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Wenn Bienen zu Haustieren werden

Die Tharandter Sarah Mönke und Daniel Becker sehen die Imkerei unter neuen Aspekten - und haben ein Rezept, wie die Biene zu retten ist.

Von Thomas Morgenroth
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Sarah Mönke und Daniel Becker stehen mit ihren zwei Bienenbeuten im Garten in Tharandt.
Sarah Mönke und Daniel Becker stehen mit ihren zwei Bienenbeuten im Garten in Tharandt. © Thomas Morgenroth

Vor zehn Jahren kamen Sarah Mönke und Daniel Becker aus Sachsen-Anhalt nach Tharandt, um dort Forstwissenschaften zu studieren. Die kleine Stadt hatte es ihnen bald angetan, vor allem aber der Gedanke der Nachhaltigkeit, den Heinrich Cotta bereits vor zweihundert Jahren seinen Studenten in Tharandt ans Herz legte. Sarah Mönke und Daniel Becker blieben nach ihren Abschlüssen zum Bachelor of Science in der Stadt. Sie arbeiten seitdem freiberuflich als Kartierer im Forst.

Die Ideen der Nachhaltigkeit aber bestimmen ihre Lebensart. Sarah Mönke und Daniel Becker, die bewusst auf ein eigenes Auto verzichten, sammeln seit neun Jahren Erfahrungen als Selbstversorger im weitesten Sinne. Die jungen Leute, sie ist 30, er 31, wohnen in einem kleinen Haus, das seinen Strom aus Solarzellen bekommt und mit Holz beheizt wird. Sie bewirtschaften einen Gemüse- und Obstgarten in Permakultur, also extensiv, unter anderem, indem Indische Laufenten für die Bekämpfung der Schnecken zuständig sind; sie backen Brot, keltern Wein, imkern, bauen Solartrockner und Solaröfen. Er ist zudem im Repair-Café in der Kuppelhalle aktiv – und wie aufs Stichwort bricht der Stuhl unter ihm zusammen. „Da habe ich wieder etwas zu tun“, sagt Daniel Becker und lacht.

Kurzum – sie haben „Natur im Sinn“. Unter diesem Titel bieten die Forstwissenschaftler seit 2015 Workshops und Seminare für Erwachsene, Kinder und Familien zu unterschiedlichen Themen an. Eines, das gerade deutschlandweit die Gemüter bewegt, ist der Zustand der Insekten und der Bienen im Speziellen. Im SZ-Gespräch erklären Sarah Mönke und Daniel Becker, ob und wie die Biene zu retten ist, was jeder dafür tun kann und was es mit der Wesensgemäßen Bienenhaltung auf sich hat.

Frau Mönke, Herr Becker, in letzter Zeit wird gern folgender Satz zitiert, auch wenn inzwischen klar ist, dass er nicht von Einstein stammt: Wenn die Biene von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben. Ist denn da etwas Wahres dran?

Daniel Becker: Wenn wir das nur auf die Honigbiene beziehen, also auf die, die in den Kisten leben und von denen wir Honig ernten, ist diese Aussage vollkommen übertrieben. Aber wenn wir alle bestäubenden Insekten nehmen, wobei der größte Teil zu den Bienen gehört, das sind ja auch solitär lebende Bienen oder Hummeln, dann ist das in die richtige Richtung gedacht. In den vergangenen dreißig Jahren ist die Zahl der Insekten in Deutschland bereits um achtzig Prozent zurückgegangen.

Das betrifft auch die Bienen?

Daniel Becker: Das betrifft alle Insekten, die Fliegen, die Schmetterlinge. Mit ihnen fehlt das Futter, das in der Nahrungskette für die ganzen anderen Organismen ganz unten steht, und das hat jetzt schon gravierende Folgen. Das Bienensterben, das sehr breit in der Öffentlichkeit diskutiert wird, ist nur die Spitze des Eisberges, aber ein Indikator für das gesamte Ökosystem.

Warum sterben die Bienen?

