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Von rechts der Schlamm, von links das Wasser

Oderwitz ist am Sonntag buchstäblich von Naturgewalten überfallen worden. Evakuierungen waren nötig.

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Von Anja Beutler

Welches Drama sich am Sonntagnachmittag an seinem Haus abspielte, muss Volkmar Surek erst noch verdauen. Seine Familie wohnt dort, wo sich Schmiedegasse und Dorfstraße in Oderwitz treffen. Und am Sonntagnachmittag kreuzten sich hier auch die Fluten des Landwassers mit den schlammigen Lawinen aus Richtung Spitzberg und Kottmar. So hoch wie noch nie in den vergangenen Jahren.

Während die Männer der Familie und die vielen Helfer aus der Nachbarschaft vor dem Haus gegen die Fluten kämpften und retten wollten, was zu retten war, dachte niemand mehr daran, die Bewohner rechtzeitig in Sicherheit zu bringen. „Die Feuerwehr hat meine Schwiegermutter huckepack aus dem Haus getragen, sie wollte eigentlich nicht weg“, erzählt Volkmar Surek und man merkt, dass ihn die Erinnerung erschüttert. Seiner Schwiegermutter ist nichts passiert, sie greift inzwischen zum Wischhader, um im Erdgeschoss, das eher einem abgelassenen Schwimmbassin gleicht, reine zu machen. Doch, wenn sie an den Sonntag denkt, versagt ihr die Stimme. Nein, in die Zeitung will sie nicht.

Dass sich die Lage in Oderwitz am Sonntag binnen einer halben Stunde so zuspitzte, hatte niemand geahnt. Vier Personen mussten die eiligst herbeigeeilten Kräfte aus ihren Häusern evakuieren. „Zwei Personen haben wir auf den Rücken genommen, in einem Fall mussten wir den Unimog einsetzen, weil die Strömung zu stark war. Eine Frau ist von der DLRG mit einem Schlauchboot in Sicherheit gebracht worden“, sagt Feuerwehreinsatzleiter Alexander Pollier. Die Erschöpfung ist ihm anzusehen. Viel geschlafen haben alle nicht.

Pollier ist froh, dass nicht auch noch im Oberdorf an der Dorfstraße Evakuierungen nötig waren. Hier drohte ein Hang abzurutschen, so dass fraglich war, ob die Bewohner in den Häusern bleiben konnten. Wie sicher der Hang ist, wird auch jetzt noch geprüft. Indes steht fest: Dieses Gewitter mit Hagel und Starkregen hat den Ort in Teilen weitaus stärker getroffen als das Hochwasser 2010. Der Pegel des Landwassers schnellte von 13 auf 14 Uhr zunächst von 29 auf 61 Zentimeter und stieg bis 15.30 Uhr bis auf den Spitzenwert von 2,15 Meter an – Alarmstufe vier.

Allein das hätte für die Wehren genügend Beschäftigung geboten, es kamen aber noch die Schlammmassen aus Richtung Spitzkunnersdorf und Kottmar dazu. Die Feuerwehr kämpfte gestern Nachmittag noch immer gegen die Erde auf der B 96 und in den Grundstücken: In der Praxis von Dr. Roger Vogt hat der Schlamm die Stromversorgung lahmgelegt, der Hof von Elektromeister Christian Hubrig vis-à-vis musste von einer Erdschicht befreit werden.

Dergleichen gibt es Beispiele ohne Ende. „Wir haben noch keine Übersicht, wie hoch der Schaden sein wird“, sagt Bürgermeisterin Adelheid Engel (parteilos). Gestern waren die Mitarbeiter zu ersten Schadensaufnahmen im Ort unterwegs. Am Landwasser lässt sich wegen des noch recht hohen Wasserstands gar nicht sagen, ob es direkt am Gewässer größere Probleme gibt. Dennoch schätzen Bürgermeisterin und Feuerwehrchef schon jetzt ein, dass dieses Unwetter schlimmer war als 2010, weil die Wucht des Wassers weitaus größer und die Pegelstände höher waren. Die Pegelstände waren vor allem in Niederoderwitz das Hauptproblem: Andrea und Frank Pfennigwerth in der Rosa-Luxemberg-Straße harrten unruhig in ihrem Haus aus, bis sich die Wassermassen verzogen hatten und fotografierten den reißenden Strom Landwasser. Sie selbst hatten nach der Flut 2010 am Haus in mehr Schutz investiert, was sich ausgezahlt hat, sagen sie. Was gute Freunde wert sind erlebte Dachdecker Holger Scheibe, der mit 25 Händepaaren schnell Maschinen und Materialien retten konnte. Noch mal von vorn anfangen muss dagegen seine Nachbarin: Die über 80-Jährige war mit dem Schlauchboot aus dem Haus gebracht worden und wohnt zurzeit im Seniorenheim – in ihrem Erdgeschoss ist nicht viel trocken geblieben.

Auf ein Wort, Seite 13