Von Monika Dänhardt
In der Hafenmühle in der Friedrichstadt wird an diesem Sonnabend gefeiert – die Mühle besteht 100 Jahre. Grund daran, dass es die Mühle überhaupt gibt, war ein Bauvorhaben der Bahn. Das Unternehmen, damals noch Königlich Sächsische Staats-eisenbahnen, plante Ende des 19. Jahrhunderts den vierspurigen Ausbau der Strecke nach Chemnitz – quer durch das Gelände der Hofmühle in Dresden-Plauen, die Gottlieb Traugott Bienert (1813–1894) so erfolgreich aufgebaut hatte. Die neue Eisenbahnstrecke wäre das Ende für alle Erweiterungspläne der Bienerts gewesen. Deshalb orientierten sie sich um. Eine Mühle am Hafen erschien zukunftsfähig. Lange schon importierten die Bienerts Getreide aus Übersee. Beispielsweise auch um die Riesaer Nudelfabrik zu beliefern, die Nudeln aus Hartweizen herstellte, der in Europa kaum angebaut wurde. So fiel die Wahl auf einen neuen Standort am Alberthafen.


Der Erste Weltkrieg durchkreuzte die Pläne des Eisenbahnunternehmens. Da stand die neue Bienert Mühle, die Hafenmühle, aber schon unübersehbar mit ihrem 63 Meter hohen Turm in der Dresdner Friedrichstadt. Bienerts Söhne, Erwin und Theodor, hatten sie 1912/13 bauen lassen. Die Bienerts besaßen damit zwei Mühlen, die alte in Plauen und die neue in der Friedrichstadt. In beiden produzierten sie gutes Mehl für gutes Brot beziehungsweise gute Nudeln.
Erwin und Theodor vergaßen nie den Leitspruch ihres Vaters: „Die Höhe der Produktion wird nur durch die Nachfrage, nicht durch die Leistungsfähigkeit der Maschinenanlage bestimmt; Herstellung tadelloser Qualitäten, nicht billige Massenerzeugung wird erstrebt.“ Übrigens erkannten schon die beiden, dass die Straßenbahn das kostengünstigste Transportmittel in der Stadt ist. Sie ließen mit ihr Getreide und Mehl durch Dresden kutschieren.
Das Modernste, was es gab
Gebaut worden war die Hafenmühle nach Plänen des bekannten Architekturbüros von William Lossow und Max Hans Kühne, deren Namen auch hinter dem Dresdner Schauspielhaus (1912/13) und dem Leipziger Hauptbahnhof (1909–1915) stehen. Lossow & Kühn waren moderne, innovative Architekten. Die Hafenmühle, eine Dampfmühle, wurde in der damals erstmalig verwendeten Eisenbetonbauweise errichtet. Dies würdigt unter anderem ein Artikel in der Deutschen Bauzeitung von 1916: „…In Dresden-Friedrichstadt, in der Nähe der Elbe am König Albert Hafen … ist diese Anlage geschaffen worden, die, was Größe, äußere Außengestaltung und maschinelle Einrichtung anbetrifft, wohl zu den größten und insbesondere zu den modernsten Mühlenanlagen Deutschlands gezählt werden darf.“ Die Hafenmühle besaß ein mechanisches System, welches nicht nur die Körner durch Röhren transportierte, sondern auch die Mühlwerke antrieb. Das Getreide wurde zu Mehl, ohne noch einmal von Menschen berührt zu werden. Auch der Feuerschutz im Betrieb war modern, es gab in allen Gebäuden Sprinkleranlage und elektrische Feuermelder.
Der Erste Weltkrieg stoppte den Erfolgskurs der Mühlen. Der Import von Getreide war fast zum Erliegen gekommen. Viele Arbeiter wurden eingezogen. Sie „mussten durch betriebsfremde, zum Teil wenig geeignete Personen ersetzt werden“, wie es in den Aufzeichnungen des späteren Chefingenieurs der Bienert Mühlen, W. Arndt, heißt. Nach dem Ersten Weltkrieg gingen die politischen Veränderungen auch an den Bienert Mühlen nicht spurlos vorüber. Obwohl der Name Bienert von Anfang an auch für soziales Engagement stand. Die Bienerts hätten, wie es in einem Bericht heißt „von jeher das wärmste Mitgefühl für ihre Arbeitnehmer gehabt und sind immer bestrebt gewesen, ihnen in allen Notlagen beizustehen.“ Es gab einen betriebseigenen Kindergarten und bezahlbare Betriebswohnungen. 1887 richtete Treugott Bienert eine Pensions- und Unterstützungskasse ein, zahlreiche Stiftungen folgten. Trotzdem legten auch die Arbeiter der Bienert Mühlen in der Novemberrevolution 1918 die Arbeit nieder, als überall gestreikt wurde. In den Mühlen hatte man ein Feindbild: Hofrat Pleißner, Prokurist und Ingenieur. Ein Mann mit grobem Umgangston, der auf größte Genauigkeit Wert legte. Allerdings war Pleißner auch der Mann, der in der erwähnten Baufachzeitschrift als Bahnbrecher in Sachen moderne Technik gelobt wurde. Der Aufruhr in den Bienert Mühlen ging vorüber. Er war hier nie so ausgeprägt wie beispielsweise in der Dresdner Metallbranche. In den Mühlen wurde wieder kontinuierlich produziert.
Erfolgreich auch nach 1945
Im Zweiten Weltkrieg wurde die Hafenmühle kaum zerstört. Doch die sowjetische Armee stellte nur die Hofmühle unter ihren Schutz. So kam es in der Hafenmühle zunächst zu Plünderungen. Doch auch in ihr konnte noch 1945 der Mahlbetrieb wieder aufgenommen werden. Ein bei allen Einschränkungen fast normaler Mühlenalltag zog wieder ein, als Friedrich Bienert Ende November 1945 zurück nach Dresden kam und die Geschäfte weiterführte. Die Mühlen blieben zunächst in Familienbesitz wegen „nachweislich antifaschistischer Grundhaltung … sowie fördernder Mitgliedschaft in der ,Roten Hilfe‘.“
1958 wurde aus dem Unternehmen ein Betrieb mit staatlicher Beteiligung, 1972 erfolgte schließlich die völlige Verstaatlichung, die Bienert Mühlen gehörten nun zum VEB Mühlenwerke Dresden. Ab 1984 bekam die Hafenmühle eine neue technische Anlage und produzierte weiter Mehl in hoher Quantität und Qualität.
1990, nach der Wende, erfolgte die Umwandlung der Hafenmühle in die „Dresdener Mühlen GmbH“. Die brandgeschädigte, marode Hofmühle in Plauen wurde geschlossen. Heute ist die Hafenmühle wieder in Familienbesitz. Die Werhahns aus Neuss firmten sie in die „Dresdener Mühlen KG“ um - und die Geschichte der Mühle geht bis heute erfolgreich weiter.
Quelle: „Auf ein Ährenwort – Die Chronik der
Dresdner Mühle“ , Autor Dr. Jürgen Rieß,
herausgegeben von der Dresdener Mühle
(dort auch heute erhältlich, außerdem per E-Mail);
„Tag der offenen Tür“ anlässlich des Jubiläums,
15. Juni, 11 bis 20 Uhr, Hafenmühle, Waltherstraße 2
(Eingang Bramschstraße), 01067 Dresden
www.dresdener-muehle.de