Sarah Mönke: Das ist ein sehr komplexes Thema und das macht es auch etwas schwierig. Man kann nicht konkret sagen, ihnen geht es wegen diesem oder jenem Giftstoff schlecht, den die Bauern sprühen. Die Ursachen sind schwer nachzuvollziehen. Sicher ist, dass es mit der Agrarwirtschaft zu tun hat. deren Anbaumethoden sich in den vergangenen hundert Jahren massiv verändert haben. Auch der Klimawandel ist nicht außer Acht zu lassen. Durch Wetterextreme verändern sich Lebensräume und das Nahrungsangebot. Nur bei den Honigbienen spielt auch die in den Siebzigerjahren aus Asien eingeschleppte Varroamilbe eine Rolle, ein Parasit, der aber Wildbienen nicht befällt.

Daniel Becker: Es handelt sich ja um einen jahrzehntelangen Prozess und nicht um ein plötzlich auftauchendes Phänomen. Nur hat das Insektensterben jetzt eine Schwelle erreicht, dass es selbst den Menschen auffällt, die sich sonst nicht weiter damit befasst haben.

Wie geht es Ihren Bienen?

Sarah Mönke: Im vergangenen Jahr hatten wir wegen der Trockenheit Verluste, es gab kaum Schwärme, sodass wir nur noch zwei Völker haben. Beide haben den Winter überlebt, also 100 Prozent, das ist eher selten. Es geht ihnen gut, wir freuen uns sehr. Wie wir vom Imkerverein wissen, an dessen Sitzungen wir teilnehmen, ist es sehr unterschiedlich, wie die Bienen über den Winter kommen. Es ist mittlerweile nicht mehr unüblich, dass von zwanzig Völkern auch mal nur zwei übrig bleiben. Solche Extreme haben zugenommen.

In Ihren Seminaren und Workshops vermitteln Sie den Teilnehmern das Prinzip der Wesensgemäßen Bienenhaltung. Was ist darunter zu verstehen?

Sarah Mönke: Bei der Wesensgemäßen Bienenhaltung geht es nicht vordergründig um die Honigproduktion. Es kann durchaus vorkommen, dass man von seinen Völkern gar nichts erntet, weil sie ihren Honig selber brauchen. Die Beuten, also Bienenstöcke, die wir in den Workshops bauen, sind naturnäher als die, die ein gewerbsmäßig tätiger Imker nutzt. Es geht uns vor allem darum, das Bewusstsein für die Bienen und überhaupt die Insekten zu schärfen und die Menschen anzuregen, mit der Bienenhaltung einen Beitrag für die Bestäubung der Blüten zu leisten.

Wie ist die Resonanz?

Sarah Mönke: Die Nachfrage ist sehr groß. Bienen sind gerade ein gewisser Hype, den wir aber gern unterstützen. Die Workshops und Seminare sind gut besucht, und die Leute sind sehr interessiert.

Fangen die Teilnehmer hinterher tatsächlich mit imkern an?

Sarah Mönke: Größtenteils schon, junge Menschen, Familien und auch Ältere. die vorher keinen Kontakt zur Bienenhaltung hatten, sind sehr motiviert. Allerdings nicht, um mit der Imkerei Geld zu verdienen, sondern um sich am Wesen dieser Insekten zu erfreuen, so als eine Art Haustier, wie andere eben Hunde oder Katzen haben. Und mit den Bienen schauen die Menschen bewusster auf die Natur, werden sensibler für die Veränderungen ihrer Umwelt, beobachten, wann was und wo blüht, prüfen, wo die Sonne steht, damit es ihren Bienen gut geht. Damit ändert sich auch das etwas verstaubte Image des Imkers.

Was macht der Städter, der keinen Garten hat und imkern möchte?

Daniel Becker: Zum Imkern kann ein geräumiger, passend ausgerichteter Balkon reichen. Überhaupt ist es ein relativ unkompliziertes Hobby. Im Grunde braucht man nur Beuten, Imkerhut und Smoker. Und natürlich etwas Zeit, aber weniger als mancher meint: Wir rechnen mit fünfzehn Stunden pro Volk im ganzen Jahr.

Familienveranstaltung „Die Welt der Bienen entdecken“ am 25. Mai, 10-12.30 Uhr; Teilnehmerbeitrag: 20 Euro, für Familien 1. Person 20 Euro, alle weiteren Personen 10 Euro; für Kinder mit der Carli-Card: 2 Euro. Anmeldungen erforderlich, unter www.naturimsinn.de

Sie wollen noch besser informiert sein? Schauen Sie doch mal auf www.sächsische.de/freital und www.sächsische.de/dippoldiswalde vorbei.

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