Wie Pirna zum Bahn-Drehkreuz wird

Auf dem Gelände an der Glashüttenstraße in Pirna, wo früher der große Ringlokschuppen stand, nahm die ITL-Eisenbahngesellschaft im Juni 2013 ihr großes Bahnbetriebswerk in Betrieb, es gilt als eine der modernsten Werkstätten Europas.
ITL ist eine Tochter des Logistikunternehmens Captrain Deuschland, das wiederum zum französischen Bahnkonzern SNCF gehört. Über sechs Millionen Euro investierte ITL damals in das Betriebswerk, in der Werkstatt gibt es vier Gleise, drei für Loks, eines für Waggons. Mechaniker warten und reparieren hier im Zweischicht-Betrieb Schienenfahrzeuge.
Für den Neubau hatte ITL seinen bisherigen Standort in Kamenz aufgegeben, weil Pirna an einer der wichtigsten Hauptstrecken liegt. Hier rollen die Züge aus Tschechien, hauptsächlich von den Automobilherstellern, entlang, hier starten die langen Getreidezüge in Richtung Nordseehäfen - überwiegend bespannt mit Loks von ITL.
Der Betrieb in Pirna begann mit 35 Mitarbeitern, inzwischen sind es über 60, Tendenz steigend. Das Geschäft wächst rasant, und einige Jahre später stand fest: ITL braucht dringend mehr Platz, sowohl fürs Personal als auch für Ersatzteile.
Ersatzteile auf Vorrat bunkern
Für 2,4 Millionen Euro erweitert das Bahnunternehmen nun die Werkstatt um 1.655 Quadratmeter, die Arbeiten begannen vor wenigen Tagen. Die Investition wegen der Corona-Pandemie zu stoppen, stand nicht zur Debatte. "Mit dem Neubau wollen wir zeigen, dass wir trotz der Corona-Krise Innovationen vorantreiben und die Zukunftsfähigkeit unseres Unternehmens immer im Blick haben", sagt Captrain-Geschäftsführer Jérôme Méline.
Gleich hinter dem Bahnbetriebswerk entsteht ein neues Gebäude mit zwei Stockwerken. im Erdgeschoss beherbergt das Haus einen Lagerraum, der die vorhandene Lagerfläche um 720 Quadratmeter erweitert. Auf diese Weise kann ITL den Bestand an vorrätigen Ersatzteilen vergrößern und damit Loks der eigenen Flotte sowie anderer Kunden möglichst schnell reparieren.
Die zusätzliche Lagerfläche ist dringend nötig, weil die bisherige Kapazität nahezu ausgereizt ist. Das liegt vor allem an zwei Gründen: Die Zahl der Aufträge, Loks und Wagen instand zu halten und zu reparieren, wächst stetig, somit müssen zusätzliche Ersatzteile gelagert werden. Zudem nehmen die Mechaniker sämtliche Loks unter ihre Fittiche, von der neuesten Generation bis hin zu älteren Modellen, ITL hat selbst noch etliche ehemalige DDR-Loks im Bestand. "Vor allem für die älteren Loks haben wir noch viele Teile auf Lager, wissen aber langsam nicht mehr, wohin damit", sagt ITL-Prokurist Holger Harsch.
Darüber hinaus kann ITL auf der zusätzlichen Fläche Ersatzteile auf Vorrat bunkern, vor allem jene, bei denen es lange Lieferzeiten gibt. "Auf manche Teile wartet man schon mal ein Jahr, da ist es gut, wenn wir zeitig bestellen und schon da haben", sagt Harsch.
ITL will mehr Fachkräfte ausbilden
Über dem Lager entsteht ein Bereich mit Verwaltungs-, Sozial- und Schulungsräumen für insgesamt 110 Mitarbeiter. "Vor allem die Schulungsräume brauchen wir dringend, da wir künftig noch mehr Lokführer und Mechatroniker ausbilden wollen", sagt Méline. Diese Ausbildungsgänge würden immer mehr an Bedeutung gewinnen. "Als relevanter Arbeitgeber für die Region steigern wir dadurch auch die Attraktivität für Fach- und Nachwuchskräfte", sagt der Captrain-Geschäftsführer.
Zudem gibt es in der oberen Etage später fünf Zimmer, in denen nicht regional ansässige Lokführer übernachten können.
Eine Waschanlage für Lokomotiven
Neben dem Lager- und Verwaltungsgebäude errichten die Fachleute zusätzliche eine Waschanlage für Loks und Waggons, sie fehlte bislang noch im ITL-Portfolio. Die Fahrzeuge, allen voran die Lokomotiven, müssen ständig gereinigt werden, weil ihnen neben dem üblichen Wind- und Wetterdreck oft noch andere Überbleibsel anhaften: ITL registriert jährlich etwa 70 Wildunfälle, bei denen Züge mit Wildschweinen oder Rehen kollidieren. "Dieser Schmutz muss so schnell wie möglich runter", sagt Harsch.
Auch energietechnisch sorgt ITL künftig vor. Am Standort Pirna ist eine große Solaranlage geplant, mit ihr werden in Zukunft 75 Prozent des für die Werkstatt benötigten Stroms erzeugt. Sowohl das neue Lager- und Verwaltungsgebäude als auch die Waschanlage sollen im Dezember dieses Jahres fertig sein.
Mit dem Neubau sieht sich die Bahngesellschaft für die kommenden Jahre gerüstet. Er glaube, sagt Méline, weiter an die Region, er glaube weiter an die Zukunft der Eisenbahn. "In diesem Bereich", prognostiziert der Captrain-Chef, "werden künftig in Pirna sicher noch viel mehr Menschen arbeiten."