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Wasser spült Häuser und Menschen davon

Die Flutkatastrophe der letzten Wochen hat auch für unsere Gegend die Frage gestellt, ob ein solcher Schicksalsschlag ebenso für die südliche Oberlausitz möglich wäre. Dazu ein Bericht vom Hochwasser, das 1880 die Oberlausitz verwüstete.

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Von Manfred Winter

Die Flutkatastrophe der letzten Wochen hat auch für unsere Gegend die Frage gestellt, ob ein solcher Schicksalsschlag ebenso für die südliche Oberlausitz möglich wäre. Dazu ein Bericht vom Hochwasser, das 1880 die Oberlausitz verwüstete.

Der Rand des Zittauer Beckens bzw. das Zittauer Gebirge sind in ihrem südlichen und nordwestlichen Teil die Wasserscheide zwischen Nord- und Ostsee, die über den 583 Meter hohen Kottmar verläuft, der als eine Wetterscheide gilt. Entlädt sich über Löbau ein Gewitter, muss dieses noch lange nicht Zittau erreichen. Diese Wasser- und Wetterscheide trennt die Flussgebiete der Neiße und Spree, die Stromgebiete von Elbe und Oder. An der südlichen Abdachung dieser natürlichen Grenze kann es durch die Sonneneinstrahlung durchaus zum Aufbau mächtiger Gewitter kommen.

In ungewöhnlich starker Weise hat sich diese meteorologische Erscheinung am 14. Juni 1880 bemerkbar gemacht. Eine ganze Reihe von Wolkenbrüchen ergossen sich über den Südosten der Oberlausitz. Am Nachmittag des 14. Juni regnete es im Quellgebiet der Pließnitz und an deren Oberlauf in Strömen, besonders am 415 Meter hohen Julienstein, einem Teil der Wasserscheide.

Etwas später ging der zweite Wolkenbruch im weiter südöstlich gelegenen Quellgebiet des Eulwassers über dem Höhenzug der Wasserscheide in der Nähe von Großhennersdorf nieder, so dass das bei Rennersdorf in die Pließnitz mündende Eulwasser dem bereits beängstigend angeschwollenen Fluss neue, ungeheure Wassermengen zuführte, die nun mit verheerender Gewalt das Tal der Pließnitz verwüsteten.

Erhebliches Unheil richtete die Flut bereits an den Zuflüssen der Pließnitz in der Herrnhuter Gegend an. Das Unternehmen von Abraham Dürninger & Co. verzeichnete große Verwüstungen auf seinen Bleichwiesen, weil ein Damm am Petersbach gebrochen war. In Ruppersdorf wurden vier Häuser ganz weggerissen, andere zum Teil fortgeschwemmt, und eine große Anzahl schwer beschädigt. Sieben Leichen zog man aus den Fluten. Im Ort herrschte ein wildes Chaos von umgestürzten Bäumen, angeschwemmten Steinen und Trümmerhaufen. Das Wasser hatte Wege und Brücken zerstört, so dass der Verkehr im Ort und nach außerhalb völlig zusammenbrach. In Rennersdorf kamen 14 Menschen ums Leben, elf Häuser wurden weggeschwemmt, 23 stürzten ein und 16 wurden schwer beschädigt. Wenige Stunden nach der Katastrophe bot sich dem Besucher ein trostloses Bild: Entwurzelte, zum Teil auf die Häuser geworfene Bäume und Baumstämme, tief aufgewühlte Straßen und Wege, halb oder ganz zerstörte Gebäude, deren Bewohner unter den Trümmern nach ihren Habseligkeiten suchten, und weinende Kinder, denen das Unglück Vater und Mutter geraubt hatte. In einem Haus ertranken alle Bewohner bis auf ein Mädchen, das sich in der Schule befand. Dort hatte der Lehrer aus der alten Schule, in der das Wasser zwei Meter hoch stand, seine Schüler in das Gebäude der neuen Schule gerettet, das zwar den Gewalten des Wassers standhielt, unter dem aber ein Gewölbe zusammenbrach. Manche Bewohner hatten sich auf Bäume geflüchtet. In Bernstadt hatte es besonders die Neustadt verwüstet. Das Wasser war an vielen Stellen bis an den ersten Stock vorgedrungen, hatte die Decken aufgeweicht, so dass diese dann mit dem gesamten Mobilar aus dem ersten Stock herabstürzten.

