Wenn diese Fliesen sprechen könnten

Auf so mancher Tour durch Görlitz macht der Stadtschleicher Halt vor einem von außen unscheinbaren Geschäft auf der Bismarckstraße 3: Die Fleischerei Büchner. Betritt man den Laden, wird schnell klar, warum er in einer Aufzählung Görlitzer Geschäfte mit historischer Innenausstattung nicht fehlen darf. Handgemalte Fliesen aus der ehemaligen Dresdner Steingutfabrik von Villeroy & Boch zieren die Wände des Verkaufsraumes; sie zeigen Szenen des traditionellen Fleischerhandwerks. Angebracht wurden sie um 1900, schon damals befand sich eine Metzgerei in dem 1876 erbauten Haus. Nach langem Leerstand erwarb Fleischermeister Thomas Büchner 1992 das Grundstück und ließ den Laden unter strengen Denkmalschutzauflagen restaurieren. „Die heutige Verkleidung ist im oberen Bereich original, der Sockel musste aufgrund von Rissen und Abplatzungen größtenteils restauriert werden“, erklärt Inhaber Büchner. Die Schäden waren über die Jahre durch Salpetersalze entstanden. Angefertigt wurden die originalgetreuen Replikate von der Firma Meißenkeramik.
Türstock als Hingucker
Ein weiterer Hingucker ist der hölzerne Türstock zwischen Verkaufs- und Produktionsraum. Auch er stammt aus der Zeit um 1900 und wird durch zwei Angebotstafeln aus Holz ergänzt, die rechts und links an der Wand angebracht sind. Sie waren einst Teil der alten Ladentheke, die im Zuge der Restaurierungen nach der Wende entfernt werden musste. „Die Theke war vom Holzwurm befallen“, erinnert sich Fleischermeister Büchner. „Mit den Angebotstafeln fand sie noch eine sinnvolle Verwendung.“
Die prunkvolle Fleischerei ist mit Sicherheit die Perle unter den Görlitzer Läden mit historischer Innenausstattung. Doch auch auf der Berliner Straße 13 kann man in geschichtsträchtiger Umgebung einkaufen. Zumindest noch bis Ende März, so lange hat sich die Parfümerie Thiemann dort eingemietet. Die Inneneinrichtung des Geschäfts ist wie bei Büchners denkmalgeschützt. „Es handelt sich um Mahagoniholz, versetzt mit Perlmutt. Die Ladentafel ist mit Marmor gedeckt“, beschreibt Werner Kühn das Mobiliar. Er ist Eigentümer des Ende des 19. Jahrhundert erbauten Gebäudes. Sein Großvater Paul Kühn eröffnete hier 1905 ein Schokoladengeschäft. Aus dieser Zeit stammt die Einrichtung. Vorher war wohl eine Fleischerei in dem Gebäude, die die bis heute erhaltene schmucke Glasdecke einbauen ließ. Derzeit ist Kühn auf der Suche nach einem Nachmieter. Anwärter gibt es bisher keine. „Wer den Laden übernimmt, muss ihn natürlich nach Wünschen der Denkmalschutzbehörde einrichten“, betont er.
Ältester Schrank von 1885
Das Goldschmiedgeschäft Theodor Finster auf der Steinstraße ist von außen ein echter Hingucker: Die tannengrüne Ladenfront, entstanden um 1900, erinnert an Zeiten, in denen Herren im Anzug und Damen in langen Röcken durch die Innenstadt wandelten. Doch nicht nur Haus und Fassade sind historisch, auch Teile der Innenausstattung könnten viele Geschichten erzählen: Die große Vitrine stammt aus dem Jahr 1913. Am ältesten ist ein kleiner Schrank von 1885. Die Warentische sind so alt wie Senior Horst Finster. Er wurde 1926 geboren und gab den Laden 1992 an seine Söhne weiter, die heute in fünfter Generation das Geschäft führen. „Die Möbel sind aus heutiger Sicht sehr solide gebaut“, sagt Matthias Finster. „Man merkt, das wurde durchdacht.“ In die Wand ist ein Tresor von etwa 1900 eingebaut, der heute nur noch zur Zierde da ist. „Wir haben das Ambiente bewusst erhalten“, betonen die Inhaber.
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