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Warum es in Sachsen weniger Denkmäler geben wird

Sachsens Landeskonservatorin Rosemarie Pohlack geht in den Ruhestand und spricht zuvor über Ostmoderne, Treppenhäuser und Umgebindehäuser.

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Umgebindehäuser wie dieses in Oderwitz sind wieder als Schätze der Region zu erkennen. Die 2004 gegründete Stiftung Umgebindehaus und der Tag des Umgebindehauses halfen dieser Entwicklung auf die Sprünge.
Umgebindehäuser wie dieses in Oderwitz sind wieder als Schätze der Region zu erkennen. Die 2004 gegründete Stiftung Umgebindehaus und der Tag des Umgebindehauses halfen dieser Entwicklung auf die Sprünge. © Thomas Kretschel

Die Architektin Rosemarie Pohlack hatte es in ihrem Berufsleben fast nur mit historischen Bauten zu tun. Nach ihrem Studium an der Technischen Universität Dresden promovierte sie 1989 zum Wiederaufbau des Dresdner Residenzschlosses. Von 1991 bis 1993 leitete sie die untere Denkmalschutzbehörde im Kreis Meißen. In der Staatlichen Hochbauverwaltung war sie für die Baumaßnahmen an Sachsens Schlössern und Gärten und später als stellvertretende Leiterin des Staatshochbauamtes Dresden für Baumaßnahmen an Gebäuden der Technischen Universität Dresden zuständig. 

Im September 2002 übernahm Rosemarie Pohlack die Leitung des Landesamtes für Denkmalpflege Sachsen und wurde Landeskonservatorin. Nun geht die 65-Jährige in den Ruhestand. Der Architekt Alf Furkert übernimmt ab August das Amt.

In der vorigen Woche wurde das Sächsische Denkmalschutzgesetz geändert und die Förderung vereinfacht. Ein schöner Abschluss Ihres Berufslebens, Frau Pohlack!

In der Realität pflegen ja nicht die Denkmalpfleger die Denkmale, sondern die Eigentümer und die Bauherren. Wir begleiten, unterstützen sie und versuchen, die besonderen Werte zu erklären und den Mehrwert, den der Eigentümer im Denkmal hat gegenüber der normalen Architektur. Es ist ein großer Gewinn, dass Sachsen sich zu einer erhöhten Denkmalförderung und zu einer Fördervereinfachung entschlossen hat. Im laufenden Doppelhaushalt stehen jährlich etwa 20 Millionen Euro zur Verfügung. Mir ist bewusst, dass die Förderung dennoch nie reicht. Aber es gibt Bundesländer, die zahlen gar nichts. Sachsen hat seit 1993 ein stabiles Gesetz, das sich gut handhaben lässt. Es ist ein starkes und gutes Gesetz, wenn es im Sinne der Denkmale und nicht gegen die Denkmaleigentümer angewendet wird.

Worauf sind Sie am Ende Ihrer Amtszeit besonders stolz?

Stolz ist ein Wort, das nicht zu mir passt. Aber ich sage Ihnen gern, worüber ich froh bin: Dass das Landesamt für Denkmalpflege ein eigenständiges Amt geblieben ist und dass wir im Innenministerium gut angekommen sind. Der Denkmalschutz genoss den zweifelhaften Ruf, nur Investitionen zu verhindern. Wer etwas einzubringen und zu schützen hat, wird von Menschen, die durchstarten wollen, als Barriere empfunden. Das ist nachvollziehbar. Im Verhältnis zum Beginn meiner Amtszeit hat sich das Problem, denke ich, jedoch normalisiert, und das ist viel.

Im September 2002 übernahm Rosemarie Pohlack die Leitung des Landesamtes für Denkmalpflege Sachsen und wurde Landeskonservatorin. Nun geht die 65-Jährige in den Ruhestand.
Im September 2002 übernahm Rosemarie Pohlack die Leitung des Landesamtes für Denkmalpflege Sachsen und wurde Landeskonservatorin. Nun geht die 65-Jährige in den Ruhestand. © Ronald Bonß (Archiv)

Wie haben Sie das erreicht?

