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Der einzige Sachse, der ein Rennen gewann

Steve Jenkner hat bei der Motorrad-WM einige Erfolge gefeiert - auch auf dem Sachsenring. Im Gespräch mit der SZ erzählt er, was er jetzt macht.

Von Maik Schwert
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Steve Jenkner vermietet das Grundstück am ersten Juli-Wochenende beim Sachsenring-Grand-Prix.
Steve Jenkner vermietet das Grundstück am ersten Juli-Wochenende beim Sachsenring-Grand-Prix. © propicture/Ralph Köhler

Er arbeitet gerade in der Werkstatt. Steve Jenkner betreibt seit zehn Jahren seinen eigenen Laden am Sachsenring – da, wo Anfang Juli die Motorrad-Weltmeisterschaft gastiert, die an diesem Wochenende mit dem Großen Preis von Katar in Doha startet. 19 Rennen stehen bis zum 17. November im Kalender. Neunmal ist der 42-Jährige bei seinem Heimspiel, dem Großen Preis von Deutschland, gefahren, einmal aufs Podest. Sein einziger Grand-Prix-Erfolg gelang ihm aber auf einer anderen Strecke.

Am Sachsenring 1a – die Geschäftsadresse von Steve Jenkner spricht für sich. Er bietet Rennsportteile, Zubehör und Service an.

„Wir bereiten ein Minibike für einen Nachwuchsfahrer vor. Auch Pocketbikes gehören zum Repertoire – Maschinen, die in Rennserien für Talente zum Einsatz kommen. Der zweite Teil meiner Arbeit besteht darin, dass ich für Honda in der Superbike-Weltmeisterschaft als Fahrwerkstechniker einen Briten und einen Japaner betreue.“

An 14 Wochenenden ist Jenkner unterwegs. Früher war er das als Fahrer, 2002 als Dritter am Sachsenring erfolgreich.

„Es blieb mein einziger Podestplatz beim Heim-Grand-Prix. Mein Sohn Moritz stand mit auf dem Podium. Für mich ging ein Traum in Erfüllung. Es gab zwar auch auf dem Sachsenring nur 16 Punkte für Rang drei, aber mein erstes Podium vor heimischem Publikum war schon was Besonderes. Für meine Auslaufrunde habe ich ewig gebraucht, um mich bei den Fans zu bedanken. Bei jeder Attacke von mir jubelte die Menge so laut, dass ich das Hupkonzert sogar hörte. Da fiel es mir schwer, mich aufs Rennen zu konzentrieren, zumal ich mit den Folgen einer Sommergrippe zu kämpfen hatte und wie ein Stier schwitzte.“

2003 gewann er in Assen bei starkem Regen und fühlte sich im Rennen teilweise sehr einsam.

„Darauf habe ich hingearbeitet. Das ist doch das, was wir alle wollen, wenn wir mit einem Sport anfangen. In den Niederlanden habe ich mein Ziel erreicht – in einem Rennen, das ganz anders war als beim Heimspiel. Ich fuhr vom Start weg einsam an der Spitze. Es gab keinen, der mir folgen konnte oder wollte. Da verliert man mitten im Rennen schnell mal die Konzentration, fängt an zu grübeln und nachzudenken. Mir war es immer lieber, wenn etwas mehr passiert und ich bis zur letzten Kurve kämpfen muss – so wie am Sachsenring.“

Dort feiert der Rennsport einmal im Jahr ein großes Fest. Jenkner weiß, warum das Event deutschlandweit so beliebt ist.

„Der Sachsenring existiert seit 1927. Das Rennen ist in der Region über Jahre gewachsen. Da kommen alle Generationen und finden es gut. Es ist ein Event für die Familie – mit dem Drumherum aus Konzerten und Partys. Alles zusammen macht die Faszination aus. Die Atmosphäre ist wie im Hexenkessel. Die Leute sind an keiner anderen Strecke so nah dran. Der Sachsenring ist keine abgeriegelte Rennstrecke, sondern liegt mitten in der Stadt.“

Beim WM-Lauf am Sachsenring schnuppert auch der Nachwuchs rein. Da liegt für Jenkner hierzulande einiges im Argen.

„Deutschland bleibt ein Entwicklungsland. Es passiert immer noch viel zu wenig. Bis zum ADAC-Junior-Cup funktioniert alles, aber anschließend lässt sich das nicht mehr finanzieren, weil es ein teurer Sport ist. Wir müssen dieses Loch füllen. Sonst können sich die Talente nicht entwickeln. Dann gehen sie uns verloren. Es kann doch nicht sein, dass nur das Geld entscheidet.“

Er sieht das auch bei seinem inzwischen 18-jährigen Sohn, der in der Internationalen Deutschen Motorrad-Meisterschaft fährt.

„Das reicht uns. Es sind acht Wochenenden im Jahr. Wir betreiben das mit angezogener Handbremse, weil es nicht so viele Perspektiven gibt. Lukas Tulovic, genauso alt wie Moritz, ist ein gutes Beispiel. Er ist drei Jahre im Ausland unterwegs gewesen, ohne das hierzulande groß einer Notiz davon genommen hat. Jedes Jahr hat 200 000 Euro gekostet – Geld, das Lukas auftreiben musste, um jetzt in die Moto-2-WM aufsteigen zu können. Die Jungs nehmen sich Marc Marquez oder Valentino Rossi zum Vorbild und wollen in die Königsklasse.“

Mit dem Italiener ist Jenkner noch zusammen gefahren. Der neunfache Weltmeister denkt auch mit 40 Jahren nicht ans Aufhören.

„Er ist ein Ausnahmetalent – gar nicht so sehr mit übertriebener Fitness, sondern mit anderen Dingen, technischen Sachen. Wenn Valentino noch das Niveau von vor zehn Jahren hätte, wäre er auch in der vergangenen Saison um den Titel gefahren. Es ist nicht so einfach mit dem Aufhören. Da fällt man in ein Loch, weil man nichts so intensiv betreibt wie seinen Sport.“

Bei Jenkner war das anders. Er bekam 2006 kein konkurrenzfähiges Material für die WM und zog sich offiziell vom Rennsport zurück.

„Das hat mir den Schritt erleichtert. Es ist ja auch ein gefährlicher Sport. Ich konnte zwar damals davon leben, anders als die meisten jetzt, die Geld mitbringen müssen, hatte aber nicht ausgesorgt, auch wenn es das Finanzamt dachte. Ich musste Geld verdienen. Wir hatten einen Sohn. Von 2007 bis 2012 war ich noch als Reifentechniker für Bridgestone in der Moto-GP dabei.“

Die Wochenenden ohne Motorradrennen gehören seiner Familie. Da muss Jenkner die WM auch nicht im Fernsehen verfolgen.

„Ich plane meine Freizeit nicht nach dem Rennkalender, sondern mit meiner Familie. Dazu gehört neben meiner Frau Mandy und unserem Sohn Moritz auch unsere elfjährige Tochter Marie, die mit Motorrad nichts am Hut hat. Mich zieht es bei schönem Wetter raus – im Winter zum Eishockey, Schlittschuh- oder Skilanglaufen und im Sommer zum Radfahren. Nur, wenn wir mal nichts vorhaben, schaue ich mir ein Rennen im TV an.“