Von der ungeheuren Lust am Malen

Weinböhla. Dass er sich wohl am liebsten gleich wieder in sein Zimmer setzen und losmalen würde – der Blick von Hans Obenaus lässt wenig Zweifel daran. Hier in seinem Refugium auf der Köhlerstraße entstehen sie, die Aquarelle, Ölbilder, Federzeichnungen. In seinem Atelier mitten in der Wohnung. Dunkle Holzdecke, viele Geweihe, Stand- und Wanduhren, ein alter Holzschrank mit beeindruckenden Schnitzereien, rechtzeitig vorm Vernichten bewahrt.
Beim Malen leisten ihm aber auch frühere Werke Gesellschaft. Und die Musik, Oldies aus den 50er- und 60er-Jahren, Klassik – Puccini, Jacques Offenbach –, Karat, die Puhdys. Hans Obenaus legt eine CD ein. A wonderful World. Eine wundervolle Welt muss es sein, in die der Weinböhlaer beim Arbeiten gerät. Wenn er diese überdurchschnittliche Lust zum Malen verspürt, wie er sagt. Wenn die Verbindung zum Motiv so stark ist, dass er gar nicht anders kann, als zu Pinsel und Farbe zu greifen. Wobei nicht jede Farbe dafür infrage kommt. Russenfarben müssen es sein. White night, die Weißen Nächte aus St. Petersburg, darauf schwört der 73-Jährige.
Und natürlich auf das richtige Motiv. Gemeinsam mit seiner Frau Angelika – im Januar war 40. Hochzeitstag – geht es vier- bis fünfmal im Jahr auf die Suche. Mit Fotoapparat und Skizzenblock. Am liebsten in der näheren Umgebung. Meißen, Käbschütztal, Niederau, Moritzburg, Dresden. Auf seinen Bildern finden sich Sehenswürdigkeiten wie die Albrechtsburg, immer wieder neu entdeckt – dafür sorgen nicht nur die Jahreszeiten. Aber auch stille, eher unbekannte Ecken finden sich, so im Elb- und im Triebischtal, die spürbare Stimmungen vermitteln von milden Wintertagen oder warmen Sommerstunden.
So manches Werk fand seinen Platz in der Wohnung. Ein dörfliches Thema hat es dem Weinböhlaer besonders angetan. Gemalt vor Jahren nach einer Postkarte von um 1800. Ein Gehöft am Niederrhein. Mit Wurstfetthimmel – bewölkt –, dem Schatten von Uferbäumen, friedlicher Ausstrahlung. Hans Obenaus spricht von einer gewissen Liederlichkeit im Bild. Würde da ein Zaun mit exakt gesetzten Latten stehen – die Stimmung wäre glatt dahin.
Und so kann der gebürtige Radebeuler, der schon sehr jung mit der Familie Richtung Weinböhla zog, zu jedem Werk etwas erzählen. Immerhin hat er schon mit fünf Jahren gemalt. Der Wunsch, auf diese Weise etwas festzuhalten, begleitet ihn seitdem ständig. In der Schule, während der Gärtnerlehre, bei der Armee, als Verkehrspolizist und auch in der Coswiger Tapetenfabrik, wo er bis zur Wende tätig war.
Den Berufswunsch als Sport- und Zeichenlehrer verhinderte die Gelbsucht. Was die Krankheit nicht ändern konnte: Das Streben nach immer mehr Wissen und Können in seinem Lieblingsmetier, so auch durch den Weinböhlaer Maler und Grafiker Manfred Beyer und den Radebeuler Maler Karl Kröner.
Inzwischen gibt nun auch Hans Obenaus seine Erfahrungen weiter, unterrichtet an der Malerei Interessierte. In gewissem Sinne sind Malen und Zeichnen erlernbar, sagt er. Allerdings hat er festgestellt, dass es Menschen gibt, die herrlich malen können und es selbst gar nicht wissen. Lernen bleibt trotzdem stets angesagt, zu Tricks beim Farbmischen beispielsweise, über die Perspektive auf dem Bild, wofür Ausrechnen und -messen nötig sind. Und für die Erkenntnis, dass das Licht draußen im Freien oft zu grell ist, die Farbe zu hart wirkt. Deshalb malt Hans Obenaus dort, wo die Bilder später hängen: in der Wohnung.
Auch das Bild für Schauspieler Gojko Mitic. Den hat das Ehepaar kennengelernt, als Angelika Obenaus als Kleindarstellerin im Landesbühnen-Stück „In Gottes eigenem Land“ auftrat, wo der Film- und Fernsehstar mitwirkte. Ihm haben sie als Erinnerung die gemalte Villa Bärenfett des Karl-Max-Museums überreicht, zur großen Freude des Schauspielers, wie die Weinböhlaerin erzählt.
Die studierte Kulturfrau unterstützt ihren Mann, kümmert sich um das Organisatorische – unter anderem bei der aktuellen Ausstellung im Weinböhlaer Rathaus –, übernimmt alle Arbeiten am Computer, so das Gestalten von Kalendern mit den Bildern ihres Mannes. Auch beim nächsten Projekt, da planen sie einen historischen Kalender von Weinböhla, waren dafür bereits mit der Kamera auf Motivjagd, haben sich historische Aufnahmen angesehen. Vielleicht erscheint im Kalender auch der Bahnhof des Ortes noch mal in voller Pracht. Darauf freut sich der Maler schon.