Wir arbeiten eng mit den Unteren Denkmalschutzbehörden, den Denkmaleigentümern, dem Landesverein Sächsischer Heimatschutz und mit vielen kleinen Vereinen und ehrenamtlichen Denkmalpflegern zusammen. In Sachsen gibt es mehr als 100 Stiftungen, die sich mit Denkmalpflege befassen. Das Wiederaufblühen unserer Städte und Dörfer wurde vor allem durch die Städtebauförderung möglich. Nur mit Denkmalmitteln allein wäre das nicht machbar gewesen. Die Förderung kann Anreiz und Unterstützung sein. Aber das meiste bringen die Bürger selbst ein mit Engagement und ihrem Vermögen.

Gibt es ein Projekt im Freistaat, das Ihnen besonders ans Herz gewachsen ist?

Als Landeskonservatorin darf ich gar kein Lieblingsprojekt haben. Gut entwickelt hat sich die 2004 gegründete Stiftung Umgebindehaus mit dem Tag des Umgebindehauses und der Angliederung der Region an die Deutsche Fachwerkstraße. Ich stamme aus der Oberlausitz, auch deshalb freut es mich sehr, dass die Menschen durch den begeisterten Zuspruch der Gäste merken, welchen Schatz sie haben. Das Stadtzentrum von Zwickau hat mit Schloss und Kornhaus sehr gewonnen, das gilt auch Bauten der Moderne und der Industriearchitektur. Ich denke in Dresden an den Kulturpalast, an das Kraftwerk Mitte, an Hellerau, an die Baumwollspinnerei in Leipzig und in Chemnitz an die Aktienspinnerei, die zur Zentralbibliothek für die Technische Universität umgebaut wird.

Sie werden doch jetzt nicht das Dresdner Schloss zu nennen vergessen, an dessen Wiederaufbau Sie schon als junge Frau mitgearbeitet haben?

Ich war 1975 Praktikantin bei den Kunstsammlungen, als ich das Dresdner Schloss erstmals aus der Nähe erleben durfte. Diese Begegnung mit der Ruine und den Menschen, die sie zu retten versuchten, war für mich als Architekturstudentin sehr eindrücklich, keine Frage. Das war fast wie ein Abenteuer, denn in der DDR war das Schloss keineswegs ein Prestigeobjekt. Wirklich gesichert war der Wiederaufbau erst ab 1985. Erich Honecker sprach voller Stolz zur Einweihung der wiederaufgebauten Semperoper auf dem Theaterplatz und blickte während seiner Rede auf den Westflügel des Schlosses, der verschämt eingerüstet war, damit er nicht so ruinös aussah. Völlig überraschend verkündete Honecker: Und das Schloss wird auch wieder aufgebaut! In seinem Redemanuskript stand das nicht drin. Zielsetzungen für den Wiederaufbau gab es ja schon seit 1962. Stadt, Technische Universität, Denkmalpflege und Kunstsammlungen hatten sich damals verständigt, das Schloss zum „Museumskombinat“ zu entwickeln; konkrete Planungen folgten ab 1985. Sie waren eine gute Basis, an die die Bauverwaltung ab 1990 anknüpfen konnte. Es war ein großes Glück, dass sie nach der Wende so weitergeführt wurden.

Ende September werden die Paradesäle eingeweiht, der Wiederaufbau geht in die letzte Etappe. Gibt es etwas, was künftige Generationen am Schloss verbessern können?

