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Bausünden im Barockschloss verschwinden

In der Rammenauer Schlossanlage läuft der letzte Bauabschnitt. Der hat es in sich - und bringt Besuchern spannende Einblicke.

Von Ingolf Reinsch
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Restauratorin Martina Oeter untersucht eine Wand im Treppenhaus des Rammenauer Barockschlosses. Zurzeit nehmen die Fachleute Farbproben, die im Labor untersucht werden. Die um 1800 entstandenen Illusionsmalereien sollen bis Ende 2020 möglichst originalget
Restauratorin Martina Oeter untersucht eine Wand im Treppenhaus des Rammenauer Barockschlosses. Zurzeit nehmen die Fachleute Farbproben, die im Labor untersucht werden. Die um 1800 entstandenen Illusionsmalereien sollen bis Ende 2020 möglichst originalget © Steffen Unger

Rammenau. Sisyphus ist Rammenauer. Zentimeter für Zentimeter tragen die Restauratorinnen im zentralen Treppenhaus des Barockschlosses die oberen Farbschichten von den Wänden ab und sichern sie. Seit gut einer Woche nehmen sie Proben, die anschließend in einem Labor untersucht werden. Das Ergebnis soll darüber Aufschluss geben, wie das Treppenhaus möglichst schonend und zugleich effektiv restauriert werden kann. Verschiedene Methoden sind möglich. Es gibt Farben, die reagieren zum Beispiel auf Heißluft, andere auf Lösungsmittel. Bis Ende kommenden Jahres sollen das Treppenhaus sowie das Eingangsfoyer schön wie seit langem nicht mehr erstrahlen. „Wir beseitigen den Staub der vergangenen Jahrzehnte“, sagt Schlossleiterin Ines Eschler. Und nicht nur das. Auch manche Bausünde der Vergangenheit wird nun korrigiert.

Ines Eschler zeigt ein Foto vom oberen Bereich des Aufganges, das um 1930 aufgenommen worden ist – die älteste verfügbare Aufnahme dieses Schlossbereichs. Daran orientiert sich heute der Denkmalschutz. Die Sanierung der filigranen Stuckdecke wurde bereits abgeschlossen. Sie ist jetzt wieder einfarbig weiß. Die Ornamente wirken durch Licht und Schatten. Auffallend in deren Mitte ist das Johanniterkreuz, Es geht auf den einstigen Schlossbesitzer Friedrich von Kleist (1746 bis 1820) zurück, der sich zum Johanniterorden bekannte. Die Schlossleiterin zeigt auf die beiden dekorativen Vasen auf dem Geländer am oberen Treppenabschluss. Auf dem Foto haben sie Ketten. In der Realität fehlen sie. „Eine Kette haben wir auf dem Schlossboden gefunden. Sie ist sehr gut erhalten“, sagt Ines Eschler. Nach dem Vorbild sollen die fehlenden Ketten nachgefertigt werden.

Die Stuckdecke im Treppenhaus mit dem Johanniterkreuz wurde bereits restauriert.
Die Stuckdecke im Treppenhaus mit dem Johanniterkreuz wurde bereits restauriert. © Steffen Unger

An der dick aufgetragenen Ölfarbe auf dem Geländer sieht man eine Bausünde aus früheren Zeiten. Durch die Farbe kommt der einst sehr fein gearbeitete Sandstein gar nicht mehr zur Geltung. Auf einem kleinen Teil des Geländers, das ein Spezialist schon behandelt hat, sieht man den Unterschied. Um die alte Farbe abzubeizen, wird es wohl nicht ohne Chemie gehen. Wahrscheinlich wird das Schloss – zumindest dieser Bereich – dann für einige Wochen nicht zugänglich sein. „Wir versuchen, diese Arbeiten auf den Januar zu legen, wenn weniger Besucher in die Barockanlage kommen“, sagt Ines Eschler.

