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Wenn Schwan Gustav Späne macht

Die Schwäne im Großen Garten sind fast schon eine Familie für Thomas Eißer. Mit etwas Glück begleitet er sie ein Leben lang.

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© Eric Münch

Von Tobias Wolf

Konzentriert wartet Thomas Eißer in Habachtstellung auf den richtigen Moment. Noch sind die kleinen Schwäne auf dem Neuen Teich im Großen Garten zu weit weg, um sie aus dem Wasser zu holen. Eißer ist ehrenamtlicher Beringer, will die Ende Mai geschlüpften Vögel kennzeichnen. Neugierig nähern sich die Kleinen mit den grauen Flauschfedern. Sie kennen Eißer, er ist praktisch so etwas wie ein Vater für sie. Gustav gefällt das nicht. Er ist der eigentliche Papa des Vierlingsnachwuchses auf dem Teich – und misstrauisch. Dann geht alles schnell. Eißer packt zu. Einmal, ein zweites Mal. Die verdutzten Jungschwäne finden sich unversehens auf der Wiese neben dem Teich wieder. Mit piepsigen Lauten beschweren sie sich. Aber nur kurz.

Seit 2007 arbeitet Thomas Eißer neben seinem Job bei einer Krankenkasse als Beringer für die Deutsche Beringungszentrale Hiddensee. Neben dem Großen Garten ist das Moritzburger Teichgebiet, Radeburg und Dippoldiswalde sein Revier. 30 Brutpaare betreut der 47-Jährige. Und bleibt ihnen fast ein Schwanenleben lang auf der Spur. „Die Ringe sind so etwas wie ein Personalausweis für die Vögel, mit einer eindeutigen Nummer“, sagt Eißer. Mit geübter Bewegung fixiert er die kleinen Füße mit einem weichen Klettband. Als er die Nietzange für die Ringe aus der Tasche zieht, ist Gustav plötzlich wieder da. Fast unbemerkt hat er sich Eißer von hinten genähert, guckt ihn jetzt argwöhnisch an. Eißer macht weiter, bis seine Assistentin Juliane Mommert einen Warnruf ausstößt.

Mutter fitter als Vater

Der ausgewachsene Schwan sieht seine Chance, die vermeintlich gefangen genommenen Kinder zu befreien. Mit einem Satz rennt er auf Eißer zu, schlägt unerbittlich mit den Flügeln auf ihn ein. Der Beringer verjagt den prächtigen Vogel mit einer Handbewegung. Doch Gustav gibt nicht auf. Eißer langt es jetzt. Wie soll er die Kleinen kennzeichnen, wenn der Papa die ganze Zeit Späne macht? Sekunden später ist auch Vater Schwan mit Klettband fixiert. Vom See her nähert sich derweil die Mutter des Vierergeleges, die anderen beiden Kleinen im Schlepptau. Familie Schwan hält offensichtlich zusammen. Wieder und wieder muss Eißer Angriffe abwehren, bevor er schließlich losrennt. Die Mutter scheint deutlich fitter zu sein als der Vater. Nur knapp verfehlt der kräftige Mann den Bürzel der Schwänin, landet dabei auf der Wiese. So langsam wird er ein bisschen sauer.

Dafür haben sich die klettgefesselten Kleinen beruhigt. Fast belustigt scheinen sie die Szenerie verfolgt zu haben. Endlich kann Eißer die Ringe um die Füße schlingen. Assistentin Mommert notiert deren Nummern. Später werden sie in eine Datenbank eingetragen, die europaweit abrufbar ist. „Damit sie wiedergefunden werden können, falls sie umziehen“, sagt Eißer und lacht. Normalerweise höchstens bis ins Dresdner Umland. Den bisher am weitesten gereisten Dresdner Schwan hätten österreichische Kollegen auf der Donau in Wien entdeckt, erzählt Eißer, während er die Temperatur der Jungtiere misst und sie an eine Waage hängt. „Nummer 75 hat 3,85 Kilo, Nummer 76 viereinhalb“, diktiert er seiner Assistentin in den Block. Weil Papa Schwan vorher frech war, kommt er auch noch dran.

Die Daten sind wichtig. So kann auf den Gesundheitszustand des Tieres geschlossen werden und wie es sich körperlich entwickelt. Die zwei Mini-Schwäne sind nur der Anfang im Großen Garten. Bis gestern Abend hat Thomas Eißer noch weitere acht Schwäne beringt, die Geschwister von Nummer 75 und 76 sowie die sechs Kleinen aus dem Palaisteich. Eißers Aufgabe ist damit getan. Nun wird er nur noch nach ihnen sehen. Bis das alte Schwanenpaar im nächsten Frühjahr wieder brütet.