Viele Menschen fanden in den Fluten den Tod

Das bisher höchste bekannte Pließnitzhochwasser von 1804 wurde um anderthalb Meter überschritten. Am rechten Pließnitzufer waren fünf Häuser vollständig verschwunden und von vier aneinander stehenden Scheunen hatte die Flut vom Kirchwehr her eine mitten aus der Reihe herausgerissen. Auf der Aue links der Pließnitz wurden zwei massive Häuser vollständig zerstört, die anderen stürzten zum Teil ein.

In der alten Oberförsterei ertranken drei Personen, in den Nachbarhäusern zwei. Am Ende der Görlitzer Straße fand eine Frau mit drei Kindern den Tod in den Fluten. Im ganzen hatten in Bernstadt, soweit bekannt, elf Menschen im Hochwasser der Pließnitz den Tod gefunden. Sieben Häuser wurden weggeschwemmt, 20 stürzten ein und ebenso viele wurden beschädigt.

Zu den am schlimmsten heimgesuchten Orten gehörte Oderwitz. Hier hatten die entfesselten Elemente mit einer alle Begriffe übersteigenden Gewalt gehaust. Am Nachmittag des 14. Juni 1880 überschwemmte den Ort ein dreistündiger Wolkenbruch.

Schon nach einer halben Stunde hatte sich das Landwasser in einen reißenden Strom verwandelt. Die Flut stieg auf eine Höhe von neun Metern. Die Bewohner der am Bach liegenden Häuser erkannten die drohende Gefahr erst, als das Wasser schon in ihren Häusern stand und diese vom Grund aus zu zerstören begann. Nieder- und das damalige Mitteloderwitz glichen einem See, auf dem Bäume, Hausgerät, ganze Dächer, Tier- und auch Menschenleichen trieben.

Acht Menschen ertranken in den zusammengestürzten Häusern, hunderte wurden unter großer Lebensgefahr von Mitbewohnern gerettet oder flüchteten sich auf die Dächer, in ihrer Todesangst nach Hilfe rufend und den tosenden Fluten preisgegeben. In Mittel- und Niederoderwitz sind an Wohn- und Nebengebäuden elf völlig weggeschwemmt, sieben eingestürzt, 29 einsturzgefährdet, 78 sehr stark und 54 minder stark beschädigt.

Am 14. Juni gegen 15 Uhr begann die Mandau anzuschwellen. Gegen 18 Uhr erreichte sie den Höhepunkt der Überschwemmung. Vor Zittau ergoss sich die Flut in die Flusstäler. Niedrig gelegene Straßen und Keller wurden überflutet.

Die Hältergasse, die Obere Gasse und die Grottauer Straße standen unter Wasser. Der Eckartsbach und der Goldbach in Olbersdorf schwollen zu mächtigen Flüssen an und beseitigten rücksichtslos jedes im Weg stehende Hindernis. Die Gaststätte am Krematorium und deren Garten wurden fast vollständig vernichtet. Einige Trümmer der Veranda, entwurzelte Bäume waren die Reste des Gartens.

Die untere Hälfte Zittaus glich einem See

Ein glücklicher Umstand für Zittau war, dass die Flutwelle der Neiße, die die Wolkenbrüche aus Böhmen mitbrachte, erst gegen 23 Uhr die Stadt erreichte und am 15. Juni 13 Uhr bereits ihren Scheitelpunkt überschritten hatte. Trotzdem bot die untere Stadt, die von der damals noch nicht regulierten Mandau und Neiße überflutet wurde, eine Szene der Verwüstung.

Ostritz erreichte die erste Flutwelle am 14. Juni 1880 um 13 Uhr. Das Wasser zerstörte hier den Bahndamm der Zittau–Görlitzer Linie. 18 Uhr kam die zweite Flutwelle aus dem Raum Zittau. Niedrig gelegene Stadtteile wurden unter Wasser gesetzt, drei Brücken zerstört, die Neißeniederungen zwischen Leuba und Görlitz bildeten einen einzigen See. Das Kloster St. Marienthal wurde überflutet, die Verkehrsverbindung nach Görlitz für acht Tage unterbrochen.

Hochwassermarken machen uns noch heute auf diese Hochflut aus dem Jahre 1880 aufmerksam. In Oderwitz steht ein Gedenkstein für die Opfer der Flutkatastrophe.

Quellen: „Illustrierte Zeitung“ von 2. Juli 1880, „Zittauer Morgenzeitung“ vom 16. Juni 1880