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Was von der Schwarzen Kuh übrig ist

Das ehemalige Fortschritt-Gebäude soll dieses Jahr abgerissen werden. Ein Besuch – mit erschreckenden Bildern.

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Von Katarina Gust

Es muss ein trauriger Anblick sein. Vor allem für die ehemaligen Fortschrittler, die an der Kirschallee in Langburkersdorf ein- und ausgegangen sind. Kein einziges Fenster ist mehr intakt im einstigen Fortschritt-Verwaltungsgebäude, im Volksmund Schwarze Kuh genannt. Wie Eiszapfen baumeln die gesplitterten Glasreste im Wind. Eine dicke Schicht Laub hat sich im Erdgeschoss angesammelt. Von den rosa gefliesten Sanitärräumen ist nicht mehr viel übrig. Die Waschbecken liegen zerschlagen am Boden. Rohre ragen aus den Wänden. Die Toilettenkabinen wurden zertreten. Überall Getränkedosen, Zigarettenstummel, auch unappetitliche menschliche Hinterlassenschaften findet man heute in dem markanten Block, in dem zu DDR-Zeiten gut ausgebildete Ingenieure an neuen Landmaschinen getüftelt haben.

Früher saßen die Fortschritt-Ingenieure hier gemeinsam beim Frühstück zusammen. Heute fristet die Halle im Erdgeschoss nur noch ein tristes Dasein.
Früher saßen die Fortschritt-Ingenieure hier gemeinsam beim Frühstück zusammen. Heute fristet die Halle im Erdgeschoss nur noch ein tristes Dasein.
Wilde Zerstörungswut zeigt sich im gesamten Haus: Alle Fenster wurden eingeschlagen, Wände mit Vorschlaghämmern demoliert und Buntmetall gestohlen.
Wilde Zerstörungswut zeigt sich im gesamten Haus: Alle Fenster wurden eingeschlagen, Wände mit Vorschlaghämmern demoliert und Buntmetall gestohlen.
Zwei Männer – ein Ziel: Neustadts Bürgermeister Manfred Elsner (FDP, re.) hat den Weg frei gemacht für die Revitalisierung der Industrieruinen an der Kirschallee in Langburkersdorf. Frank Beyer übernimmt als Geschäftsführer der Industrie-Center Neustadt G
Zwei Männer – ein Ziel: Neustadts Bürgermeister Manfred Elsner (FDP, re.) hat den Weg frei gemacht für die Revitalisierung der Industrieruinen an der Kirschallee in Langburkersdorf. Frank Beyer übernimmt als Geschäftsführer der Industrie-Center Neustadt G

Noch in diesem Jahr soll der Typenbau an der Kirschallee abgerissen werden. Mehr als 20 Jahre ist es her, dass der letzte Fortschrittwerker ausgezogen ist. Seitdem steht das Objekt leer. Verändert hat es sich. Vandalen haben sich jede der fünf Etagen vorgenommen. Alles ist kurz und klein geschlagen. Wilde Partys sollen hier gefeiert worden sein. Neustadts Bürgermeister Manfred Elsner (FDP) bricht fast das Herz, als er durch das verfallene Haus geht. Er hat früher für Fortschritt gearbeitet, war die rechte Hand des Technischen Direktors, wie Elsner sagt. In der Schwarzen Kuh selbst hat er zwar nicht gearbeitet, kennt die Räume dennoch von früher. Den Frühstücksraum zum Beispiel. Statt geschmierter Brötchen gibt es hier nur noch vollgeschmierte Wände.

Aber nicht mehr lange. Die Tage der Schwarzen Kuh sind gezählt. Neustadt will den Block wegreißen. Ein konkretes Datum gibt es noch nicht. Im Frühjahr, spätestens Sommer soll es so weit sein. Das gesamte Areal – insgesamt 14 Hektar – soll revitalisiert werden. Etwa sieben Millionen Euro wird das Großprojekt verschlingen, mit Unterstützung des Freistaates.

Die ersten Bauarbeiten haben schon begonnen. Bagger haben sich das Gelände vorgenommen, um Wildwuchs zu entfernen. Die Maschinen ziehen nicht nur kleine Büsche und Sträucher aus dem Boden, ganze Bäume legen sie um. Mehrere Hundert müssen es sein. „Die Natur hat sich viel zurückgeholt“, sagt Manfred Elsner. Nicht nur Pflanzen hätten sich hier angesiedelt, auch viele Tiere seien hier heimisch geworden. Naturschutzrechtliche Untersuchungen seien deshalb nötig gewesen. Fledermäuse und Schwalben hätten die Gutachter gefunden, auch eine spezielle Eidechsenart. Die muss nun umziehen. „Wir haben am Neustädter Naturbadesee eine geeignete Fläche für die Eidechsen gefunden“, erklärt Elsner. Dorthin sollen die Tiere umgesiedelt werden. Auch für die Bewohner des benachbarten Asylbewerberheimes muss der Landkreis neue Unterkünfte finden. Bis Ende Oktober läuft der Vertrag noch. Dann schließt das Haus. „Am 1. November wird der Abriss der Wohnheime beginnen“, kündigt der Ratschef an.

Abbrucharbeiten dauern ein Jahr

Bis Mitte 2016 sollen die Gebäude abgerissen werden. Neben der Schwarzen Kuh und dem Flüchtlingsheim gehören auch zwei ehemalige Wohnheime für Fortschritt-Gastarbeiter dazu. Nur das dahinter befindliche Zentrallager bleibt auch künftig stehen. Eine Logistikfirma ist dort ansässig, die vor allem für die Firma Bosch in Sebnitz arbeitet.

Auf dem rund 14 Hektar großen Gelände sollen sich ab 2016 neue Firmen ansiedeln „Die Tiefbauarbeiten können Mitte kommenden Jahres beginnen“, sagt Manfred Elsner. Eine anspruchsvolle Zielstellung sei das, aber machbar. Eine Herausforderung sei die Struktur des Geländes. Es hat mehrere kleine Ebenen. Es soll deshalb angepasst werden. Insgesamt drei große Flächen will die Stadt Neustadt entstehen lassen. Die größte Fläche misst später einmal 4,2 Hektar, die zwei kleineren jeweils gut 2,5 Hektar. Das Zentrallager macht die 14 Hektar schließlich komplett.