Wie aus der alten Hengst-Fabrik ein Wohnquartier wird

Draußen haben die Abrissbagger schon ganze Arbeit geleistet. Von den riesigen Unterständen auf dem Betriebsgelände, so groß, dass man bequem mit einem Lkw hineinfahren konnte, ist nichts mehr übrig. Nur die alte Ziegelmauer bleibt als Grenze zum Nachbargrundstück stehen. Ist die Fläche der einstigen Groß-Garage planiert, entstehen dort Parkplätze, über 60 auf dem gesamten Areal, für die Mieter, die bald hier einziehen. Gewohnt wird künftig gleich nebenan, in der ehemaligen Fensterfabrik Hengst an der Maxim-Gorki-Straße, ein klassischer Klinkerbau aus der Gründerzeit, zwei Etagen, Dachgeschoss, Keller, baulich völlig unverbastelt.
Die Immobilienfirma Ventar mit Hauptsitz in Böblingen und Niederlassung in Dresden, hatte das denkmalgeschützte Ensemble 2017 erworben. Zwei Jahre lang verhandelte Ventar-Geschäftsführer Uwe Herrmann zuvor mit dem früheren Eigentümer Christian Dinter, ehe der Kauf besiegelt war. Dinter hatte 2007 die Produktion in dem Werk endgültig eingestellt, nachdem der Betrieb bereits 2003 Insolvenz anmelden musste. 2017 ließ Dinter die Werkhallen vollständig leer räumen, um sie dem neuen Eigentümer zu übergeben.

Für Ventar, darauf spezialisiert, Industriedenkmäler in Wohnraum zu verwandeln, gab es von Anfang nur ein Konzept: Die alte Fabrik wird zu einem Wohnquartier. Nachdem Fachleute das Haus vermaßen, digitalisierten und Grundrisse entwarfen, hat nun vor Kurzem der Umbau begonnen. In der langgestreckten Werkhalle im Erdgeschoss schichten Bauarbeiter Wände aus weißen Leichtbeton-Steinen auf, die ersten Zimmer lassen sich schon grob erahnen. Im Obergeschoss des Hauptflügels, über dem ehemaligen Chef-Büro, ist der Trockenbau schon komplett fertig. In der Decke vom Obergeschoss zur unteren Werkhalle klafft allerdings noch ein großes Loch, von der Empore kann man derzeit den Bauleuten unten noch mühelos beim Mauern zusehen. In Kürze aber werden die Handwerker an dieser Stelle eine Stahlbetondecke einziehen, dann kann auch der Ausbau in der oberen Werkhalle beginnen.
42 Wohnungen entstehen laut Herrmann in der alten Hengst-Fabrik, 38 im Hauptgebäude, vier in dem kleinen Klinkerhaus links neben dem Werk. Angeboten werden Ein- bis Vierzimmer-Quartiere, die Größen reichen von 50 bis 115 Quadratmeter. Alle Wohnungen, sagt Herrmann, sind ausgestattet mit Laminatböden, Fußbodenheizung und Einbauküchen. Weil die Räume in einigen Bereichen sehr hoch werden, ließen sich die Planer etwas Besonderes einfallen: In mehreren Wohnungen ziehen die Bauleute noch eine Zwischendecke ein, auf der Empore entsteht eine Art kleine Galerie. Insgesamt zwölf Wohnungen mit dieser innenliegenden zweiten Etage wird es geben. Interessenten können sich die Grundrisse bereits jetzt auf der Internetseite von Ventar anschauen. Sämtliche Quartiere, sagt Herrmann, seien bereits verkauft. Im August oder September will die Immobilienfirma damit beginnen, die Wohnungen zu vermieten. Die Mietpreise stehen noch nicht fest, sie werden derzeit kalkuliert. Läuft alles nach Plan, soll das Relikt früherer Industriekultur Ende 2019 fertig saniert sein. Ventar investiert rund 4,8 Millionen Euro in den Umbau.

Dafür tut sich auch im Außenbereich so einiges: Draußen verschwindet so manches Nebengelass, auf den freien Flächen entstehen Grünanlagen sowie ein 160 Quadratmeter großer Spielplatz für die Kinder der Mieter. Allerdings wartet draußen noch eine große Herausforderung: An der Grundstückgrenze steht noch ein altes Silo, in dem früher Holzspäne gelagert wurden. Es ist aus Stahlbeton. „Dieser Abriss wird recht kompliziert“, sagt Herrmann.
Zwei Dinge bleiben hingegen unangetastet. Der große Schornstein darf nicht fallen, er steht unter Denkmalschutz. Außerdem ist der Schlot langfristig vermietet – oben befindet sich die Sendeanlage eines großen Mobilfunkanbieters. Auch das alte holzvertäfelte Büro im Erdgeschoss darf weiter den Geist der früheren Werkszeit atmen. Laut Herrmann wäre es zu schade, wenn diese Einbauten verschwinden würden. Schon jetzt ist der edle Raum quasi heilig: Herrmann öffnet ihn nur zweimal in der Woche für die Bauberatung.

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