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Wie viel Naturschutz braucht der Berzdorfer See?

Die seltenen Blaukehlchen haben jetzt den Golfplatz erobert. Und der Biologe Markus Ritz stellt eine provokante Idee vor.

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Von Ingo Kramer

Als Markus Ritz vor wenigen Tagen am Berzdorfer See war, hat er zwei Beobachtungen gemacht, die unterschiedlicher kaum sein könnten. „Es waren 400 Haubentaucher da, das ist ein Großteil der Population der Oberlausitz“, schwärmt der Biologe, der für die Fachgruppe Ornithologie aktiv ist, hauptberuflich aber am Senckenberg-Naturkundemuseum arbeitet. Das Kontrastbild: „Am Westufer habe ich einen Segler beobachtet, der alle Regeln verletzt hat, fast direkt am Ufer des Naturschutzgebietes entlanggesegelt ist und dabei sehr viele Vögel aufgeschreckt hat.“

Ritz, der vielen Görlitzern durch die Beobachtung der seltenen Blaukehlchen unterhalb von Klein Neundorf bekannt geworden ist, hat jetzt den gesamten See im Blick. Nun prescht er mit einer provokanten Idee vor: „Zwei Drittel des Seeufers können touristisch bebaut werden, aber ein Drittel sollte für den Naturschutz bleiben.“ Für Letzteres hat er die Westseite im Blick, im Wesentlichen vom Bootsanleger „Fernblick“ im Norden bis kurz vor der Blauen Lagune im Süden.

Für Menschen sperren will er diesen Bereich aber nicht: „Naturtourismus mit Wanderwegen wäre schön.“ Das würde der Görlitzer Allgemeinheit in seinen Augen mehr bringen als Ferienhäuser oder eine Reha-Klinik. Ersteres ist der Plan der Investorengruppe, die größere Flächen unterhalb von Klein Neundorf besitzt. Letzteres hat der Tourismus-Experte Johann-Friedrich Engel vor wenigen Monaten in seiner Studie vorgeschlagen.

Ritz sieht das anders: Die Flächen in diesem Gebiet könnten beweidet werden, damit sie nicht zuwachsen. Dafür käme der Tierpark infrage, vielleicht auch ein Schäfer oder ein Öko-Bauer mit Ziegen, Rindern oder Pferden. Im Gegenzug könnten die Naturschützer damit leben, wenn auf den anderen Seiten Natur verschwindet, weil vieles zugebaut wird: „Keiner von uns ist so naiv, den ganzen See sperren zu wollen.“ Ähnliche Vorstellungen hat Ritz auch für die Wasserfläche: Kein Baden und Segeln am Westufer, dafür in allen anderen Abschnitten. Die artenschutzrechtliche Prüfung für das Segeln läuft momentan. Nur Motorboote sollten komplett tabu sein.

Die Vogelschutzinsel, die seit einiger Zeit im Gespräch ist, soll ebenfalls an die Westseite. Dazu soll der Bergbausanierer LMBV den Ponton, über den Neißewasser in den See geleitet wurde, nach den Vorgaben der Naturschützer umbauen. „Wir haben der LMBV unsere Vorstellungen geschickt“, so Ritz. Außerdem sei die Brutsaison der Lachmöwen auf dem Ponton vorbei. Somit könnte es jetzt losgehen. Allerdings ist die LMBV noch nicht so weit: „Wir müssen noch die Genehmigung einholen, um den Ponton an Land zu bringen“, sagt Projektmanager Jürgen Nagel. Der Transport zum Zwischenstandort am Hafen soll aber auf jeden Fall noch dieses Jahr erledigt werden. Dort wird der Ponton anschließend abgerüstet.

Neuigkeiten gibt es auch von den Blaukehlchen. Mindestens sieben Brutpaare haben dieses Jahr nach Aussage von Ritz den zugewachsenen Golfplatz auserwählt. Wenigstens 15 Paare gibt es am Berzdorfer See. In ganz Sachsen sind es 30 bis 40. „Sieben Brutpaare kann man nicht einfach vertreiben“, sagt Ritz. Zudem hat auch ein Kranich mitten auf dem Golfplatz gebrütet. So sieht Ritz hier künftig eher eine Fläche für den Naturschutz, nicht für den Golfsport.

Das sieht Winfried Stöcker anders. Mit seiner Stöcker Hotel GmbH plant der Investor einen Golfplatz im Verbund mit Ferienhäusern und Hotellerie. Dabei bleibt er auch: „Im Laufe einiger Jahre wollen wir auf der Berzdorfer Höhe einen Golfplatz bauen. Die Kraniche und die Blaukehlchen sollen sich bitte verziehen“, teilte er gestern auf Nachfrage mit.

Ritz möchte nicht als der Buhmann dastehen oder seine Ideen gar auf dem Klageweg durchbringen. Stattdessen würde er gern im Gespräch Lösungen finden. Den Seglern zum Beispiel will er die Ergebnisse der artenschutzrechtlichen Prüfung vorstellen, sobald sie vorliegen. Vielleicht sogar noch in diesem Jahr.