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Was kreucht und fleucht

Jens Tomasini ist Biologie-Lehrer, Insekten-, Pflanzen- und Vogelkundler.

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© Anne Hübschmann

Von Udo Lemke

Der Vorführeffekt klappt. Jens Tomasini zeigt seine Insektenwiese und tatsächlich stellt sich ein besonderer Gast ein: Ein Taubenschwänzchen, ein Schmetterling, der auf den ersten Blick wie ein Kolibri aussieht und sich auch so benimmt. Er steht mit rasendem Flügelschlag in der Luft über einer Blüte und saugt mit seinem langen gebogenen Rüssel Nektar. „Ich habe nachgezählt, in unserem Garten wachsen mehr als 200 Pflanzenarten, auf etwa 300 Quadratmetern Fläche“, erklärt der 47-Jährige, der als Lehrer für Biologie und Sport am Meißner Franziskaneum arbeitet.

Die Pflanzen ziehen die Insekten an und Jens Tomasini wiederum kann die Insekten beobachten. Und er teilt seine Beobachtungen anderen mit. Etwa über die Internetplattform „Insekten Sachsen“, wo Dutzende Beobachter aus dem ganzen Freistaat ihre Funde vermelden. „Wenn ich ein gutes Foto habe, dann stelle ich es dazu.“ Die Funde werden von Wissenschaftlern geprüft und freigegeben – Bürgerwissenschaft nennt sich das Ganze.

Für Jens Tomasini ist wichtig, dass das gesammelte Wissen nicht in Expertenkreisen verbleibt oder in Fachbüchern quasi unauffindbar wird. Bei „Insekten Sachsen“ etwa könne man sich die verschiedenen Arten in Steckbriefen anschauen, „man kann sich kundig machen, ohne große Wälzer zu lesen“.

Was das Praktische betrifft, so ist Jens Tomasini pragmatisch. „Man muss nicht jede Kirsche unter dem Baum wegräumen, nur weil es angeblich unordentlich aussieht. Nach vierzehn Tagen, wenn die Stare und die Insekten da waren, ist nichts mehr davon zu sehen.“ Viele Leute würden auf englischen Rasen im Garten setzten, weil sie nicht so viel Arbeit haben wollen. Aber genau das Gegenteil sei der Fall: Eine Wildblumenwiese muss nicht unzählige Male im Jahr gemäht werden, braucht keinen Dünger und Moos muss auch nicht entfernt werden.

Bei Jens Tomasini fallen Beruf und Hobby zusammen. Nicht nur, dass er mit seiner Frau – sie ist ebenfalls Biologielehrerin – auf Exkursionen geht und dass er Insekten bestimmt, auch die Pflanzen sind ihm kein Rätsel. Und dann ist er noch Ornithologe, also Vogelkundler. 1991 hat er die Prüfung zum Beringen von Vögeln abgelegt. „Jetzt in den Ferien fahre ich jede Woche nach Gelenau ins Erzgebirge, wo ich herkomme, zum Beringen.“ Doch damit nicht genug, Jens Tomasini hilft, die Storchenstatistik in der Region zusammenzustellen. Er zählt Wasservögeln an den Koseltizer und Zschornaer Teichen und erfasst die Tiere bei der Wasservogelzählung in einem drei Kilometer langen Abschnitt der Elbe, und bei Bless-, Grau- und Saatgänsen liest er die Halsringe ab, damit nachvollzogen werden kann, wo sie herkommen. „Eigentlich ist das ganze Jahr verplant, im Februar kommen ja schon die Lerchen zurück.“

Natürlich versucht Jens Tomasini auch, seine Schüler zu gewinnen. Aber weniger durch Appelle, denn durch das eigene Beispiel. Er veranstaltet Exkursionen in den Boselgarten mit seiner besonderen Vegetation, er macht die Schüler auf Internet-Portale wie „Insekten Sachsen“, „Weichtier Sachsen“ oder „ornitho.de“ aufmerksam und wirkt durch das praktische Beispiel. Am Franziskaneum hat er auch eine kleine Wildblumenwiese angelegt, eine Insekten-Oase. „Die Schulleiterin hat schon ihr Erstaunen geäußert, wie schön das aussieht.“