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Vorzeige-Genossenschaft mit neuem Chef

Bernd Stieler beerbt Bernd Mennicke. Der Vorgänger will in seinem Ruhestand unter anderem tauchen gehen.

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© Matthias Weber

Von Mario Heinke

Zittau. Bernd Mennicke hat seinen Schreibtisch in der Wohnungsgenossenschaft Zittau in der Schillerstraße schon seinem Nachfolger Bernd Stieler überlassen, weil er Ende des Monats in den Ruhestand geht. Mennicke als Vorstand für die technischen Angelegenheiten verantwortlich, verlässt nach 27 Jahren die Genossenschaft, die mit 2 995 Wohnungen, 700 Garagen, zehn Spielplätzen und fünf Gästewohnungen der größte Vermieter im Südkreis ist. Bernd Mennicke leitet den Generationswechsel in der Doppelführungsspitze der Genossenschaft ein, denn auch Vorstandsvorsitzender Frank Sefrin, der für die Gesamtverantwortung zeichnet, geht zum Jahresende in Rente.

1990 kam der Bauingenieur Mennicke vom abgewickelten Textilkombinat Zittau zur Wohnungsgenossenschaft, die damals noch unter dem Kürzel „AWG“ bekannt war. Bereits ein Jahr später erfolgte die Berufung in den Vorstand. In den ersten Jahren nach der politischen Wende sah sich die Genossenschaft einem großen Investitionsstau gegenüber. Plötzlich gab es zwar alles, aber das Geld reichte hinten und vorne nicht, erinnert sich der Zittauer. Es galt undichte Dächer, alte Fenster und Heizungsanlagen in den Häusern zu erneuern, möglichst überall gleichzeitig. Um diese Aufgabe zu bewältigen, griffen die Genossenschaftler tief in die Tasche. Auf die 26 Millionen Euro Verbindlichkeiten aus DDR-Altkrediten packten sie noch 32 Millionen Euro drauf. Inzwischen ist der gesamte Wohnungsbestand einmal durchsaniert und seit 2001 investiert die Genossenschaft nur noch Eigenmittel. Die Verbindlichkeiten konnten von 60 Millionen auf 13,2 Millionen Euro zurückgefahren werden. Damit liegen die Zittauer unter dem sächsischen Durchschnitt, das bestätigen auch die jährlichen Prüfungen der Deutschen Bundesbank. Die Mieter, die gleichzeitig Genossenschaftsmitglieder sind, leben offensichtlich gern in den Wohnungen der Genossenschaft, zu deren Bestand auch Plattenbauten gehören. Das zeigen die geringe Fluktuation und vor allem die niedrige Leerstandsquote von 11,3 Prozent.

Grund für die erfolgreiche Bilanz am Ende des Arbeitslebens sei die sehr gute Zusammenarbeit mit Vorstand Frank Sefrin. „Wir haben einander vertraut“, sagt Mennicke und fügt hinzu: „Und stehen zu den getroffenen Entscheidungen.“ Ein Handschlag des Zittauers galt bei der Zusammenarbeit mit Handwerkern und Baufirmen als verbindlich, auftretende Probleme klärte der Auftraggeber vor Ort im persönlichen Gespräch. So habe es in seiner Amtszeit keine einzige gerichtliche Auseinandersetzung mit Baufirmen oder Handwerksbetrieben gegeben, sagt Mennicke. Er hinterlässt seinem Nachfolger ein, wie es heutzutage im Businessdeutsch heißt, „gut aufgestelltes Unternehmen.“ Arbeit gibt es trotzdem genug, derzeit wird in 40 Wohnungen gleichzeitig gebaut und modernisiert. Eine gute Ausstattung zu einem guten Preis, so lautet das Ziel der Genossenschaft. Das entspricht dem Genossenschaftsgedanken, der von den Grundsätzen der Selbsthilfe, der Selbstverantwortung und der Selbstverwaltung getragen ist. So können die Mieter, die zugleich Anteile halten, im Rahmen der Vertreterversammlung mitentscheiden oder auch mitwirken. Wer beispielsweise in eine Zwei-Raum-Wohnung einziehen möchte, zahlt einmalig sechs Anteile, das sind rund 930 Euro, als Einlage und wird Genossenschaftsmitglied. Danach sind, wie anderswo auch, Miete und Nebenkosten zu zahlen. Beim Auszug wird die Einlage erstattet. Das Modell ist bewährt, bereits um 1900 ist die erste Wohnungsgenossenschaft in Zittau entstanden. Nicht Gewinn und Rendite für Investoren sind das Ziel der Genossenschaft, sondern bezahlbarer Wohnraum für die Mitglieder. Sozial schwache Mietinteressenten können sich die Einlage von der örtlichen Sparkasse finanzieren lassen.

Bernd Mennicke wohnt mit seiner Frau selbst in einer Genossenschaftswohnung und hat für das bevorstehende Rentnerdasein einen Plan. „Ich werde den Tauchsport aktivieren, an meiner Eisenbahnplatte bauen (Spur H0), unseren Garten pflegen und meiner Frau im Haushalt helfen“, sagt er und lacht.

Sein Nachfolger hat nicht nur den gleichen Vornamen, sondern auch dieselben Studiengänge belegt. Bernd Stieler studierte zunächst Hochbau, absolvierte ein Aufbaustudium zum Fachingenieur für Rekonstruktion und Erhaltung. Von 1990 bis 2016 war er im Bauplanungsbüro AIZ in Zittau tätig und ist vielen Sportlern als Vorsitzender der Sektion Zittau des Deutschen Alpenvereins bekannt. Der 52-Jährige ist begeisterter Sportler und wird am 3. Juli offiziell die Arbeit als Vorstandsmitglied Technik aufnehmen, nachdem er sich seit Jahresanfang in die neue Tätigkeit eingearbeitet hat, in den letzten Tagen an Mennickes Schreibtisch.