Im Jahr 2021 werden es 300 Jahre, dass der Grundstein zum Rammenauer Schloss gelegt wurde. Ein Barockbau, der eine Besonderheit hat. Durch den aufwändigen Umbau unter Friedrich von Kleist, der die Rammenauer Anlage 1794 erwarb, entspricht die Innenausstattung des Schlosses dem Klassizismus. Denkmalschützer sprechen von einer zweiten Bauepoche – auch unter Bezug auf die illusionistischen Wandmalereien, die damals im Foyer und im Treppenhaus entstanden sind. Nun werden diese Malereien nach historischem Vorbild wieder hergestellt. Der Auftrag für die beiden Wandbilder gegenüber dem Haupteingang, die links und rechts am Zugang zum Gartensaal zu sehen sind, wurde an eine junge Restauratorin vergeben. Sie suggerieren dem Betrachter, dass er geradewegs aus dem Schloss in den Park schreitet.

Eine Plombe an der Decke des oberen Foyers markiert einen Riss im Putz. Die Bauexperten wollen so herausfinden, ob der Riss größer wird.
Eine Plombe an der Decke des oberen Foyers markiert einen Riss im Putz. Die Bauexperten wollen so herausfinden, ob der Riss größer wird. © Steffen Unger

Die Restaurierungsarbeiten erfolgen bei laufendem Betrieb. Für Besucher ist das spannend. Denn sie sehen nicht nur die bereits sanierten und zeittypisch eingerichteten Salons, sondern ein Schloss im Wandel. Den Restauratoren bei der Arbeit zuzuschauen, ist ausdrücklich erwünscht. Gern geben sie auch Auskunft zu ihrer Arbeit.

Die jetzt laufenden Arbeiten markieren die letzte Etappe bei der Sanierung der Rammenauer Landbarockanlage. Seitdem der Freistaat Sachsen die Anlage im Jahr 1993 übernommen hat, wurden nach und nach sämtliche Gebäude zwischen Torhaus, Wirtschaftshof, den beiden Kavaliershäusern und dem Schloss saniert. Wenn die Arbeiten zum Jahresende 2020 abgeschlossen sind, werden es voraussichtlich 20 Millionen Euro sein, die der Freistaat in Rammenau investierte. Das Sanierungsziel erscheint in zeitlicher Hinsicht sportlich. Denn Überraschungen bleiben bei einem so alten Gebäude nicht aus. Plomben mit Millimetermarkierung an der Decke des oberen Foyers markieren Risse. Bauexperten haben sie dort angebracht, um herauszufinden, ob diese Risse größer werden. Doch es gibt Entwarnung: Das ist offenbar nicht der Fall. Im Zuge der Restaurierung werden auch sie verschwinden.

Wenige Meter davon entfernt, im Vorraum des Spiegelsaales, ist der neue Glanz des Barockschlosses schon zu sehen. Dessen Restaurierung wurde vor wenigen Wochen abgeschlossen. Die Wände wurden nicht großflächig zugestrichen, sondern offenporig gestaltet – so wie zuvor auch schon in mehreren Salons. „Diese Farbgestaltung wirkt leichter, fluffiger, eleganter“, sagt Ines Eschler. Ornamente, unter anderem mit Vögeln, schmücken die Wände. An einigen Stellen ist der Untergrund schwarz geblieben. Dort fand sich keine Vorlage, wie es früher einmal ausgesehen hat, begründet es die Schlossleiterin. Bereits zu Jahresbeginn konnte sie mit dem Vasenzimmer neben dem Spiegelsaal und dem letzten der vier historischen Speisesalons zwei Räume vorstellen, deren Restaurierung gerade beendet wurde.

Das Barockschloss ist im Sommerhalbjahr täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet.

Dicke Ölfarbe lässt vom Sandstein des Geländers nicht mehr viel erkennen. Die Farbe soll nun beseitigt werden. Zur Probe wurde eine Stelle schon behandelt.
Dicke Ölfarbe lässt vom Sandstein des Geländers nicht mehr viel erkennen. Die Farbe soll nun beseitigt werden. Zur Probe wurde eine Stelle schon behandelt. © Steffen Unger