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Welche Spuren die erste deutsche Fernbahn im Rödertal hinterlassen hat

Der Radeberger Hubertus Boden kann eine durchaus spannende Geschichte erzählen.

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Von Jens Fritzsche

Nein, den neuen ICE hat er sich nicht angeschaut, der dieser Tage von Leipzig aus im Dresdner Hauptbahnhof samt Chefetage der Deutschen Bahn einrollte. Anlass war bekanntlich das 175. Jubiläum der ersten deutschen Fern-Eisenbahn-Strecke zwischen Leipzig und Dresden. „Ich bin kein Eisenbahn-Freak“, sagt er grinsend. Und hat dennoch eine ganz besondere Beziehung zu diesem Jubiläum. Eine, die weit in seine Familiengeschichte hineinreicht.

Regelmäßig besucht der Radeberger Hubertus Boden das Familiengrab seiner Vorfahren im benachbarten Großröhrsdorf. Die Bodens waren hier einst wichtige und angesehene Bandweberei-Unternehmer. Foto: Willem Darrelmann
Regelmäßig besucht der Radeberger Hubertus Boden das Familiengrab seiner Vorfahren im benachbarten Großröhrsdorf. Die Bodens waren hier einst wichtige und angesehene Bandweberei-Unternehmer. Foto: Willem Darrelmann

Die Rede ist vom Radeberger Hubertus Boden, dessen Familie seit über 400 Jahren im benachbarten Großröhrsdorf ansässig ist – und dort auch einen gewichtigen Teil der dortigen Weberei-Geschichte mitgeschrieben hatte. Und einer seiner Vorfahren war dabei ein Mann namens Ernst Traugott Boden gewesen, der zum Start der Ferneisenbahn in Dresden knapp 18 Jahre alt war; „und sich so stark für Technik interessierte, dass er zu Fuß nach Dresden lief, um die Lokomotiven einfahren zu sehen“, weiß Hubertus Boden. Denn diese Geschichte ist eine von zahllosen Episoden aus der langen Familien-Historie, die bei den großen Familien-Treffen immer wieder gern erzählt werden. „Und es gibt auch einen tatsächlichen Beweis dafür, der hängt nämlich im Technischen Museum in Großröhrsdorf“, stellt der Radeberger klar. Nicht zuletzt ist der Beweis nun auch noch in der zu Wochenbeginn im Dresdner Verkehrsmuseum eröffneten Sonderausstellung zum Thema Fernbahn-Jubiläum zu sehen. Es handelt sich um einen schmalen Stoffstreifen. Ein gewebtes Band, auf dem der einfahrende Zug samt Personenwagen zu sehen ist. Ein Band, das als Hosenträger damals durchaus für Furore sorgte.

Vier Stunden Fußmarsch hatte Hubertus Bodens Vorfahre dabei auf sich genommen, um die gut 25 Kilometer von Großröhrsdorf in die Dresdner Neustadt zu bewältigen. „Und dann wollten sie ihn nicht mal auf den Bahnhof lassen“, kennt der Radeberger die Fortsetzung der Geschichte. „Aber ein Boden lässt sich nicht entmutigen“, sagt er schlitzohrig. Ernst Traugott Boden kletterte also kurzerhand auf einen Bretterzaun, der zur Absperrung allzu Neugieriger dienen sollte, und schaute nun einfach von dort aus zu. Und sah den Zug tatsächlich einrollen. Ein historischer Moment! „Das hat er dann zu Hause nächtelang in einem Skizzenblock nachgezeichnet – und in den Tagen danach dann Lochkarten für dieses Hosenträgerband werden lassen“, klingt Nachfahre Hubertus Boden durchaus ein bisschen stolz. Die Bodens waren dabei damals die ersten Band-Weber in Großröhrsdorf gewesen, die ihre Maschinen mit diesen für diese Zeit hochmodernen Lochkarten steuerten. Und wie es in der Familienchronik der Bodens heißt, war dieser Hosenträger mit der Eisenbahn durchaus so etwas wie ein Verkaufsschlager. „Denn durch den Verkauf setzte ein wirklicher Aufschwung für das Familienunternehmen ein“, sagt Hubertus Boden. Nicht ohne Grund hatte Ernst Traugott Boden später dann auf Verkaufstüten den Satz drucken lassen „Dieser Hosenträger ist der Ursprung zu Großröhrsdorfs Wohlhabenheit“…

Übrig geblieben von dieser Geschichte ist nur dieses eine, einzige Exemplar. „Und die Erinnerung“, sagt Hubertus Boden.