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Wie die Porzelline überleben soll

Armenak Agababyan will neue Aufträge ranschaffen. Bis die kommen, bleibt der Betrieb zu. Der Anfang vom Ende?

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Von Matthias Weigel

Seine Liebe zum Porzellan und zur Kunst sei ungebrochen, versichert Armenak S. Agababyan. Er ist aus Moskau angereist. In seinem Dresdner Geschäft am Neumarkt stellt er sich, entspannt in einem braunen Ledersessel, den Fragen der Journalisten zur Zukunft der Porzellanmanufaktur Dresden. Anfang März hatte das Traditionsunternehmen mit Sitz in Freital-Potschappel überraschend mitgeteilt, dass die Produktion schrittweise zurückgefahren und im Laufe des Jahres wohl ganz eingestellt werde. Als Begründung wurden die sowieso schwache Porzellanbranche und deutliche Auftragsrückgänge genannt.

Agababyan hatte die Porzelline 2005 anteilig und 2008 komplett übernommen. Der Kunstliebhaber und -mäzen hatte zuvor bereits in seinem Moskauer Geschäft Markenporzellan aller Herren Länder geführt. Daher war ihm auch die Porzelline ein Begriff. Sein Geld verdient er in Russland aber als Chef des Unternehmens Monema mit 3  000 Mitarbeitern, das nichtgewebte Textilien für Industrie, Landwirtschaft und Haushalte produziert. Er ist zudem Abgeordneter im Moskauer Stadtrat.

Wie geht es mit der Porzellan- Manufaktur in Freital weiter?

Auftragslage und die Situation auf dem Markt sind schlecht, die Konkurrenz, vor allem aus China, ist unerbittlich, die staatlich gestützte Weltmarke Meißen übermächtig – und die Aussichten trübe. Mehrere hunderttausend Euro habe er in den letzten acht Jahren zuschießen müssen, sagt Agababyan. Kein Dauerzustand. Deswegen ist eine „geregelte Stilllegung“ für den russischen Investor derzeit die einzige Lösung, um eine Insolvenz – es wäre die vierte der Porzelline nach der Wende – abzuwenden. Er werde aber versuchen, neue Märkte und Kunden zu erschließen. Allerdings wolle man vorerst den angehäuften Berg an Produkten abbauen. In den Lagern schlummern Erzeugnisse im Wert von 2,5 Millionen Euro. Die Manufaktur als Produktionsstätte will Agababyan erhalten und auch für die Instandhaltung aufkommen. Einen Verkauf schließt er aus.

Was wird aus den Mitarbeitern

in der Produktionsstätte?

Den zuletzt hier noch tätigen 20 Mitarbeitern ist längst gekündigt worden. Noch bis Oktober laufen die letzten Kündigungsfristen. Bis dahin wird noch gearbeitet. Agababyan hat in einem Garantiebrief versichert, den Arbeitern bis zuletzt das auszahlen, was ihnen zusteht. In Summe von Lohn und Gehältern sprach er dabei von etwa 500 000 Euro, was er angeblich zum erheblichen Teil aus seinem Privatvermögen stemmt. Sollten neue Aufträge reinkommen, will Agababyan jederzeit die Produktion wieder hochfahren können und auf die Mitarbeiter zurückgreifen. Er zitiert dabei das Kapital von Karl Marx: „Geld ist Ware, Ware ist Geld.“ Wie das funktionieren soll und ob die Mitarbeiter dann ad hoc noch zur Verfügung stehen, lässt er offen.

Wie sollen jetzt wieder neue

Märkte erschlossen werden?

Agababyan kündigt an, den Vertrieb neu zu strukturieren und auszubauen. Vor allem – da die Märkte USA und Japan komplett darnieder liegen – soll es auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion vorangehen. In Kiew wird bereits ein Vertriebsnetz aufgebaut. Aus Kasachstan und Usbekistan sollen demnächst Leute nach Freital kommen, um ihnen Produkte und Vertriebswege zu zeigen. Die sechs Ladengeschäfte, darunter das in der Manufaktur, das am Roten Platz in Moskau und das in Dresden sollen erhalten bleiben. Auch übers Internet werde man versuchen, die Produkte weiter zu vermarkten. Außerdem sind Ausstellungen – zum Beispiel in Kiew oder Moskau geplant – um für die Produkte der Porzelline zu werben. „Ich hatte einst die Idee, Freital mit anderen Manufakturen zu vereinen“, sagt Agababyan. Die Eigenständigkeit sei aber in der Porzelline bislang immer als einzig gangbarer Weg gesehen worden. Vielleicht, so der Eigentümer, sei es jetzt aber eine Option, auch wenn man mit Meißen nie Schritt halten, sondern wie alle anderen nur weiter hinterherlaufen könne.