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Warum der Sachsendreier so beliebt bei Fälschern ist

Am 29. Juni 1850 gibt das Königreich Sachsen seine erste Briefmarke heraus. Die als "Sachsendreier" bekannte Marke ist ein Kultobjekt.

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Der "Sachsendreier" steht bei Sammlern und Fälschern hoch im Kurs.
Der "Sachsendreier" steht bei Sammlern und Fälschern hoch im Kurs. © Matthias Rietschel/dpa

Von Martin Kloth

Dresden/Chemnitz. Arnold Vaatz traute seinen Augen nicht. Ein Sammler hatte dem Briefmarken-Experten zur Begutachtung eine "Sachsendreier" geschickt - allerdings nur als Ausschnitt aus einem Auktionskatalog. "Es gibt die hanebüchensten Fälschungen", sagt der Fachmann für das Sammelgebiet Königreich Sachsen. Die Marke "Sachsen 3 Pfennig rot", die am 29. Juni vor 170 Jahren herausgegeben und unter dem Namen "Sachsendreier" berühmt wurde, steht nicht nur bei Sammlern hoch im Kurs - sie gilt auch als beliebtes Objekt für Briefmarkenfälscher.

Der Grund dafür, dass die Marke beliebtes Fälschungsobjekt wurde, ist nach Ansicht von Vaatz, dass die "Sachsendreier" ein "Prestigeobjekt" ist und von vielen als das Erstrebenswerteste eines ganzen Sammlerlebens betrachtet wird. Auf die Beliebtheit bei Fälschern ging auch schon Georg Bühler in seinem 1978 erschienen Standwerk mit dem schlichten Titel "Sachsen 3 Pfennig rot" ein. Damals urteilte er: "In der gesamten Philatelie ist keine Briefmarke bekannt, die nahezu vom Beginn ihrer Laufzeit so oft und von so viel verschiedenen Fälschern nachgeahmt wurde."

Arnold Vaatz ist Mitglied des Deutschen Bundestages und vereidigter Briefmarkenprüfer.
Arnold Vaatz ist Mitglied des Deutschen Bundestages und vereidigter Briefmarkenprüfer. © Matthias Rietschel/dpa

Laut Vaatz liegt die Marke für Sammler an einem interessanten Schnittpunkt: Einfache Leute könnten sie sich gerade noch leisten, für Spezialisten sei sie obligatorisch. "Unter den fast nicht erschwinglichen Marken ist sie die erschwinglichste", sagt Vaatz. "Sie ist zur beliebtesten Marke avanciert und ein Kultobjekt."

Der CDU-Bundestagsabgeordnete aus Dresden ist Vize-Präsident im Bund Philatelistischer Prüfer (BPP) mit dem Schwerpunkt Sachsen - und besitzt nach eigenen Angaben 20 "Sachsendreier". "Ich brauche für jeden Farbton einer 'Sachsendreier' eine Vergleichsmarke", erläutert er. Dies gehört zu seiner Ausrüstung als Gutachter ebenso dazu wie Mikroskop, Stahlschrank, Scanner oder Schwarzlicht. Vaatz erstellt als selbstständiger Unternehmer Expertisen unter anderem für Auktionshäuser.

Der Unterschied zwischen echt und unecht macht bei der "Sachsendreier" mitunter ein Vermögen aus. Für eine leicht kaputte, aber sauber reparierte Marke sind laut Vaatz 1.500 Euro kein ungewöhnlicher Preis. Im Originalzustand müssten schon 2.500 Euro veranschlagt werden, bei Marken mit einem besseren Farbton seien es dann 3.500 Euro. Selbst Marken, die professionell aus zwei verschiedenen Teilen zu einer zusammengesetzt wurden - so genannte Lückenfüller - erzielten 800 Euro.

Eine echte Sachsendreier-Briefmarke und das zugehörige Attest.
Eine echte Sachsendreier-Briefmarke und das zugehörige Attest. © Matthias Rietschel/dpa

Für bsondere Stücke geben Sammler für Laien überraschend hohe Summen aus. Im vergangenen Jahr wurden im Auktionshaus Heinrich Köhler in Wiesbaden eine "Sachsen 3 Pfennig rot", deren Echtheit Vaatz attestiert hatte, für 70.000 Euro sowie ein Viererstreifen der Marke für 90.000 Euro ersteigert.

Der einzig bekannte Block aus 20 zusammenhängenden Marken befindet sich im Besitz des in London ansässigen israelischen Geschäftsmannes Joseph Hackmey. Das Auktionshaus Köhler hatte den sogenannten "Ferrari-Block" - benannt nach dem Philatelisten Philip Ferrari de La Renotière (1850-1917) - für 920.000 Mark versteigert, später ging er für mehr als 500.000 Euro in den Besitz von Hackmey über.

Eine Echtheitsprüfung der "Sachsendreier" ist - nicht anders als bei anderen wertvollen Marken - aufwendig und erfolgt in mehreren Schritten. Nach der Sichtprüfung auf markante Merkmale folgen Prüfungen in Wasser und Benzin, der Papierbeschaffenheit und der Druckeigenschaften. "Wenn es kein Buchdruck ist, ist es unecht", sagt Vaatz. Anschließend folgen noch eine Qualitätsuntersuchung und die Bestimmung der Druckplatten.

Am 1. Juli jährt sich zum 170. Mal die Einführung des Sachsendreiers.
Am 1. Juli jährt sich zum 170. Mal die Einführung des Sachsendreiers. © Matthias Rietschel/dpa

Zwischen der Erstausgabe am 29. Juni 1850 - die ab 1. Juli gültig war - und der Verkaufseinstellung am 31. Juli 1851 wurden in der Leipziger Druckerei Hirschfeld auf sechs Platten 500 000 Marken hergestellt. Am 10. Dezember 1851 wurden die nicht verkauften 36.882 Marken in der Oberpostdirektion Leipzig verbrannt. Die "Sachsendreier", nach dem Schwarzen Einser in Bayern die zweite Briefmarke in Deutschland, diente ursprünglich zum Frankieren so genannter Kreuzbandsendungen. Sie wurde auf das Streifband aus Papier geklebt, das Drucksachen zusammenhielt - und dann beim Öffnen meist zerrissen. Heute gibt es nach Schätzung von Vaatz noch zwischen 3.000 und 3.500 Stück.

Schon zeitig rief die "Sachsendreier" Fälscher auf den Plan. Georg Bühler scheibt in seinem Buch, dass bereits 1863 auf Fälschungen hingewiesen worden ist. Die meisten Nachahmungen seien "kaum eine Gefahr für die Philatelie". Allerdings haben es einige Fälschungen zu Berühmtheit und letztlich auch zu einigem (Sammler-)Wert gebracht. "Ich habe eine Fälschungskartei", sagt Vaatz.

Neben dem Schröder'schen Lichtdruck sind vor allem die "Speratis" weithin bekannt geworden. Hersteller war der Franzose Jean de Sperati (1884-1957), ein Drucker und Graveur mit sehr guten Philateliekenntnissen. Weil dessen Fälschungen im Gegensatz zu den Schröder'schen auch gestempelt sind, seien sie "weit gefährlicher", so Bühler. Laut Vaatz können für Sperati-Fälschungen leicht 200 Euro aufgerufen werden. (dpa)