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Uni-Dekan: Patzelts politische Ansichten haben keine Rolle gespielt 

Professor Lutz Hagen begründet, warum der Politologe Werner Patzelt an der TU Dresden keine Seniorprofessur bekommt.

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Professor Werner Patzelt.
Professor Werner Patzelt. © Oliver Killig/dpa (Archiv)

Der Politikwissenschaftler Werner Patzelt hat jede weitere Zusammenarbeit mit der TU Dresden aufgekündigt. Diese hatte zuvor Patzelts Antrag auf eine ehrenamtliche Seniorprofessur nach dem regulären Ausscheiden des 65-Jährigen aus dem Hochschuldienst abgelehnt. Wir fragten Professor Lutz Hagen, Dekan der Philosophischen Fakultät, nach den Gründen für seine Entscheidung gegen Patzelt, dem auch innerhalb der Universität manche Kritiker „Rechtslastigkeit“ und eine zu große Nähe zur AfD vorwerfen.

Herr Professor Hagen, könnte Professor Patzelt auch ohne die ehrenamtliche Ernennung zum Seniorprofessor weiterhin für die TU Dresden tätig sein?

Aber natürlich. Er kann weiterhin Lehrveranstaltungen halten und wissenschaftlichen Nachwuchs betreuen. Er bleibt auch als Professor im Ruhestand ein Angehöriger der TU Dresden. Die Stellung des Seniorprofessors kann darüber hinaus mit eher geringen Ressourcen verbunden werden, etwa einem Büro an der TU, aber nicht mit einem Gehalt.

Überrascht es Sie, dass Herr Patzelt nun trotzdem jede weitere Zusammenarbeit aufgekündigt hat?

Das ist sein gutes Recht. Man kann natürlich auch verstehen, dass er enttäuscht ist.

Ein Vorwurf Herrn Patzelts lautet, man habe seinen Vorschlag für ein von ihm mitinitiiertes Institut für Gesellschaftlichen Zusammenhalt ignoriert und betreibe an ihm vorbei die Gründung eines Zentrums für Integrationsstudien.

Ich will keine schmutzige Wäsche waschen und über Hochschul-Interna sprechen. Ich halte es auch nicht für zuträglich, dass Herr Patzelt in Medien den TU-Rektor in einer Weise angegriffen hat, die sachlich weder korrekt noch angemessen ist. Auch würde sich die Frage stellen, wer nun was an wem vorbei betrieben hat. Aber dazu möchte ich mich nicht weiter äußern. Entscheidend ist eher, dass Herr Patzelt sich nicht mit der Uni-Leitung intern darüber aussprechen wollte, stattdessen hat er seine Kritik in die Öffentlichkeit getragen.

Die TU hatte Herrn Patzelts erste Vorstöße in Richtung Seniorprofessur vor drei Jahren zunächst grundsätzlich befürwortet. Was hat den Meinungsumschlag ausgelöst?

Vor drei Jahren gab es keine Position der TU. Vielmehr hat mich Herr Patzelt damals schon über seine entsprechenden Pläne informiert, die ich zunächst auch unterstützt habe. Formell beantragt hat er dieses unbezahlte Ehrenamt bei mir erst im Oktober 2018. In der Zwischenzeit war es aber unter anderem zu den Ereignissen von Chemnitz gekommen (Anm. d. Red.: zu rechtsextremen Ausschreitungen nach dem Tod eines mutmaßlich von Asylbewerbern erstochenen Menschen). Professor Patzelt hat sich dazu geäußert, aber im Rahmen einer Zusammenarbeit mit den Science-Files, einer polemischen Internetplattform. Dort wurde eine gemeinsame Petition an die Kanzlerin mit einem Foto von NS-Propagandaminister Goebbels unter der Überschrift „Lügenspirale“ versehen. Wir haben ihn gebeten, das bitte zu ändern, was auch geschah. Und schwups – am anderen Tag war dort ein Foto von Stalins Geheimdienstchef Beria.


Lutz Hagen ist Dekan der Philosophischen Fakultät.
Lutz Hagen ist Dekan der Philosophischen Fakultät. © Ulrich Löser

War das der Anlass für Ihr Umdenken?

Zumindest ein Auslöser, neben der skizzierten öffentlichen Kritik am Rektor und anderen Gründen. So war auf seinem privaten Blog „Patzelts Politik“ lange Zeit das Impressum der TU angegeben; für uns das sichtbarste Zeichen dafür, dass die Trennung zwischen Wissenschaft und Politik bei ihm nicht in ausreichendem Maße gegeben war.

Ein populärer Vorwurf lautet ja, Patzelt sei vielen an der TU „zu rechts“ ...

... was soll das denn heißen, „zu weit rechts“? Es könnte ja nur bedeuten, dass er nicht mehr auf dem Boden der Verfassung steht – und das will ihm nun wirklich niemand vorwerfen. Ich habe ihm auch explizit geschrieben, dass es darum nicht geht. Unser Haupteinwand, auch aus anderen Fakultäten und dem Rektorat, ist ein anderer.

Die in Ihren Augen mangelnde Trennung von Wissenschaft und Politik?

Ja. Wie die erwähnten Beispiele zeigen, hat Professor Patzelt sich mehrfach politisch stark exponiert und Wissenschaft und Politik auf eine Weise vermischt, die dazu geeignet ist, dem Ruf der Fakultät und der TU Dresden zu schaden. Er selbst vergleicht sich ja mit einem Professor aus der Medizin, der zugleich auch Therapien wissenschaftlich auf ihre Eignung erforschen und praktisch anwenden dürfe. Ich finde, dieser Vergleich hinkt. Denn er verschleiert, dass politische Ziele und Empfehlungen ungleich stärker von Werten, von deren Widerstreit und Wandel bestimmt werden. Werte können verfassungskonform sein oder nicht, aber sie können definitionsgemäß nicht wahr oder falsch sein. Somit lassen sie sich auch nicht durch wissenschaftliche Forschung daraufhin prüfen.

Nun ist ja politische Betätigung für Politikwissenschaftler bis hin zur Beratung von Parteien – inklusive der Abgabe von Empfehlungen – weder verboten noch etwas völlig Ungewöhnliches, oder?

Absolut nicht. Das Grundgesetz räumt auch der Meinungsfreiheit einen höheren Rang ein als den meisten Rechten oder Pflichten, die leicht mit ihr in Konflikt geraten. Das gilt auch für die Mäßigungspflicht für Beamte, erst recht für Uni-Professoren. Daher kann ein Professor ziemlich viel äußern. Das ist durch die Meinungsfreiheit gedeckt, solange er nicht gerade in seinen Lehrveranstaltungen Wahlwerbung für eine bestimmte Partei macht.

Auch aus der Hochschule war und ist regelmäßig zu hören, Patzelt sei zu AfD-nah, weil er Gutachten für die AfD erstellt und bei Parteiveranstaltungen Vorträge gehalten hat. Hat das eine Rolle bei Ihrer Entscheidung gespielt?

Es gibt Kolleginnen und Kollegen, die das kritisieren. Aber wie schon gesagt: Bei meiner Entscheidung gegen die Seniorprofessur hat es keine Rolle gespielt, wo Herr Patzelt innerhalb des legalen politischen Spektrums zu verorten wäre.

Das Gespräch führte Oliver Reinhard.

Die offizielle Stellungnahme der TU Dresden finden Sie hier.

In einem Video auf Facebook nahm Werner J. Patzelt am Sonntagnachmittag Stellung zur Entscheidung der TU: