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Von beschwipsten Kräutern und Wurzeln

In der Kräuterlikörfabrik in Altenberg werden nach alter Tradition Spirituosen hergestellt. Jetzt gibt’s Grund zum Feiern.

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© Karl-Ludwirg Oberthür

Von Mandy Schaks

Altenberg. Die kleinen Brocken auf dem Handteller sehen aus wie Holzschnitzel. Im Mund fühlen sich die Stückchen lederartig an und schmecken nach gar nichts. Kommt da noch was? Weiter kauen und kauen … Allmählich wird daraus so etwas wie Kaugummi. Nur erschrickt sich plötzlich die Zunge und will den immer herber werdenden Geschmack schnellstens loswerden. „Das sind die Bitterstoffe, die wir gewinnen“, erklärt Christine Baeseler und lacht. „Die brauchen wir für den Geschmack.“

Der Weg des Schnapses

Aus Kräutern und Wurzeln werden Essenzen gewonnen, hier Proben.
Aus Kräutern und Wurzeln werden Essenzen gewonnen, hier Proben.
Herzstück: die Perkolatoren, die wie umgestülpte Zipfelmützen aussehen.
Herzstück: die Perkolatoren, die wie umgestülpte Zipfelmützen aussehen.
Die Tankpistole bekommt bei Petra Kall-Moses (li) und Christine Baeseler eine völlig neue Bedeutung.
Die Tankpistole bekommt bei Petra Kall-Moses (li) und Christine Baeseler eine völlig neue Bedeutung.
Die Flaschenabfüllung erfolgt heute mit einem sogenannten Niveau-Füller.
Die Flaschenabfüllung erfolgt heute mit einem sogenannten Niveau-Füller.
Früher wurden die Flaschen zugekorkt mit einer Maschine Marke Eigenbau.
Früher wurden die Flaschen zugekorkt mit einer Maschine Marke Eigenbau.
Führungen durch die Firma sind inzwischen ein weiteres Standbein.
Führungen durch die Firma sind inzwischen ein weiteres Standbein.

Genau wie die Gerbstoffe, um zum Beispiel aus einer getrockneten und gerissenen Kalmuswurzel, die auf den ersten Blick aussieht wie ein Holzschnitzel, etwas Schöngeistiges zu machen. „Edle Spirituosen“, sagt die Chefin und schaut dabei die Reporterin mit erhobenem Zeigefinger an. Denn die Geschäftsführerin der Altenberger Kräuterlikörfabrik legt Wert darauf, dass auch nach 175 Jahren die Spirituosen aufwendig von Hand im Hause Altenberger hergestellt werden.

Dazu braucht es natürlich mehr als nur eine Kalmuswurzel. Allein einer der Klassiker, der 35-prozentige Gebirgsbitter, besteht aus 33 verschiedenen Kräutern, Blüten, Beeren und Wurzeln. Und im Sortiment sind zehn verschiedene Produkte. Um den Geschmack aus dem, was die Natur so wachsen lässt, herauszukitzeln, sind Alkohol, Zucker und Wasser nötig – und jede Menge Geduld und Liebe. Jedes Kräutlein für sich taucht erst einmal im Reifekeller im Perkolator ab und nimmt ein mehrwöchiges Bad im Alkohol. „Man darf nicht gierig sein“, sagt Petra Kall-Moses, seit 2006 die rechte Hand der Firmenchefin. „Das braucht Ruhe.“ Sind die Kräuter beschwipst genug, kommt die große Stunde von Frau Baeseler. Sie geht zum Tresor und holt die überlieferte Rezeptur heraus, um aus den gewonnenen Essenzen den jeweiligen Grundstoff herzustellen. Der kommt dann in einen Riesenbehälter, wird einmal gründlich gerührt, „dann noch einmal gestreichelt“, wie Frau Baeseler augenzwinkernd erzählt, „und dann ist gut“. Zumindest ungefähr für die nächsten sechs Monate. So lange muss die Mischung reifen, bis sie noch einmal verfeinert wird. „Und da ist auch ein bisschen Mathematik am Werke“, erklärt Petra Kall-Moses. Denn Alkoholgehalt und später auch die Füllmenge in den Flaschen müssen genau übereinstimmen mit dem, was auf dem Etikett steht. Sonst drohen empfindliche finanzielle Strafen. Darüber wache das Eichamt.

Von der Spirituosenherstellung allein könnte das Unternehmen, in dem insgesamt sechs Leute beschäftigt sind, heute wahrscheinlich nicht mehr existieren. Der Absatz sei generell zurückgegangen – europaweit, auch weil die Menschen gesundheitsbewusster geworden sind, nennt Petra Kall-Moses einen Grund. Auch deshalb hat sich die Firma breiter aufgestellt, wurde das Ladengeschäft zu einem Spezialitätenhaus für Genuss und schönes Wohnen ausgebaut und ein Online-Handel aufgebaut. Doch jetzt wird erst mal Jubiläum gefeiert: mit einem Holunderhopfenkräuterlikör als Sonderedition.

Jubiläumsfeier, 22. Juli, ab 14 Uhr u. a. mit Spielmannszug, Laser-Biathlonschießen, Spielmobil, 16.30 Uhr Festumzug mit Vereinen, 17 Uhr Müglitztal-Musikanten, gastronomische Betreuung.