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Warum Altenberg Gäste fehlen

Ein Vergleich mit Oberwiesenthal zeigt, wo die Defizite liegen. Und wo die Chancen für eine Verbesserung.

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© Egbert Kamprath

Von Mandy Schaks

Das Jo-Jo-Wetter legt sich vielen Osterzgebirglern aufs Gemüt. Wie soll es dann erst Urlaubern gehen? „Das Wetter ist schon eine Herausforderung“, sagt Ines Schubert, Direktorin vom Ahorn Waldhotel in Schellerhau. Im größten Urlaubsdomizil im oberen Osterzgebirge (222 Zimmer) sind jetzt in der Ferienzeit jeden Tag um die 140 Kinder mit ihren Eltern oder Großeltern zu Gast. „Wir müssen sehr flexibel sein.“ Ob Sonne oder Regen, ob die Temperaturen steigen oder fallen – „die Gäste wollen trotzdem ihr Erlebnis haben“.

Das können die Touristiker im Osterzgebirge dieses Jahr eher bieten als 2016 – auch dank des Wetters. So erwischten diesmal Hoteliers und Gastronomen einen guten Start. „Der Januar war gigantisch“, freut sich Hotel-Chefin Ines Schubert. „So eine Belegung hatten wir noch nie.“ Das spiegelt sich auch in den Zahlen des Statistischen Landesamtes wider.

Nachdem die Tourismushochburg Altenberg im Vorjahr nicht von der steigenden Beliebtheit des Erzgebirges bei Gästen profitieren konnte und sogar schwächer war als 2015, hat die Region im ersten Drittel dieses Jahres deutlich zugelegt. Von Januar bis April verzeichnete das Tourismusgebiet Altenberg mit Dippoldiswalde, Glashütte, Hartmannsdorf-Reichenau, Hermsdorf, Klingenberg und Rabenau 8,9 Prozent mehr Gäste und Übernachtungen. Nur: Andere können das auch – und sogar langfristig besser. Das zeigt ein Vergleich zwischen Altenberg und Oberwiesenthal. Da werden große Unterschiede deutlich, die erklären, warum sich Hoteliers und Gastronomen im oberen Osterzgebirge Sorgen machen, den Anschluss zu verpassen.

Unterschied I: Oberwiesenthal legt zweistellig zu, Altenberg rutscht ab

Während sich Altenberg im vergangenen Jahr gegenüber 2015 rückwärts entwickelte, drehte Oberwiesenthal richtig auf. Die Tourismusbranche gewann über 19 Prozent Gäste dazu. Das machte sich dann auch in der Zahl der Übernachtungen bemerkbar. Dort stand unterm Strich ein Plus von 6,3 Prozent. Altenberg hingegen blieb im Minus hängen. Und das würde noch deutlicher ausfallen, wenn in die Statistik nicht auch Reha-Einrichtungen wie das Raupennest in Altenberg einfließen würden. Der Altenberger Bürgermeister Thomas Kirsten (Freie Wähler) sieht eine Ursache für den Rückgang in der Verkehrsanbindung. Was für Einheimische und Touristen im oberen Osterzgebirge mit dem Autobahnanschluss zur A17 ein Segen ist, könnte für Gastgeber auch ein Nachteil sein. Ausflügler von Dresden brauchen weniger als eine Stunde, um wieder daheim zu sein. Die Erreichbarkeit von Oberwiesenthal hingegen ist schwieriger. „Die dahin fahren, bleiben dann auch eher übers Wochenende“, vermutet Kirsten. Er erinnert sich, dass nach dem Hochwasser 2002 die Branche mit Sonderangeboten wie kostenlosem Skilifttag oder Gratis-Getränk versuchte, Gäste übers Wochenende zu locken. „Vielleicht müssen wir wieder auch in solche Richtungen denken.“