Jede Generation muss für sich neu erarbeiten, was für sie von Bedeutung ist, was für sie Wert hat, was sie beschützen und weiterentwickeln oder wovon sie sich trennen möchte. Am Dresdner Residenzschloss hat im Laufe der Jahrhunderte jeder Fürst seins dazugetan, es war in Kontinuität ein Repräsentationsort, ein politischer Ort. Seit dem Zweiten Weltkrieg sind drei Denkmalpflegegenerationen am Schloss beteiligt, die vierte steigt jetzt ein. Am Ostflügel fehlt noch die Gotische Halle, im Nordflügel fehlen Gastronomie und die Paradesäle des 19. Jahrhunderts. In Arbeit sind die Fresken für die Loggia als farbiges und ikonografisches Herzstück des Großen Schlosshofes. Der Hof wird dann wohl fast alles in den Schatten stellen, was wir in Europa haben. Unsere Zeit blinzelt künstlerisch durch, das darf sie auch. Man kann erkennen, welches Potenzial einst dahinterstand und mit welchem Potenzial heute daran gearbeitet wird.

Die sächsische Denkmalliste ist in Ihrer Amtszeit von 113.000 auf 102.000 Objekte geschrumpft. Sollten Denkmalpfleger nicht bewahren?

Wenn wir von Denkmalen sprechen, meinen wir Gebautes oder Objekte, die einen besonderen Wert für die Gesellschaft haben. Das ist meist gute, in der jeweiligen Zeit innovative Architektur. Natürlich ändert sich der Blickwinkel im Laufe der Jahre, und wir haben in der Liste auch mehrere Denkmäler zu einer Position zusammengefasst, ja, und vieles wurde abgerissen. Meine Kollegen erfassen gerade die 1970er/80er-Jahre. Da kommen nicht viele Objekte hinzu, auch nur wenige Beispiele des Massenwohnungsbaus stellen wir unter Schutz. Und Investorenarchitektur, wie sie jetzt oft gebaut wird, steht manchmal nur etwa 30 Jahre.

Welchen Denkmalwert hat die Ostmoderne?

Die Ostmoderne entstand parallel zur Moderne in ganz Europa und ist nicht so anders. Deshalb spreche ich lieber von der Zeit der 60er- bis 80er-Jahre in der DDR. Wenn wir vergleichen, was in dieser Zeit im Westen entstanden ist, müssen wir uns nicht verstecken. In der DDR gab es allerdings wenige herausragende private Bauherren. Gesellschaftsbauten hatten in der Regel hohe Qualität im äußeren Erscheinungsbild und in der Ausstattung, so zum Beispiel Universitätsbauten wie der Andreas-Schubert-Bau und der Barckhausenbau in Dresden: großzügige Treppenhäuser, lichtdurchflutet, auf Durchströmung eingerichtet. Das sogenannte „Blaue Haus“ in der Nähe vom Dresdner Zoo hat Denkmalstatus. Kollegen aus dem „Westen“ sind begeistert von großen Achsen wie der Prager Straße in Dresden oder der Chemnitzer Straße der Nationen. Wenn die Prager Straße nicht nach 1990 so rasch „zugebaut“ worden wäre, hätten wir sie sicher unter Schutz gestellt. Andererseits muss nicht alles unter Denkmalschutz stehen, was nicht abgerissen werden soll. Stadtgesellschaften sollten im Rahmen ihrer Planungshoheit auch selbst entscheiden, was für sie zudem Wert hat.

Was haben Sie sich für den Ruhestand vorgenommen?

Ich hatte noch keine Zeit, darüber nachzudenken. Aber ich bin zuversichtlich, denn bisher hat mich die Arbeit immer gefunden – und es gibt so viel Schönes zu erleben, mit Freunden, in der Familie. Demnächst werde ich zum vierten Mal Großmutter. Ich habe einen großen Garten, der mich lehrt, dass nichts von Dauer ist und dass es Erneuerung geben darf und muss. Mein Wissen stelle ich weiterhin gern zur Verfügung. Mein Nachfolger Alf Furkert wird seinen Weg gehen in einem gut aufgestellten Amt.

Das Gespräch führte Birgit Grimm.