da habe ich übrigens zwei schöne Erfahrungen gemacht. Erstens, dass Bautzen eine sehr schöne Stadt ist – vor allem diese historische Altstadt ist toll – und zweitens gab es da ein Lokal, das hat meinen Namen getragen. Es hieß „Zum Räuberhauptmann Karasek“ oder so ähnlich.

Nach dem Räuberhauptmann wollte ich Sie gerade fragen.

Ja, bis zu diesem Besuch in Bautzen ist mir tatsächlich noch kein Räuberhauptmann dieses Namens untergekommen. Aber ich habe mich natürlich erkundigt. In einem Antiquariat habe ich ein schönes altes Buch über seine Lebensgeschichte gekauft. Sehr interessant. Er hat ja auch in Bautzen gesessen. Er war zum Tode verurteilt, aber er ist dann nicht hingerichtet worden. Begnadigt zu „Lebenslänglich“. Das war wohl auch nicht viel besser.

Haben Sie mal in Ihrer Ahnentafel geforscht? Sie stammen aus Mähren, unser Räuberhauptmann aus Prag – vielleicht sind Sie ja verwandt?

Das glaube ich nicht. So weit kann ich meinen Stammbaum allerdings nicht zurückverfolgen. Aber wissen Sie, der Name Karasek ist in Wien und in Böhmen und Mähren sehr geläufig. Das könnte man bei uns fast mit Müller vergleichen.

Das wäre ja ein zu schöner Witz: der große Literaturkritiker und der berühmte Räuberhauptmann.

Finden Sie? Da fällt mir ein Frosch-Witz ein, den ich sehr liebe: Ein Mann kommt mit einer Kröte auf dem Kopf zum Arzt. Sagt der Arzt: „Was haben Sie denn da?“ Antwortet die Kröte: „Den hab ich mir eingetreten.“

Womit wir nun beim Kern wären: Der Witz und das Lachen als Ventil in Drucksituationen.

Genau. So ist das mit dem Witz. Egal, ob in Diktaturen, bei Handicaps, im Alter oder in der Mann-Frau-Beziehung. In dieser „Traurig-aber-wahr-Kategorie“ übrigens könne auch die Geschichte stehen: Treffen sich zwei Freunde auf dem Tennisplatz. Fragt der eine den anderen erstaunt: „Sag mal, seit wann trägst du denn einen BH?“ Da antwortet der andere: „Seit meine Frau ihn im Handschuhfach gefunden hat.“ Der hat doch so was herrlich Unausgesprochenes. Finden Sie nicht auch?

Helmuth Karasek liest am 15. Juni, 19.30 Uhr, im Deutsch-Sorbischen Volkstheater in Bautzen. Karten gibt es im Vorverkauf im SZ-Treffpunkt Bautzen, Lauengraben 18, an der Theaterkasse und unter www.theater-bautzen.de

Hellmuth Karasek: Soll das ein Witz sein? Quadriga Verlag. 380 Seiten, 16,99Euro