Unterschied II: Altenberg verliert Gästebetten

Die Zahl der Betten in der Urlaubsregion Altenberg ist nach Einschätzung von Veronika Hiebl stark rückläufig. Als Geschäftsführerin des Tourismusverbandes Erzgebirge hat keiner einen so guten Überblick wie sie. In der Auswertung des Statistischen Landesamtes werden nur Beherbergungseinrichtungen berücksichtigt, die mindestens zehn Gästebetten anbieten. Wenn ein Haus schließt, macht sich das bemerkbar. Und der Rückgang in Altenberg ist keine einmalige Schwankung. Frau Hiebl hat zurückgeblättert. Demnach verlor Altenberg zwischen 2014 und 2016 etwa 150 Gästebetten. „Und Oberwiesenthal hat in dem gleichen Zeitraum rund 250 Betten dazubekommen“, sagt sie. Das sei ein ganz wichtiger Faktor, der über Zuwachs oder Verlust entscheidet.

Unterschied III: Oberwiesenthal kann auch ohne Schnee punkten

Dem Mitbewerber am Fuße des Fichtelberges gelingt es nicht nur besser, vom Schnee zu profitieren. Zwar konnten diesen Januar auch die Osterzgebirgler endlich mal wieder in die Hände klatschen. Nach drei Jahren in Folge mit Winterflaute zeigte sich Petrus gnädig. Das schlug sich spürbar in den Bilanzen nieder. Den Altenberger Vermietern bescheinigt die Tourismus-Chefin satte Zuwächse im Vergleich zum Januar 2016, bei Gästen um 16 Prozent und bei Übernachtungen um 24 Prozent. Und wie sah es in Oberwiesenthal aus? – Ein ganzes Stück besser. Hier lag das Plus bei 27 bzw. 30 Prozent. Doch die Oberwiesenthaler kommen offenbar auch besser in der wärmeren Jahreszeit zurecht. Nach Einschätzung von Veronika Hiebl gelingt es, durchgängig von Mai bis Dezember attraktiv für Gäste zu sein. „Hier greift die Sommerstrategie“, sagt sie. Einzelne Unternehmen hätten stark investiert und völlig neue Angebote entwickelt. Als Beispiel nennt sie einen Wellness- und Spa-Bereich, ein einzigartiges Konzept, speziell für Familien bis hin zur Kindersauna. Auch profitierten mehrere Hotels von der deutschlandweit einmaligen Mountainbikestrecke Stoneman Miriquidi, ein 162 Kilometer langer Rundkurs, der von und nach Oberwiesenthal führt. „Wir hoffen, dass wir die Straßenvariante auch noch hinbekommen und so Altenberg zum Knotenpunkt ausbauen können“, sagt Veronika Hiebl.

Fazit: Altenberg muss Gas geben, um mithalten zu können

In Altenberg gibt es etliche engagierte Hoteliers und Gastronomen sowie Betreiber von Freizeiteinrichtungen. Aber das wird auf Dauer nicht reichen, immer attraktiv für Gäste zu sein. Deren Ansprüche steigen, der Wettbewerb unter den Mittelgebirgen ist hart.

Für die Masse sind frische Luft und schöne Natur zu wenig. Von den Jugendlichen bis zu den Senioren wollen alle Altersgruppen etwas erleben, auch mal abends schön essen gehen. Jedes Haus, das schließt, bricht einen Mosaikstein aus der Gesamtstruktur. Das macht einen schlechten Eindruck und schmälert das Angebot. Für die Einrichtungen Nachfolger und Investoren zu finden, hängt wieder davon ab, wie attraktiv die Region ist. Nun gibt es nach 15 Jahren wieder ein Highlight: die Weißeritztalbahn, die seit Juni bis Kipsdorf fährt. Die Touristiker müssen diese Gäste aber auch mit ihren Angeboten abholen. Sonst bleiben sie im Zug sitzen und fahren zurück. Sollte ein Wanderbus eingesetzt werden? Wird es im Winter wieder einen Skibus geben? Das sind nur einige Fragen, die dringend eine Antwort brauchen.