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Vor der Front geflüchtet

Hans Herbert Schnabel begann im Jahr 1944 eine Lehre bei der Reichsbahn. Der Absturz eines Bombers in Leisnig prägte ihn.

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© Lutz Weidler

Von Doreen Hotzan

Fast 50 Jahre lang ist Hans Herbert Schnabel Eisenbahner bei der Deutschen Reichsbahn gewesen. Seine Erinnerungen an sein Berufsleben hat der gebürtige Schlesier aufgeschrieben.

Später arbeitete er als Lehrausbilder und durfte Züge der Deutschen Reichsbahn in der zweiten Klasse kostenlos nutzen. Das belegt eine entsprechende Fahrkarte.
Später arbeitete er als Lehrausbilder und durfte Züge der Deutschen Reichsbahn in der zweiten Klasse kostenlos nutzen. Das belegt eine entsprechende Fahrkarte.

Noch als Jugendlicher beginnt er seine Lehre als Reichsbahn-Betriebs-Junghelfer am 1. April 1944 in Mallwitz. Am 10. Februar 1945 muss Hans Herbert Schnabel mit seiner Familie aus dem schlesischen Sagan am Bober vor der nahen Front fliehen, wo sie in einer Wehrmachtskaserne gewohnt haben. „Wir sind dann mit den Fahrrädern nach Goldentraum zehn Kilometer vom Isergebirge und am 13. Februar mit dem Fuhrwerk meines Großvaters und dem gesamten Treck Richtung Ebersbach. Nachts hörten wir ein Dröhnen und Wummern. Wir wussten aber nicht, dass es sich um den Bombenangriff auf Dresden handelte. Nach 14 Tagen bin ich dann mit meiner Mutter mit der Eisenbahn nach Leisnig gefahren“, schreibt er in seinen Aufzeichnungen. Nach der Ankunft meldet sich Hans Herbert Schnabel sofort beim dortigen Bahnhofsvorsteher und setzt seine Lehre als Junghelfer fort.

Er arbeitet in den folgenden Jahren unter anderem in den Bahnhöfen Leisnig, Klosterbuch, Tanndorf und Döbeln. Während seiner Zeit in Leisnig ist ihm ein Erlebnis wenige Wochen vor Kriegsende besonders gut im Gedächtnis geblieben. „An einem Apriltag war Fliegeralarm und ich als überheblicher und neugieriger Jugendlicher bin nicht in den Luftschutzkeller gegangen“, schildert Hans Herbert Schnabel. Plötzlich habe er gesehen, wie ein B 47-Bomber in der Nähe der Einertbrücke aufschlug. „Ich war der Erste an der Absturzstelle. Der Bomber kam leer vom Einsatz aus Dresden zurück. Nur noch Silberstreifen lagen herum. Daneben die aus dem Flugzeug geschleuderte Besatzung. Die sehr jungen Männer lagen da mit offenen Augen, abgerissenen Armen oder Beinen; ein für mich schockierender Anblick und das circa drei Wochen vor Kriegsende.“

Es war das erste Mal, dass er als Hitlerjunge Mitleid mit dem „Feind“ gehabt habe, schreibt der ehemalige Reichsbahnrat a.D. in seinen Aufzeichnungen und ergänzt: „Ein Nazi war ich ohnehin nicht. Ich habe in Sagan in der Kaserne vor allem den Russen zu essen gegeben (Kartoffeln, Möhren usw.), die ihnen manchmal von einem jungen Leutnant wieder aus dem Ärmel geklopft wurden.“

Rückkehr nicht gelungen

Hans Herbert Schnabel vermutet, dass das Flugzeug wahrscheinlich von einem deutschen Jäger gerammt wurde, „weil der Schwanz extra herabtrudelte.“ Das Heck ist in Paudritzsch neben einem Haus direkt am Waldrand in Richtung Wendishain in den Garten gefallen, so Hans Herbert Schnabel. Seine Familie sei nach dem vergeblichen Versuch, im Jahr 1945 in die Heimat zurückzukehren, in dieses Bauernhaus gezogen. „Meine Eltern haben auf dem Rittergut hart gearbeitet; bis etwa 1953. So lange lag auch das Heck der B 47 dort. Es rostete nicht“, schildert der gebürtige Schlesier.